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Was ist Bewusstsein? – HS 2022

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Ignorabimus - wir werden es niemals wissen. Das meinte der Physiologe Emil du Bois-Reymond vor genau 150 Jahren zur Frage, wie Bewusstsein und Materie zusammenhängen. Doch inzwischen ist das Bewusstsein intensiv erforscht worden—und zwar in geisteswissenschaftlichen wie auch in naturwissenschaftlichen Studien. Bewusstsein wird immer differenzierter erzeugt, verändert und vermessen: in Traum und Tanz, mithilfe des Films und der Sprache aber auch über den Körper. Doch wichtige Fragen sind offen: Können Pflanzen oder Maschinen Bewusstsein haben? Und lässt sich das subjektive Erleben erklären?

Die Collegium generale Ringvorlesung nimmt nun die Frage nach dem Bewusstsein auf. Was wissen wir, was wissen wir noch nicht, was können wir vielleicht niemals wissen?

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Podcasts der Reihe " Was ist Bewusstsein?"
 

Vorlesungen der Reihe "Was ist Bewusstsein?"

  • Prof. Dr. Thomas Metzinger
    Philosophie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
    21.September 2022

Es gibt in Wirklichkeit nicht das Problem des Bewusstseins, sondern viele – manche sind zum Beispiel eher begrifflicher, andere eher empirischer Natur. Der Eröffnungsvortrag wird aus philosophischer Perspektive eine Einführung in einige der wesentlichen Aspekte der Frage nach dem Wesen des subjektiven Erlebens geben, etwa in begriffsgeschichtlicher, erkenntnistheoretischer und phänomenologischer Hinsicht. Am Ende werde ich auch die Frage stellen, ob es so etwas wie „reines Bewusstsein“ gibt, ob wir also das Bewusstsein selbst noch einmal erleben können.

  • Prof. Dr. Lucia Melloni
    MPI für empirische Ästhetik, Frankfurt
    28. September 2022

 

  • Dr. Leila Tarokh
    Universitäre Psychiatrische Dienste (UPD), Universität Bern
    5. Oktober 2022

When we fall asleep we largely abandon consciousness and at times enter a rich internally generated world - the realm of dreams.  In this talk I will cover the current state of knowledge about whether and to what extent our daily lives leak into our dream lives, what happens in our brains when we dream and what the functions of dreaming may be. I will also cover how dreaming changes across the lifespan and our understanding of dreaming in animals. While much remains unknown about dreaming, this talk will cover what science has thus far uncovered about this important nocturnal activity.

  • Prof. Dr. Paco Calvo
    Minimal Intelligence Lab, Universidad de Murcia
    12. Oktober 2022

What is it like to be a plant? This is not a question we might think to contemplate, even though many of us live surrounded by plants. Science has long explored the wonderful ways in which plants communicate, behave and shape their environments: from chemical warfare to turning their predators to cannibalism. But they're usually just the backdrop to our frenetic animal lives.
While plants may not have brains or move around as we do, cutting-edge science is revealing that they have astonishing inner worlds of an alternate kind to ours. They can plan ahead, learn, recognise their relatives, assess risks and make decisions. They can even be put to sleep. Innovative new tools might allow us to actually see them do these things - from electrophysiological recordings to MRI and PET scans. If you can look in the right way, a world full of drama unfurls. In my talk, I shall make use of the latest scientific findings with an eye to making an imaginative leap into a world that is so close and yet so alien - one that will expand our understanding of our own minds.

  • Prof. Dr. Matthias Liechti
    Klinische Pharmakologie, Universitätsspital Basel
    19. Oktober 2022

Psychedelika wie LSD und Psilocybin verändern das Wachbewusstsein in eindrücklicher Weise. Verschiedene moderne wissenschaftliche klinische Studien untersuchen eine therapeutische Anwendung von Psychedelika in der Medizin. Der Vortrag gibt einen Einblick in die Erforschung von Psychedelika als Medikamente.

