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Plastik – Magische Materie und globale Last HS 2021

Bild von Panton Stuhl
©Holger Ellgaard/Design Verner Panton

Plastik hat in den letzten Jahrzehnten die Welt erobert: hat sie erleichtert, beschleunigt und verschönert. Und verschmutzt: Plastik verseucht Meere und Böden. Es verblasst, aber verschwindet nicht, ist eben nicht nur Kunst-Stoff, sondern auch Kunststoff. Mit Plastik gehen Gegensätzlichkeiten einher und eine Vielzahl von Herausforderungen, denen sich die Menschheit und Staatengemein-schaft stellen müssen. Die Ringvorlesung des Collegium generale will den mannigfaltigen Facetten von Plastik interdisziplinär nachgehen und diesen schillernden Werkstoff u.a. aus dem Blickwinkel der Archäologie, der Geschichte, der Kunst, der Medizin, der Naturwissenschaften, der Ökonomie, des Rechts und der Technik betrachten.

Vorlesungen der Reihe "Plastik – Magische Materie und globale Last"

  • Dr. Wolfgang Schepers
    Direktor, Deutsches Kunststoffmuseum
    22. September 2021

Nach Hinweisen auf die Ubiquität des synthetischen Materials, kurzen Erläuterungen zum Deutschen Kunststoff-Museum sowie zur Begrifflichkeit von Plastik und Kunststoff werden die wichtigsten Erfindungen des Kunststoff-Materials und der Verarbeitung vorgestellt.
Der zweite Teil des Vortrags widmet sich dem Werkstoff als Material für Designer unter dem Aspekt der Designgeschichte als Werkstoffgeschichte.

  • Prof. Dr. Rolf Müllhaupt
    Institut für Makromolekulare Chemie, Universität Freiburg
    29.9.2021

