Die ZUW-Herbsttagung zur Bedeutung von Alumni-Netzwerken in der Weiterbildung

Die Herbsttagung des Zentrums für universitäre Weiterbildung der Universität Bern hat sich als bedeutsames Forum für Weiterbildungs-Professionals etabliert. Im 11. Durchführungsjahr standen Alumni-Netzwerke im Mittelpunkt der Veranstaltung. Die Tagung verdeutlichte, was Studierende, die Sweatshirts mit dem Logo ihrer Alma Mater tragen, mit Fans von Love-Brands wie Apple und Migros gemeinsam haben.

Beitrag: Neslihan Steiner, November 2023

Anglophone Alumni-Netzwerke als Vorbild

Alumni-Netzwerke haben ihren Ursprung an US-amerikanischen Hochschulen. Anfänglich entstanden aus den Absolventenvereinigungen von Universitäten und Colleges, sind sie noch heute tief verwurzelt in der akademischen Tradition. Diese Netzwerke haben sich zu umfassenden Organisationen entwickelt, die nicht nur ehemalige Studierende verbinden, sondern auch als Brücke zwischen der akademischen Welt und der breiteren Gesellschaft dienen. Virginia Richter, Vizerektorin Entwicklung der Universität Bern, betonte in ihrem Grusswort, dass Alumni-Netzwerke weit mehr als nur soziale Gemeinschaften sind; sie fungieren als Karrierebeschleuniger und tragen massgeblich zur Attraktivität der Bildungseinrichtungen bei. Während in den USA gewisse Alumni-Verbände bereits seit 200 Jahren aktiv sind, steckt das Alumni-Management hierzulande noch in den Kinderschuhen. Die Stabilität und der Erfolg solcher Netzwerke hängen massgeblich vom Nutzen ab, den sie ihren Mitgliedern bieten. Schweizer Hochschulen sind bisher noch von internationalen Standards entfernt, aber das grosse Potenzial des Alumni-Management ist ins Bewusstsein gerückt, was sich nicht zuletzt an der hohen Teilnehmendenzahl der diesjährigen Herbsttagung widerspiegelte.

Das Tagungsthema stiess auf Interesse: An der Herbsttagung 2023 nahmen über 100 Personen teil

Alumni-Management und Lifelong Learning

Warum man künftig nicht mehr nur von den «Ehemaligen» sprechen sollte, erläuterte Christina Cuonz, Direktorin Zentrum für universitäre Weiterbildung der Universität Bern, in ihrer Einführung ins Tagungsthema. Die Autoren des Buchs «The 60-Year Curriculum: New Models for Lifelong Learning in the Digital Economy» argumentieren, dass traditionelle Bildung nicht mehr ausreicht, um den Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes gerecht zu werden, der sich durch häufige Berufswechsel auszeichnet. Menschen leben länger, durchlaufen mehrere Karrieren und sind auf lebenslanges Lernen angewiesen. Mit jeder absolvierten Weiterbildung können wir Alumni einer anderen Bildungseinrichtung werden. Diese Tatsache stellt Institutionen vor eine Herausforderung, da der Wettbewerb um das wertvolle Zugehörigkeitsgefühl steigen wird.

Alumni-Management als Marketinginstrument

Was kann sich Alumni-Management vom Marketing von berühmten «Love Brands» abschauen? Eine Menge, wie die erste Key-Note Präsentation von Bettina Nyffenegger, Dozentin für Kundenbeziehungsmanagement an der Universität Bern, aufgezeigt hat. Sie führte den Tagungsteilnehmenden den Wert der Kundenbindung mithilfe wissenschaftlicher  Erkennntnisse vor Augen und zeigte auf, wie man starke Beziehungen schafft und pflegt. Das Paradebeispiel: Apple hat der Welt gezeigt, wie man eine engagierte Gemeinschaft von Nutzerinnen und Fans aufbaut, die eine starke Identifikation mit der Marke haben. Bildungsinstitutionen können von solchen Beispielen lernen. So ist es auch Harvard gelungen, eine starke emotionale Bindung zwischen den Alumni und ihrer Alma Mater herzustellen, etwa durch gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen als Teil des Campus-Lebens - wie dem Mitfiebern mit dem eigenen Sportclub. Die psychologisch-emotionale Bindung ist für die Alumni-Arbeit essenziell. Bildungseinrichtungen müssen als Dienstleistungsunternehmen agieren, die Kundinnen und Kunden langfristig an sich binden, zu Marken- und Angebotsbotschafterinnen, Zuweisern und wiederkehrenden Studierenden machen.