Die Vorlesung fand wegen Erkrankung der Referentin nicht statt.

  • Prof. Dr. Gian Ege
    Strafrecht und Strafprozessrecht, Universität Zürich
    2. November 2022

Das «Bewusstsein» ist kein strafrechtlicher Begriff, es gibt keine gesetzliche Definition und keine einheitliche Verwendung. Trotzdem ist das Bewusstsein des Täters (oder des Opfers) für den Ausgang eines Strafprozesses vielfach bedeutend. Dabei wird unter anderem auf bestimmte Zustände oder das Wissen um das Recht oder tatsächliche Begebenheiten Bezug genommen. Im Rahmen dieses Vortrags wird aufgezeigt, welche Bedeutungen das Bewusstsein im Strafrecht haben kann. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Schuld- und Unrechtsbewusstsein.

  • Prof. Dr. Erez Levon
    Center for the Study of Language and Society, Universität Bern
    9. November 2022

Language does much more than simply reflect reality. In this lecture, I describe the ways that language influences our social consciousness, acting as a prism through which we view and interpret the world. I begin by summarizing research on the relationship between language and thought, demonstrating how language predisposes us categorize the social world in culturally specific ways. I go on to describe the mechanisms through which such interpretations can change and the potentially negative social ramifications that a resistance to change can have. My examples focus primarily on the relationship between language and gender, and the way aspects of language instil a particular interpretation of gendered social divisions. Ultimately, my goal is to demonstrate that language is not incidental to social reality and social consciousness. It is instead one of the crucial ways in which our awareness and understanding of the social world is built.

  • Prof. Dr. Michael Tomasello
    Psychology and Neuroscience, Duke Universit
    16. November 2022

Humans are biologically adapted for cooperation and cultural life in ways that other primates are not. Humans have unique motivations and cognitive skills for sharing emotions, experience, and collaborative actions (shared intentionality) that emerge in human ontogeny at around one year of age. Our nearest primate relatives do not seem to have the motivations and cognitive skills necessary to engage in activities involving collaboration, shared intentionality, and, in general, things cultural.

  • Prof. Dr. Ralf Otte
    Automatisierungssysteme, Technische Hochschule Ulm
    23. November 2022

Der Vortrag beschäftigt sich mit Grundfragen der KI: Was ist Künstliche Intelligenz (KI), was kann sie und welche prinzipiellen Grenzen gibt es mit algorithmischer KI auf heutigen Computern. Des Weiteren wird im Vortrag die Frage erörtert, was Bewusstsein (aus Sicht eines Ingenieurs) ist - und welche Eigenschaften von Bewusstsein sich auf technischen Systemen überhaupt implementieren lassen, und welche (zum Glück) niemals.

  • Prof. Dr. Stefan Schmidt
    Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg i. Br.
    30.11.2022

Der Vortrag gibt einen Einblick in die Meditationsforschung und zeigt auf, inwieweit Forschungsarbeiten zu diesem Thema auch einen Beitrag zur Frage nach dem Bewusstsein leisten können. Bei der Beschäftigung mit dem Thema Meditation zeigt sich, dass dies kein Forschungsgegenstand wie jeder andere ist und unser gängiges Wissenschaftsverständnis in mehreren Aspekten in Frage gestellt wird. Es geht hier unter anderem, um das Problem der Integration der sogenannten Ersten-Person-Perspektive, also den Erfahrungen der Meditierenden, die keiner direkten Beobachtung zugänglich sind.