Können wir die Plastikflut stoppen? Sind Bio‐Kunststoffe, Bio‐Abbau und die aufstrebende BioÖkonomie der heilige Gral? Müssen Kunststoffe neu erfunden werden? Im 21. Jahrhundert leben wir im Plastik‐Zeitalter. Kleine Moleküle der Chemie als Arzneistoffe und Lebensmittelstabilisatoren haben unser Leben verlängert. Riesenmoleküle als Kunststoffe sorgen dafür, dass wir unser langes Leben genießen können und sind im täglichen Leben unverzichtbar. Der Nobelpreisträger Hermann Staudinger erkannte 1920 an der ETH‐Zürich, dass Riesenmoleküle, von ihm Makromoleküle und auch Polymere genannt, in der Natur und in der Technik nach dem gleichen Bauprinzip aufgebaut werden. Tausende kleiner Molekülbausteine werden wie Perlen in einer Perlenkette miteinander verknüpft um Materialeigenschaften gezielt einzustellen. Die Vielseitigkeit von Kunststoffen bei Eigenschaften, Anwendungen, sowie Formgebung wird von keiner anderen Materialklasse erreicht. Alle Menschen, nicht nur in den Industriestaaten, wollen hohe Lebensqualität und brauchen Kunststoff. Parallel zum Wachstum der Weltbevölkerung steigt die weltweite Kunststoffproduktion rasant an, von rund 15 Millionen Tonnen im Jahr 1965 auf heute fast 400 Millionen Tonnen und wird in fünfzig Jahren 1 Milliarde Tonnen pro Jahr weit übersteigen. Weder das Bevölkerungswachstum noch die damit verbundene Plastikproduktion lassen sich stoppen. Gegenwärtig steigt die Plastikmüllflut bedrohlich an! Laut der Ellen MacArthur Foundation machen Kunststoffverpackungen mehr als 26 % des Gesamtvolumens der verwendeten Kunststoffe aus, jedoch weniger als 14 % dieser Verpackungsabfälle werden weltweit wiederverwertet. Dies steht im krassen Gegensatz zu Papier (58 %) sowie Eisen und Stahl (70‐90%). Heute werden jährlich rund 8 Millionen Tonnen Kunststoffabfall und Mikroplastik in die Ozeane geschwemmt. Deshalb muss der Wandel von der linearen zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft vollzogen werden. Auch im Hinblick auf den Klimaschutz müssen die begrenzten fossilen Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle durch erneuerbare Kohlenstoffquellen wie Biomasse, aber auch Kohlendioxid und Plastikabfall ersetzt werden. Bei der Bio‐Kreislaufwirtschaft mit der verstärkten Nutzung von Biomasse in den Bio‐Raffinerien muss sichergestellt werden, dass keine Konkurrenz mit der Lebensmittelproduktion besteht und die Umwelt nicht belastet werden. Führend bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe sind Naturkautschuk mit ca. 40% der weltweiten Gummiproduktion und Cellulose in der Papierindustrie. In der weltweiten Kunststoffproduktion sind Biopolymere bisher mit geringen Prozentanteilen ohne Bedeutung. Den Anwendungen von Biopolymeren sind vor allem bei der Verarbeitung von Schmelzen deutliche Grenzen gesetzt. Dieses Problem löst man, indem man heute in der Bio‐Raffinerie aus Biomasse Rohstoffe gewinnt und daraus sowohl Biopolymere als auch die sogenannten bio‐basierten Kunststoffe, d.h. synthetische Kunststoffe aus Bio‐Rohstoffen erzeugt. Das weite Spektrum reicht von Polymilchsäure bis hin zu Polyestern wie bio‐PET und PEF sowie grünem Polyethylen und biobasierten Gießharzen. Die Vorteile von Bio‐Rohstoffen und synthetischen Polymeren werden miteinander vereint. Durch die steigende Nachfrage nach Bio‐Produkten wächst heute die Produktion von bio‐basierten Kunststoffen. Biopolymer und bio‐basiert bedeuten jedoch nicht automatisch umweltfreundlich, nachhaltig und bioabbaubar. Auch die Bio‐Plastik‐Produktion im Millionen‐Tonnen‐Maßstab kann das Ökosystem belasten und zu unerwünschten Emissionen sowie erhöhtem Wasserbedarf führen. Der Bioabbau ist attraktiv für spezifische Anwendungen wie z.B. kompostierbare Beutel und Tablettenumhüllungen, bietet aber nicht die globale Lösung des Verpackungsmüllproblems. Er kann stark klima‐, temperatur‐ und auch feuchtigkeitsabhängig sein. Viele Bio‐Kunststoffe taugen zwar für die industrielle Kompostierung und Fermentation, sind jedoch in der Umwelt längere Zeit stabil und können Giftstoffe anreichern. Zudem führt der Bioabbau nicht immer zu Bildung von Kohlendioxid und Wasser, sondern kann wasserlösliche Abbauprodukte und durch Erosionsprozesse auch Mikroplastik bilden, die Luft und Wasser belasten. In der Abwesenheit von Luft kann Methangas entstehen, das klimaschädlicher als Kohlendioxid ist. Wer sich auf den Bioabbau verlässt, neigt in der Regel zum rücksichtslosen Wegwerfen, das nicht allein auf Bio‐Plastik beschränkt ist. Chemcycling ist ein wesentliches Element der Kreislaufwirtschaft in der Technosphäre. Biopolymere können durch Fermentation in die Bausteine aufgespalten werden, während man heute mit neuen Chemcycling‐Verfahren aus sowohl aus den synthetischen als auch den bio‐basierten Kunststoffen, aber auch aus Biomasse und sogar aus Kohlendioxid Rohstoffe gewinnt. Für die Nutzung des Treibhausgases Kohlendioxid als Rohstoff sind erheblich Mengen an erneuerbarer Energie und grüner Wasserstoff erforderlich. Muss man Kunststoff neu erfinden? Wie wäre ein Kunststoff, den man aus Erdöl, Gas, Abfallstoffen der Land‐ und Forstwirtschaft, Algen oder sogar aus Kohlendioxid erzeugen kann, der sich zu 100 % werkstofflich, rohstofflich und sich bei starker Verschmutzung auch energetisch verwerten lässt? Ein Kunststoffabfall, der nicht schimmelt und erdölähnlichen Energieinhalt aufweist und so als chemischer Energiespeicher für zukünftige Generationen dienen kann? Diese Superkunststoffe gibt es. Es sind Kohlenwasserstoffmaterialien wie Polyethylen und Polypropylen, die heute mehr als die Hälfte der weltweit erzeugten Kunststoffe ausmachen. Produziert in hoch effizienten und lösemittelfreien katalytischen Verfahren können vielseitige Kohlenwasserstoffmaterialien aus Erdöl, Gas, aber auch aus Biomasse sowie Kohlendioxid erzeugt werden. Als „schnittfestes Erdöl“ bewahren sie erdölähnlichen Energieinhalt und können weitgehend rückstandsfrei in flüssige und gasförmige Kohlenwasserstoff‐Rohstoffe zurückgespalten werden. Hier dient Plastikabfall sehr wirkungsvoll als Quelle für erneuerbaren Kohlenstoff! Voraussetzung ist jedoch konsequentes Sammeln und Recyclen von Abfällen. Plastik muss nicht neu erfunden werden, aber wir brauchen Werkstoffinnovation und nachhaltige Kunststoffe für die Kreislaufwirtschaft und die effizientere Nutzung erneuerbaren Kohlenstoffquellen wie Biomasse, Kohlendioxid und Abfallkunststoff, um Ressourcen zu schonen und die Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung sicherzustellen. Der Vortrag gibt einen Überblick über Trends bei der Entwicklung von nachhaltigen Kunststoffen für die Kreislaufwirtschaft.