Dabei sind Faktoren wie Reputation, Lehrequalität und Services wie Karrieredienste für die Alumni entscheidend. Aber auch Kundenbindungsprogramme wie Vorzugsangebote, attraktive Veranstaltungen und regelmässige Interaktion und Kommunikation mit relevantem Content für die Community spielen eine wichtige Rolle. Ein wichtiges Take-away für die Teilnehmenden war der Hinweis, dass die Intensität der Kundenbeziehung in der mittleren, der aktiven Studierenden-Phase am stärksten ist: Bildungsinstitutionen sollten die Gelegenheit ergreifen, schon während der Weiterbildung den Grundstein für ein nachhaltiges Alumni-Management zu legen - und nicht erst danach.

Bettina Nyffenegger: Wie schafft und pflegt man starke Kundenbeziehungen?
Bettina Nyffenegger: Wie schafft und pflegt man starke Kundenbeziehungen?

Die Bedeutung digitaler Plattformen

Die Kommunikation - auch mit Alumni - erlebte in den letzten Jahren einen bedeutsamen Paradigmenwechsel. Traditionelle Kommunikationswege wie Websiten und Newsletter verloren an Bedeutung, während Social-Media-Plattformen zunehmend in den Vordergrund rückten. Universitäten verzeichnen  einen Rückgang der Website-Besuche um bis zu 70%, was die Notwendigkeit unterstreicht, neue Kommunikations- und Informationskanäle zu nutzen. «Universitäten müssen proaktiv auf ihre Alumni zugehen und sie kommunikativ dort treffen, wo die Alumni sich aufhalten», lautete der Weckruf von Philip Dunkhase, Vorstandsmitglied Alumni- und Förderverein der Leuphana Universität.

Die «Generation C», die, so Dunkhase, entgegen anderen Generationen-Konzepten nicht durch ihr Alter, sondern durch Merkmale wie Community, crossmediale Kompetenzen, Cloud-Nutzung, kritisches Denken und Content Creation definiert wird, verändert die Art und Weise, wie Alumni-Netzwerke funktionieren. Alumni dieser Generation agieren oft als Multiplikatoren mit grosser Reichweite, was besonders im Hinblick auf die 90:9:1-Regel interessant ist. Diese Regel besagt, dass in einem Online-Community-Netzwerk typischerweise 1% der Nutzer:innen aktiv Inhalte erstellen, 9% gelegentlich damit interagieren und 90% der Nutzer:innen Inhalte konsumieren, ohne selbst aktiv zu werden. Hochschulen müssen diese Dynamik verstehen und nutzen, um effektive Kommunikationsstrategien zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse und das Verhalten ihrer Alumni und Alumae abgestimmt sind.

Philip Dunkhase: Der Paradigmenwechsel in der Alumni-Kommunikation
Philip Dunkhase: Der Paradigmenwechsel in der Alumni-Kommunikation

Praxisbeispiele aus der Hochschulweiterbildung - und einer ganz anderen Branche

Amélie Lustenberger, Communication and Alumni/-ae Manager, gab einen Einblick ins Alumni-Management bei Rochester-Bern Executive Programs. Sie zog die Analogie zur Familie: Man fördert, fordert und unterstützt sich gegenseitig. Rochester-Bern stellte fest, dass 50% ihrer Weiterbildungsteilnehmenden über Empfehlungen gewonnen werden. Alumni-Events und Benefits sind entscheidend, um diese Gemeinschaft lebendig zu halten. Diese können durchaus einfach und ressourcenschonend gehalten werden. Amélie Lustenberger betonte die Wichtigkeit des persönlichen Kontakts und riet den Tagungsteilnehmenden, bestehende Angebote für Alumni-Angebote zu nutzen, zwecks Arbeitsteilung Partnerschaften einzugehen und auch die Alumni selbst immer wieder nach Anregungen für das Community-Management zu fragen, wie sie dies bei Rochester-Bern mit dem Advisory Board tun.

Auch beim Department of Management, Technology, and Economics der ETH Zürich kommt man auf den gleichen Wert: 50% der Weiterbildungsteilnehmenden stammen aus Weiterempfehlungen früherer Studierender, was die Wichtigkeit des Alumni-Managements nochmals verdeutlicht. Isabel Spicker, Alumni Relations & Mentoring-Koordinatorin, stellte das Mentoring-Prinzip in ihrem MAS-Studiengang vor. Die ehrenamtliche Arbeit ehemeliger Absolventinnen und -absolventen als Mentor:innen für aktuelle Studierende ist niederschwellig und einfach gestaltet. Zu Beginn des sechsmonatigen Mentoring-Programms erfolgt ein unbürokratisches Matching von Mentor:in und Mentee, danach übernehmen die Mentees selber das Steuer für ihr Mentoring. Mit dem Grundsatz «Catch them early» unterstrich auch Isabel Spicker die Bedeutung einer frühzeitigen Einbindung. Sie betonte auch, dass es sich beim Alumni-Management um keine Einbahnstrasse handle, sondern um eine lebenslange Partnerschaft, die zum beiderseitigen Vorteil gereicht.