Im Vortrag wird zunächst versucht ‚Meditation‘ in wissenschaftlich zugängigen Kategorien zu erfassen. In einem nächsten Schritt werden einige neurowissenschaftliche Befunde der Meditationsforschung vorgestellt und diese in einem kritischen Kontext diskutiert, der auch die sozialen Funktionen von Wissenschaft aufgreift. Anschließend wird an einem empirischen Beispiel gezeigt, wie sich unter dem Begriff der ‚Neurophänomenologie‘ die Berichte erfahrener Meditierender mit neurowissenschaftlichen Zugängen gewinnbringend kombinieren lassen. Das Libet-Experiment, das oft mit der Problematik des freien Willens assoziiert wird, wurde mit Meditierenden durchgeführt. Insbesondere ein sehr erfahrener Meditierender konnte dabei mit seinen Berichten das Verständnis für das Zustandekommen von Entscheidungsprozessen verbessern. Im vierten und letzten Teil wird das Thema eines nichtdualen Bewusstseins aufgegriffen.

  • Prof. Dr. Stefanie Kreuzer
    Neuere Deutsche Literaturwissenschaft/Medienwissenschaft, Universität Kassel
    7.12.2022

Film ist wie kaum ein anderes narratives Medium prädestiniert, fiktionale Welten zu entwerfen, und zwar sowohl alltägliche als auch vergangene, zukünftig mögliche wie unmögliche, tatsächliche oder erfundene Welten. Die Filmindustrie hat – als sogenannte ›dream factory‹ – Wachwelten ebenso wie Vorstellungs-, Fantasie- und Traumwelten, Fantasy- oder Science-Fiction-Welten produziert, die dem Publikum ganz unterschiedliche Immersionsangebote zum imaginären ›Eintauchen‹ oder auch verschiedene ›Simulationsräume‹ im Sinne Dieter Wellershoffs eröffnen. Wenn in Science-Fiction-Filmen der (extrafiktional) aktuelle Stand etwa der technischen Entwicklung oder auch der naturwissenschaftlichen Forschung ›extrapoliert‹ und kreativ weitergedacht wird, so geht es zudem oftmals um (philosophische) Fragen des Bewusstseins, um Simulation, Manipulation oder Kontrolle von Gedanken, Gefühlen und Identität – beispielhaft verwiesen sei auf BRAZIL (GB 1985), EXISTENZ (CDN/GB 1999), THE CELL (USA/D 2000) oder den MATRIX-FILMEN (USA/AUS 1999/2003/2021). – Im Vortrag werden Bewusstsein(szuständ)e in SF-Filmen sowohl narrations-/themenbezogen als auch rezeptionsseitig fokussiert.

  • Prof. Dr. Michaela Schäuble
    Sozialanthropologie, Universität Bern
    14.12.2022

Zustände, in denen sich das Bewusstsein verändert, gehen oft mit körperlichen Symptomen einher oder können, im Umkehrschluss, (bewusst oder unbewusst) durch bestimmte Körperpraktiken beeinflusst werden. Das ist beispielsweise in religiösen Trancekulten aber auch bei säkularen ekstatischen Empfindungen der Fall.
In meinem Vortrag beschäftige ich mich exemplarisch mit dem apulischen Tarantismus,einem kulturellen Phänomen, das von Medizinern im Mittelalter auch als ›Tanzwut‹ oder ›Choreomanie‹ bezeichnet wurde. Betroffen waren zumeist Frauen, deren Anfälle und Ekstasen auf den Biss einer Giftspinne zurückgeführt wurden. Heilung versprach ein ursprünglich therapeutischer Tarantella-Tanz, bei dem die Betroffenen auf bestimmte Melodien, Rhythmen, aber auch auf Farben reagierten und oft tagelang bis zur kompletten Erschöpfung tanzen mussten. Ausgehend von Filmen, Fotografien und Tondokumenten zum Tarantismus aus dem Nachkriegsitalien interessiere ich mich als Medienanthropologin v.a. für die vielfältigen Remedialisierungen des Phänomens in der Gegenwart und nehme auch die besondere Faszination in den Blick, die dieser Kult in seinen unterschiedlichen Ausformungen bis heute auf Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und Tourist:innen ausübt.