Universität für alle Collegium generale

Was ist Gesundheit? – HS 2023

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Gesundheit: Wir alle streben danach – mehr denn je. Nicht nur unsere Gesundheitssysteme laufen auf Hochtouren, auch jeder Mensch soll sich um gesunde Ernährung und Bewegung bemühen, um möglichst bis ins hohe Alter fit zu bleiben.
Doch was genau verstehen wir unter Gesundheit und welche Chancen und Risiken gibt es
auf dem Weg zu einer gesunden Gesellschaft? Haben wir ein Recht auf Gesundheit? Ist sie in unserer Gesellschaft ungerecht verteilt? Ist sie durch Globalisierung und Klimawandel bedroht? Betrifft sie auch Tiere und andere Lebewesen, mit denen wir die Erde teilen?

Beiträge aus verschiedenen Disziplinen geben Einblick in die vielfältige und sich rasch verändernde Welt von Gesundheit und Gesellschaft. Die Ringvorlesung macht deutlich, wo die Probleme liegen, welche Entwicklungen im Gange sind und wohin die Reise gehen könnte.

Programm_Was ist Gesundheit.pdf
Podcasts der Reihe "Was ist Gesundheit"
 

Vorlesungen der Reihe "Was ist Gesundheit?"

  • Dr. Rüdiger Krech
    Abteilungsleiter für Gesundheitsförderung, WHO, Genève
    20. September 2023

Die WHO definiert Gesundheit als mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und geistigen Wohlbefindens. Damit ist klar: Es geht nicht nur um das Gesundheitsversorgungssystem, sondern um viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die Einfluss auf Gesundheit haben. Gleichzeitig ist Gesundheit aufgrund einer stetig zunehmenden Globalisierung nicht mehr allein innerhalb nationaler Grenzen zu beeinflussen, sondern bedarf globaler Abstimmungsprozesse und Vereinbarungen. WIr werden in diesem Seminar einige Beispiele der grössten Herausforderungen diskutieren, die beispielhaft die globale Ebene von Gesundheit beleuchten und Einblicke in die intenrationale Arbeit geben.

  • Prof. Dr. Jakob Zinsstag
    Schweizerisches Tropen- und Public Health Institut, Basel
    27. September 2023

One Health (deutsch: Eine einzige Gesundheit ), ist ein integrierte Ansatz der die Gesundheit von Menschen, Tieren und der Umwelt gleichzeitig berücksichtigt. Eine integrierte Sicht auf die Gesundheit der Menschen und Ihrer Umwelt ist nicht neu und hat Wurzeln in Indien und China. Wir können deren Geschichte nur stichwortartig erwähnen und verweisen auf die neuere historische Literatur. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Rindertuberkulose betonte der deutsche Pathologe Rudolf Virchow im Preussischen Senat: «dass zwischen Tier- und Humanmedizin wissenschaftlich keine Scheidegrenze ist oder sein sollte». In der Mitte des 20. Jahrhunderts prägte der Amerikanische Veterinärepidemiologe Calvin Schwabe, inspiriert durch seine Arbeit mit Dinka Pastoralisten in Sudan, den Begriff «One Medicine» in dem er klarstellte: «Zwischen der Human- und der Veterinärmedizin gibt es keine unterschiedlichen Paradigmen». Die Wildlife Conservation Society prägte im Jahr 2004 den Begriff «One World One HealthTM». Er bedeutet wie wichtig die Gesundheit von Menschen und Tieren um die Nationalparks herum ist um die Gesundheit der Wildtiere nicht zu gefährden. Der Begriff «One Health» erschien 2005 zum ersten Mal in der biomedizinischen Literatur im Zusammenhang mit der Stärkung von Gesundheitssystemen. Wenn wir die Gesundheit von Menschen mit der Gesundheit von Tieren und Pflanzen gleichzeitig betrachten wollen, das heisst Menschen, Tiere und Pflanzen gleichzeitig auf Ihre Gesundheit untersuchen, soll daraus ein Mehrwert entstehen um den daraus entstehenden Aufwand zu rechtfertigen. Ein One Health Ansatz soll einen messbaren Mehrwert ausweisen, den wir nicht erzielen können ohne die Zusammenarbeit von Ärztinnen, Tierärzten, Phytopathologinnen und anderen beteiligten Wissenschaften. Wenn wir keinen solchen Mehrwert nachweisen können ist eine Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen auch nicht nötig. Beispiele des Mehrwerts von «One Health» können für die Bekämpfung von Zoonosen, Krankheiten die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden, für gemeinsame Gesundheitsdienste und weitere Bereiche aufgezeigt werden. Für die Schweiz wäre insbesondere eine gemeinsame Laborinfrastruktur, wie das Canadian Science Centre in Winnipeg, eine integrierte Überwachung von Infektionskrankheiten und Antibiotikaresistenzen von Interesse.