  • Prof. Dr. Julien Bras
    Laboratoire Génie des Procédeés Papetiers, Grenoble INP
    6. Oktober 2021

Most of our packaging are plastic based mainly due to (i) their great barrier properties, (ii) the numerous possibilities in processing or shape and (iii) their associated costs. This situation is a clear issue for the futur generation with the announcement of petrol shortage but also due to the strong increase of plastic pollutions. Scientists but also NGOs or companies focus their efforts to find  more sustainable solutions in packaging. Strong commitments or legislations are pushing also in the right direction. Several strategies can be proposed to develop more sustainable solutions. Biobased materials  or  more circular systems have been developed during the last years and will be described during this talk. The use of cellulosic solutions will also be highlighted with recent scientific work on this topic. Finally the main future challenges will summarize the perspectives in the field.

  • Dr. Andrea Westermann
    Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin
    13. Oktober 2021

Ob als größere Verpackungsreste, Mikroplastik oder toxische Emissionen durch offene Müllverbrennung: Langlebiger Kunststoffmüll häuft sich in vielerlei Form zu einem Umwelt-, Arbeitsschutz- und Gesundheitsproblem an. Alle drei Komponenten haben eine längere Geschichte. Sie wird in diesem Vortrag skizziert. Es wird deutlich, dass Plastik und seine komplexe Stofflichkeit damals wie heute politische Haltungen und Gebote auf beispielhafte Weise verkörpert. Gegenwärtig lädt es uns und andere Verbraucherbürger*innen dazu ein, die Diskussion um regionale und weltumspannende Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen zu führen. 

  • Prof. Dr. Jürgen Burger
    sitem Zentrum für Translationale Medizin und Biomedizinisches Unternehmertum, Universität Bern
    20. Oktober 2021

Aufgrund ihrer hohen Zuverlässigkeit und Sicherheit haben Kunststoffe die moderne Medizin erst möglich gemacht: Frühere Nahtmaterialien wie z.B. Naturseide oder Schafdarm (Catgut), welche oftmals das Risiko von Infektionen erhöhten, wurden durch moderne und stabile Kunststoffe wie Nylon, Polyester oderresorbierbare Polymere auf der Basis von Polyglykolsäuren ersetzt.
Bei der Behandlung von drohenden Herzinfarkten in der interventionellen Kardiologie ermöglichen flexible und genügend weiche Polyamide an der Spitze von Ballonkathetern das Vordringen in feinste Koronararterien, ohne die empfindlichen Gefässe zu verletzen.
In der Neurochirurgie erlauben kleinste Komponenten aus Polyethersulfon (PES) in Shunt-Ventilen für die Behandlung von Hydrocephalus die zuverlässige Einstellung des Hirndrucks in den Ventrikeln selbst bei Kleinkindern und ermöglichen ihnen ein weitgehend beschwerdefreies und normales Leben.
Allerdings hat die «Plastics Revolution» z.B. in Operationsinstrumenten für die Laparoskopie den Trend zu Einweginstrumenten in der Medizin verstärkt. Die dadurch bedingte ökonomische Innovation ist allerdings aus ökologischer Sicht sehr fragwürdig.
Zu beachten ist weiterhin, dass Kunststoffe im Laufe der Zeit u.U. kleinere Moleküle freisetzen können, welche in den Körper gelangen können. Diese «Leachables», welche während des Produktionsprozesses dem Kunststoff z.B. als Zusätze zur leichteren Abformung zugesetzt werden, müssen genau kontrolliert werden.  