Einen inspirierenden Blick über den Tellerrand bot Nina Kuster, Leiterin Community Management beim Migros-Genossenschafts-Bund. Community Management in Grossunternehmen konzentriert sich auf den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu diversen Stakeholdern. Nina Kuster zeigte Beispiele für das Engagement der Migros in der ganzen Palette von sozialen Medien und illustrierte, wie die Migros auf Feedback von Kundinnen und Kunden reagiert, diese in die Produktentwicklung und Markenbotschafter:innen aktiv in die Kommunikation einbezieht. Ob Gamification-Elemente, User-Generated-Content oder Einsatz von Influencern: Bildungsinstitutionen können analoge Ansätze nutzen, um ihre Beziehungen zu Alumni, Weiterbildungsteilnehmenden und der akademischen Gemeinschaft zu stärken. Sie können physische und digitale Plattformen für den Austausch und das Networking bieten, Feedback und Evaluationen einholen und  sowie Alumni als Botschafter für das eigene Angebot und die Institution einsetzen. Wichtig ist dabei, dass der Fokus auf authentischer Kommunikation und dem Aufbau einer unterstützenden und engagierten Gemeinschaft liegt.

Nina Kuster: Die Klaviatur des Kundenbeziehungsmanagements bei der Migros

Podiumsdiskussion: Was motiviert die Alumni?

Die Podiumsdiskussion rundete die Herbsttagung ab und liess Alumni und Alumnae selbst zu Wort kommen. Sandra von Flüe, Teamleiterin Alumni UniBE, Ursula Meyerhofer, Alumna Executive Master of Public Administration EMPA, Kevin Schwab, Alumnus UniBE und Lucia Wagner, Alumna UniBE, diskutierten über ihre Beweggründe, sich in einer Alumni-Vereinigung zu engagieren.

Lucia Wagner verglich das Mitgliedsein in einer solchen Vereinigung mit der Zugehörigkeit zu einer Familie. Für sie, die mit dem Studium in eine ganz neue örtliche Umgebung eintauchte, bot die Alumni-Vereinigung Anschluss und die Möglichkeit, einen vielfältigen Bekannten- und Freundeskreis aufzubauen. Die selbständige Unternehmerin Ursula Meyerhofer betonte die Chancen zum professionellen Networking, die ihre Tätigkeit als Mitglied und (seit vier Jahren) als Päsidentin einer studiengangs- und fachspezifischen Alumni-Organisation eröffnet. Kevin Schwab hob  umgekehrt die Gelegenheit, neue Kontakte über den eigenen Berufs- und Fachhorizont hinaus zu knüpfen, als wesentlichen Vorteil einen grossen Alumni-Dachvereinigung wie Alumni UniBe hervor. Die Alumni sprachen auch über ihre emotionale Identifikation mit der eigenen Hochschule, die für einige von ihnen zu einem regelrechten Stück Heimat wurde, und wie diese emotionale Bindung ihr Engagement in der Vereinigung verstärkt. Sandra von Flüe hat sich das Alumniwesen gleichzum Beruf gemacht: Selber eine Alumna der ersten Stunde, konzipiert und  koordiniert sie mittlerweile mit Herzblut Projekte zur Gestaltung einer lebendigen und vernetzten Alumni-Community der Universität Bern.

Fazit

Die 11. Herbsttagung des Zentrums für universitäre Weiterbildung der Universität Bern hat  Bedeutsamkeit und den Wert von Alumni-Netzwerken veranschaulicht. Die Zukunft der Alumni-Arbeit liegt in der Schaffung und Pflege starker, emotionaler Bindungen, die durch ein ganzes Leben begleiten. Inspiriert von wissenschaftlichen Einblicken und persönlichen Erfahrungen, tauschten sich die über 100 teilenehmenden Personen beim Apéro aus und diskutierten mögliche Massnahmen für ihre eigene Tätigkeit  ab.

 

Informationen zur Tagung

Flyer mit Information zum Tagungsprogramm und den Referierenden als PDF zum Downloaden.

Bildergalerie mit Tagungsimpressionen.

Zur Autorin

Neslihan Steiner ist Mitarbeiterin der Stabsstelle Kommunikation des Zentrums für universitäre Weiterbildung ZUW.

Fotos

Dres Hubacher / Referentinnen und Referenten