  • Prof. Dr. Rouven Porz
    Medizinethik, Direktion Medizin, Insel Gruppe
    4. Oktober 2023

Die Ethik als Disziplin hat während der Corona-Pandemie viel an Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit gewonnen. Es gibt jedoch ganz verschiedene Erwartungen und vorgefasste Meinungen, die mit dem Bereich der Ethik verbunden sind - manche Gesundheitsfachpersonen hoffen sogar, dass die neue Medizinethik sie ganz von der Pflicht entbindet, selbständig denken zu müssen.

Im Vortrag wird zunächst erklärt, wie sich die Disziplin der Ethik im Spital überhaupt versteht, und welche Aufgaben sie übernimmt. Dazu werden Beispiele genannt. Es folgt die Frage, wie man diese ethische Unterstützung im Spital überhaupt «gut» machen kann, welche Methoden man anwenden sollte, über welches Wissen man verfügen muss, und mit welcher Haltung man an diese Arbeit geht.
Leitmotiv ist die illustrative Frage, inwiefern uns diese neue Spitaldisziplin der Ethik jetzt tatsächlich helfen kann, «gesund» zu bleiben.
Der Videopodcast der Vorlesung wird auf Wunsch des Referenten nur den Studierenden zur Verfügung gestellt.

  • Prof. Dr. Adrian Steiner
    Wiederkäuerklinik, Universität Bern
    11. Oktober 2023

Der Begriff «Vieh» fasst definitionsgemäss die landwirtschaftlich genutzten Tiere in einem Betrieb zusammen. In der Schweiz als «Gras-Land» wird der Begriff meist enger gefasst, und unter Vieh werden traditionellerweise die Rinder aller Alters- und Nutzungskategorien verstanden. Die Bedeutung des Begriffs «Gesundheit beim Rindvieh» war in den letzten Jahrzehnten massiven Veränderungen unterworfen. War «frei von meldepflichtigen Seuchen und Abwesenheit von Krankheit» vor einem halben Jahrhundert noch eine adäquate Definition, kommen heute Begriffe wie beispielsweise «Tierwohl und Langlebigkeit» dazu. Die Präsentation zeigt einerseits die Entwicklung des Begriffs «Gesundheit beim Rindvieh» über die letzten sechs Jahrzehnte auf. Andererseits werden (i) die gleichzeitig auftretenden Veränderungen in der Rindviehhaltung, (ii) die Zucht bedingten morphologischen Veränderungen und die Leistungsentwicklung der Rinder selbst und (iii) die Entwicklung des Berufs «Viehdoktor» und der zur Anwendung kommenden medizinischen Instrumente und Techniken bis hin zur digitalen Gesundheitsüberwachung vorgestellt. Für spezifische Zeitabschnitte repräsentative wissenschaftliche Fragestellungen zur Gesundheit von Rindern werden anhand von praxisbezogenen Forschungsarbeiten aus der Wiederkäuerklinik der Vetsuisse-Fakultät, Universität Bern erläutert.

  • Prof. Dr. Thomas Berger
    Psychologie, Universität Bern
    18. Oktober 2023, Ort: Ewald R. Weibel Auditorium (Anatomiehörsaal), Bühlstrasse 26