  • Silvio Ponti
    Präsident, KUNSTSTOFF.swiss
    27. Oktober 2021

Kunststoffe sind in vielen Bereichen unverzichtbar geworden, dürfen aber nicht in die Umwelt gelangen.
In der Medizin stehen sie für Hygiene und kostengünstige Versorgung, als Verpackungsmaterial schützen sie Produkte und vermeiden somit klimaschädlichen Abfall. Sie machen Flug- und Fahrzeuge leichter und isolieren Gebäude, was den CO2-Ausstoss reduziert und am Ende ihrer Gebrauchsphase können Kunststoffprodukte auf verschiedenste Arten wiederverwertet werden.
Silvio Ponti, Präsident des Verbands der Schweizer Kunststoffindustrie stellt die Branche vor, die alleine in der Schweiz rund 800 Firmen mit 33’000 Mitarbeitenden umfasst und jedes Jahr Nachwuchs ausbildet, und zeigt auf, wie Kunststoffe zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen – ökonomisch und ökologisch.

  • Dr. Charlotte Laufkötter
    Oeschger Centre for Climate Change Research, Universität Bern
    3. November 2021

Dieser Vortrag fand wegen Erkrankung der Referentin nicht statt.

  • Prof. Dr. Dietmar Rübel
    Lehrstuhl für Kunstgeschichte, Akademie der Bildenden Künste München
    10. November 2021

Der Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Plastik: Magische Materie und globale Last“ widmet sich dem Verhältnis der bildenden Künste zu den Materialitäten von Plastik. Aus historischer und systematischer Perspektive skizziert der Beitrag den langen Weg zu einer Kunst-Stoff-Kunst: vom Aufkommen vulkanisierten Kautschuks auf der Weltausstellung in London 1851 über frühe Experimente im Kontext des Dadaismus um 1920 und den synthetischen Oberflächen der Pop Art sowie den raumgreifenden Installationen der Anti-Form-Bewegung in den 1960er Jahren bis zu gegenwärtigen Erscheinungen wie Blobjects und Biokunststoffen.

Dabei rekonstruiert der Vortrag die unterschiedlichen Reaktionen von Architekt*innen und Gestalter*innen auf der einen und bildenden Künstler*innen auf der anderen Seite. Im Zentrum stehen dabei die Möglichkeiten und daraus resultierenden Probleme einer grenzenlosen Formbarkeit von Kunststoffen. Denn die im Laufe der industriellen Revolution entwickelten (neuen) Kunststoffe stellen die wichtigsten Substanzen bei der Neubestimmung des Verhältnisses von Form und Material dar; sowohl hinsichtlich einer ästhetischen Theorie als auch der künstlerischen Praxis.

Die Begeisterung von Künstler*innen und Theoretiker*innen in den 1950er und 1960er Jahren für Gegenstände des Alltags, insbesondere in Küchen und Badezimmern, bildet einen Schwerpunkt der Kunst-Stoff-Kunst des 20. Jahrhunderts. Die Plastikdinge markieren einen radikalen Wechsel der Künste – weg von den tradierten Materialien der Hochkunst hin zu den neuen Kunststoffen des Alltags. Im Mittelpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung standen dabei die polymorphen Eigenschaften der synthetischen Substanzen. Unter dem Schlagwort „Soft Art“ wurden verschiedene Strategien subsumiert, die ein Ziel gemeinsam hatten: mit weichen, flexiblen Materialien die formalen Kategorien von Kunst und Gesellschaft zu unterlaufen. Vor allem feministisch motivierte Künstlerinnen lieferten mit ihren Arbeiten einen kritischen Kommentar zu Form und Ordnung der Gesellschaft. In diesem Sinn versucht der Vortrag, die synthetischen Schöpfungen aus modernsten Kunststoffen als Reaktionen auf und als Spiel mit den Hoffnungen und Ängsten des Plastikzeitalters zu lesen.
Aus Rücksicht von Copyright gibt es keinen Podcast.

  • Dr. Eva Becker
    Archäologin, Berlin
    17. November 2021

Archäologie ist die Wissenschaft, die sich mit den Kulturen und Hinterlassenschaften der Vergangenheit beschäftigt. Noch heute orientiert sich die Archäologie vielfach an dem in den frühen Jahren des 19. Jahrhunderts von dem dänischen Archäologen Christian Jürgensen Thomsen eingeführten Dreiperiodensystem. Thomsen erkannte, dass sich die archäologischen Artefakte aufgrund ihres Materials zeitlich einordnen lassen. Es war die Geburtsstunde der Stein-, Bronze- und Eisenzeit.

Nach der Einführung des Eisens im 8. Jahrhundert vor Christus in Mitteleuropa, war dies das vorherrschende Material für die nächsten 2700 Jahre und mit Erfindung der Dampfmaschine ein wesentlicher Faktor der Industrialisierung. Am Beginn des 20. Jahrhunderts betritt ein neues Material die Werkstoffbühne: Bakelit. Sein rasanter Aufstieg, seine Modifikationen stellen alle anderen Werkstoffe in den Schatten, unser Alltag wird von Gegenständen aus Plastik bestimmt. Archäologen sind keine Magier, weshalb die Frage, „Was bleibt?“ nur schwer zu beantworten ist. Mit den Methoden der Archäologie ist es hingegen möglich, sich der zweiten Frage „Leben wir in einem Plastikzeitalter?“ zu nähern und Rückschlüsse auf unsere gegenwärtige Kultur zu schließen.

„Die ich rief, die Geister, Werd ich nun nicht mehr los“
Der Zauberlehrling von J.W. von Goethe

  • Dr. Claudia Menzel
    Psychologie, Universität Koblenz Landau
    24. November 2021

Die Verschmutzung durch Plastik ist ein menschengemachtes Umweltproblem. Deshalb ist ein sozialwissenschaftlicher Ansatz wichtig um den Konsum von und die Vermüllung mit Plastik zu reduzieren. Umweltpsychologische Forschung, die sich auf Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt fokussiert, untersucht in diesem Kontext sowohl die Wahrnehmung von Plastik und entsprechender Verschmutzung als auch entsprechendes Konsum- und Verzichtverhalten. Umfragen machen deutlich, dass das Problembewusstsein in Bezug auf Plastik und Verschmutzung hoch ist. Es wird ein hohes Risiko für die Umwelt und menschliche Gesundheit wahrgenommen. Gleichzeitig zeigen die hohen Nutzungsdaten von Plastik, sowie Befragungen von Konsument*innen, dass es als Material sehr geschätzt und häufig genutzt wird. Menschen scheinen also ein komplexes und teilweise ambivalentes Verhältnis zum Material Plastik zu haben. In umweltpsychologischer Forschung werden verschiedene Ansätze den Konsum von Plastik zu reduzieren untersucht. Die Lücke zwischen Problembewusstsein und Verhalten zu schließen ist eine der großen Herausforderungen im Umgang mit Plastik. Dafür braucht es neben individuellen Verhaltensänderungen auch Unterstützung durch Produzent*innen, Entscheidungsträger*innen und Forschenden aus anderen Disziplinen.