Psychische Probleme und Erkrankungen wie Depression und Angststörungen sind häufig, erzeugen bei den betroffenen Personen und im Umfeld meist grossen Leidensdruck, und sie sind auch mit grossen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Obwohl für die meisten psychischen Erkrankungen wirksame Behandlungsmethoden entwickelt wurden, sind Menschen mit psychischen Erkrankungen auch in der Schweiz nur unzureichend versorgt. Viele Menschen mit psychischen Erkrankungen suchen oder finden keine Therapeutin oder müssen lange auf einen Therapieplatz warten. Wissenschaftlich evaluierte internetbasierte Interventionen werden als eine Möglichkeit angesehen, diese Versorgungslücke zu verkleinern. Sie haben das Potenzial, viele und auch bislang unterversorgte Menschen zu erreichen und die psychotherapeutische Behandlung zu ergänzen und zu erweitern. In diesem Vortrag werden verschiedene Formen digitaler Interventionen, der aktuelle Forschungsstand, Chancen und Risiken, sowie Besonderheiten digitaler Interventionen bei psychischen Problemen und Erkrankungen diskutiert.

  • Prof. Dr. Claudine Burton-Jeangros
    Soziologie, Université de Genève
    25. Oktober 2023

Health matters for individuals since it reflects their capacity to fulfill their social roles, hence to be integrated in society. Health also matters for society since a population in good health is more productive and more cohesive. Efforts to maintain health and to prevent disease are thus important, at both the individual and collective levels. My talk will discuss the relations between society and health, bringing in the importance of the social conditions and the environment in which individuals live to support population health. After discussing different definitions of health, I will present various models developed to promote health in society and their policy implications. Finally, I will address issues related to sustainability through the current debates about environmental determinants of health and limitations that can be supportive for health.

  • Prof. Dr. Jennifer Inauen
    Psychologie, Universität Bern
    1. November 2023, Ort: Dampfzentrale, gemeinsam mit "Tanz in Bern", Marzilistrasse 47

Schätzungen zufolge sind 40% der frühzeitigen Todesfälle auf das menschliche Verhalten zurückzuführen, wie beispielsweise ungenügende körperliche Aktivität oder ungesunde Ernährung. Das Gesundheitsverhalten wird wiederum massgeblich durch unser Erleben gesteuert. Beispielsweise durch unsere Erwartungen an unsere eigene Fähigkeit, Herausforderungen bewältigen zu können (Selbstwirksamkeitserwartung), durch unsere Wahrnehmung positiver oder negativer Handlungskonsequenzen, oder durch unsere Einstellung zu gesundheitlichen Massnahmen. Gesundheitspsychologische Forschung hat zum Ziel, das menschliche Verhalten in Bezug auf Gesundheit und Krankheit zu erklären und nutzt diese Erkenntnisse zur Entwicklung von Interventionen zur Gesundheitsförderung und Prävention. In diesem Vortrag beleuchte ich psychologische Prozesse, die im Kontext von Gesundheit und Krankheit eine Rolle spielen, setze sie in Bezug zu biologischen und sozialen Faktoren, und leite Empfehlungen für die Gesundheitsförderung und Prävention ab.

  • Prof. Dr. Brigitte Tag
    Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht, Universität Zürich
    8. November 2023

Zusammenfassung des Referats

Die aktuelle Herausforderungen im Schweizer Gesundheitswesen sind vielfältig.
Die moderne Medizin hilft und heilt, öffnet neue Weg und Möglichkeiten. Die Fortpflanzungsmedizin befindet sich in einem Wandel, die Lebensformen verändern sich, die medizinischen Möglichkeiten nehmen zu. Immer mehr Kinder werden mit Hilfe der Fortpflanzungsmedizin gezeugt. Das durchschnittliche Lebensalter in der Schweiz nimmt ebenfalls zu, neue massgeschneiderte Behandlungen bei PatientInnen aller Altersgruppen zeigen insbesondere bei einigen chronischen Erkrankungen sehr gute Resultate. Das alles hat seinen Preis. Unter wirtschaftlichen Erwägungen zeigt sich dies an den immer höheren Krankenkassenprämien, aber auch dem Bedarf vieler Menschen, eine Prämienverbilligung in Anspruch zu nehmen. Wenn das nicht nützt und die Prämienzahlungen ausblieben, greifen einige Kantone  zu «schwarzen Listen». Das bedeutet, dass nur noch Notfallbehandlungen von der Krankenversicherung übernommen werden.
Zudem ist die Schweiz im Bereich der Gesundheit heterogen aufgestellt. Wenngleich die Bundesverfassung einen Handlungsrahmen bietet, werden etliche wichtige Fragen kantonal und damit oftmals heterogen gelöst. Ob das so bleiben soll oder ggf. ein nationales Gesundheitsgesetz eine valable Option wäre, wird immer wieder zur Sprache gebracht. Diese und weitere Themenkreise sollen im Vortrag zu den aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen thematisiert und diskutiert werden.

  • Prof. Dr. Susan Thieme und Luca Tschiderer
    Geographie, Universität Bern
    15. November 2023

Viel wird diskutiert über politischen, sozialen und ökonomischen Druck in der alltäglichen Arbeit im Gesundheitswesen.
Im Vortrag verbinden wir die Schweizer mit einer globalen Perspektive und fragen kritisch: Welche Sichtweise haben Fachkräfte auf ihre alltägliche Arbeit im Gesundheitswesen? Welche neuen Sichtweisen eröffnen sich bei der Verbindung der Themen Arbeit und Nachhaltigkeit? Welches emanzipatorische Potential bieten alternativen Arbeitsformen und wie trägt es zu einem nachhaltigeren Arbeiten bei?

  • Prof. Dr. Thomas Sauter
    Notfallzentrum, Inselspital
    22. November 2023

Zusammenfassung des Referats

Telenotfallmedizin und die Digitalisierung der Akutmedizin ist spätestens seit der Corona Pandemie in aller Munde: Aber was versteht man eigentlich unter Telenotfallmedizin? Werden wir in der Zukunft von Künstlicher Intelligenz im Notfall behandelt? Treffen wir unsere Aerztin im Metaverse? Die Erweiterung unserer Realität, Medical Extended Reality, wird bereits für die Ausbildung in der Humanmedizin aber auch im klinischen Alltag angewendet. Wir sammeln aktiv und passiv im Alltag Daten bei allem, was wir tun. Anwendungen, die mit künstlicher Intelligenz den Alltag einer Notfallmediziner:in unterstützen werden selbstverständlich. Neben den grossen Chancen gibt es natürlich auch Hindernisse und wichtige Dinge zu beachten.

  • Prof. Dr. Dr. h.c. Vera Regitz-Zagrosek  
    Charité, Berlin; Universität Zürich
    29. November 2023

Gendermedizin oder geschlechtersensiblen Medizin befasst sich mit dem Einfluss von Geschlecht auf Gesundheit und Krankheit. Sie berücksichtigt das biologische Geschlecht, den Einfluss der Gene und Hormone, und die soziokulturelle Dimension Gender. Die Ansätze sind ab 1990 aus der Frauengesundheitsbewegung in den USA entstanden. Ab 2000 wurde Gendermedizin parallel in Europa, USA und Kanada weiterentwickelt. Viele Erkrankungen unterscheiden sich aufgrund Sex- und Gender-bezogener Aspekte in der Manifestation, dem Verlauf und der Therapie bei Frauen und Männern. Daher müssen Krankheitskonzepte in Lehrbüchern, Leitlinien und Therapieansätze geschlechterspezifisch überdacht werden. Zur Zeit wirkt die mangelnde Verfügbarkeit geschlechterspezifischer Daten als Limitation.

  • Dr. Minou Afzali
    Swiss Center for Design and Health, Bern und
  • Dr. Tobias Meyer, Universitäre Altersmedizin Felix Platter, Basel
    6. Dezember 2023

Wenn Menschen altern, nehmen nicht nur ihre motorischen Fähigkeiten ab, sondern sensorische und kognitive Herausforderungen nehmen zu. Ältere Menschen können diese Herausforderungen besser bewerkstelligen, wenn die Gestaltung der Umgebung ihren eingeschränkten Fähigkeiten Rechnung trägt. Design und Architektur spielen eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, die Sicherheit alternder Menschen zu fördern und ihre Lebensqualität zu erhöhen. Anhand von Praxisbeispielen wird im Vortrag erläutert, wie beispielsweise Innenraumgestaltung die Orientierung demenzerkrankter Menschen unterstützen kann oder wie Alltagsdinge zur Autonomie älterer Personen beitragen. Angereichert werden die Beispiele mit theoretischen Grundlagen aus den Bereichen ökologische Gerontologie, Neurowissenschaften und Design.

 

  • Prof. Dr. Ana Maria Vicedo-Cabrera
    ISPM/Oeschger Center, Universität Bern
    13. Dezember 2023