  • Dr. Moritz Bigalke
    Geographisches Institut, Universität Bern
    1. Dezember 2021

Mikroplastik (MP) in der Umwelt ist ein Grund zur Besorgnis und wurde vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen als ein aufkommendes Umweltproblem bezeichnet. Da sich Kunststoffe nur sehr langsam zersetzen und die weltweite Kunststoffproduktion ständig zunimmt, geht man davon aus, dass die Auswirkungen von Mikroplastik auf die Umwelt mit seiner Konzentration zunehmen. Die Informationen über die Konzentration, Größe und Zusammensetzung von Kunststoffen im Boden sind jedoch noch sehr begrenzt. Auch weiss man bisher nur sehr wenig über das Verhalten und die Auswirkungen von Mikroplastik im Boden.
Böden sind wahrscheinlich die wichtigsten Senken für Mikroplastik. Gleichzeitig sind sie aber ein wichtiger Teil des terrestrischen Ökosystems und die Grundlage für die menschliche Nahrungsmittelproduktion und Trinkwassergewinnung. Schätzungen zufolge könnte allein die Ausbringung von Klärschlamm auf Ackerland dem Boden jährlich eine größere Menge an Mikroplastik zuführen als die, die in die Weltmeere gelangt. Weitere wichtige Quellen für Mikroplastik in der Umwelt sind die Ausbringung von Kompost und die Verwendung von Plastikfolien in der Landwirtschaft, Industriekunststoffe, Abfall, Straßenstaub und diffuse atmosphärische Ablagerungen oder die Bewässerung mit mikroplastikverseuchtem Wasser. Die -noch sehr begrenzte- Informationen zu Mikroplastikkonzentrationen im Boden, deuten darauf hin, dass Mikroplastik nahezu überall auftritt und entlang von Strassen oder an Industriestandorten sehr hohe Konzentrationen (bis zu ca. 7%) erreichen kann. Das Mikroplastik scheint im Boden mobil zu sein und auch ins Grundwasser gelangen zu können. In Laborversuchen wurden histopathologische und molekulare Auswirkungen von Mikroplastik bereits bei Konzentrationen von 62,5 mg kg-1 festgestellt. Ausserdem kann Mikroplastik die bodenphysikalischen Parameter beeinflussen und schädliche Additive enthalten. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Mikroplastikkonzentrationen in der Umwelt die Bodenorganismen und Pflanzen beeinträchtigen und somit die Bodenfruchtbarkeit verringern und die ökologische Funktion des Bodens verändern können.

  • Prof. Dr. Hans-Georg Dederer
    Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht, Universität Passau
    8. Dezember 2021

Das durch die Weltmeere trudelnde Plastikentchen steht nur pars pro toto für den Plastikmüll in den Ozeanen. Die Verschmutzung der See mit Plastik aller Größenordnungen erfasst mittlerweile auch den entlegensten Winkel und die tiefsten Gräben der Meere. Der Vortrag wird nach einem Prolog zum „hässlichen Entlein“ zunächst recht knapp einige (wenige) Fakten präsentieren, um anschließend kurz in das (Umwelt-)Völkerrecht einzuführen. Danach werden fundamentale Prinzipien des Umweltvölkerrechts im Hinblick auf ihre Relevanz für das Problem der marinen Plastikverschmutzung vorgestellt. Im Anschluss wird etwas vertiefter dargelegt, dass das vorhandene völkervertragliche Regelwerk das Verschmutzungsproblem nur unzureichend zu erfassen vermag. Das wirft zum Schluss die Frage danach auf, ob und inwieweit ein neues internationales Abkommen Abhilfe schaffen könnte.

  • Prof. Dr. Michael Braungart
    Leuphana Universität Lüneburg; Zukunftsinstitut Frankfurt
    15. Dezember 2021

Energie sparen, enthaltsam sein, die Produktionsprozesse effizienter und weniger schädlich machen - alles schön und gut. Aber nur, wenn sich die Produkte und Produktionsprozesse so entwickeln, dass Verschwendung kein Problem mehr ist, und sie nicht nur weniger schädlich, sondern nützlich für Mensch und Natur sind. Durch die Digitalisierung ergeben sich völlig neue Herausforderungen für Unternehmen – bspw. in der Herstellung und im Vertrieb von technischen Gütern und Dienstleistungen. Daher sind neue Geschäftsmodelle notwendig.
Durch Cradle to Cradle können 40 Jahre währende Umweltdiskussionen als Innovationschance genutzt werden.