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Die Care-Seiten des Lebens. Pflege und Fürsorge in unserer Gesellschaft

In verschiedenen disziplinären Kontexten ist in den letzten Jahren über „Care“ diskutiert und geforscht worden. Der englische Begriff „Care“, der nur unzureichend ins Deutsche übersetzt werden kann, verweist auf den umfangreichen gesellschaftlichen und ökonomischen Bereich von Pflege, Betreuung und Sorge, der in den Siebzigerjahren noch oft als „Reproduktion“ bezeichnet worden ist. Während „Reproduktion“ allerdings die ökonomische Dimension der Wiederherstellung der menschlichen Arbeitskraft fokussiert und diese der „Produktion“ von Gütern gegenüber stellt, umfasst der Begriff „Care“ weitere Dimensionen. „Care“ verweist etwa in der Ethik auf die prinzipielle Bedürftigkeit und Hinfälligkeit des Menschen, der als Säugling, aber auch als kranker und alter Mensch auf die Betreuung durch andere angewiesen ist. Medizin und Pflegewissenschaft beschäftigen sich unter dem Stichwort „Care“ u.a. mit den optimalen Formen von Pflege und Betreuung von Kranken und mit dem Einfluss von Pflege auf deren Wohlbefinden und die Genesung. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und steigender Gesundheitskosten ist „Care“ im Sinne von bezahlten oder auch unbezahlten Pflegeleistungen auch ein drängendes ökonomisches und politisches Thema. Die Geschlechterforschung schliesslich hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der geschlechtsspezifischen Ungleichverteilung von Care-Arbeit sowohl als bezahlte wie auch vor allem als unbezahlte Arbeit befasst und nach den gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen dieser Asymmetrie gefragt. Dabei meint „Care“ hier nicht nur „Pflege“ in einem engen, medizinischen Sinn, sondern etwa auch die Betreuung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, oder Hausarbeit mit Kochen, Putzen, Waschen und Einkaufen. So geraten auch die – historisch und räumlich unterschiedlichen – sozialen Organisationsformen dieser Arbeiten in den Blick, die von den traditionellen Hausökonomien der europäischen Vormoderne bis zu den modernen Formen der „Commodification“ (z.B. vorfabrizierte Mahlzeiten im Supermarkt) oder zu den sogenannten „Care-Chains“ (der Migration von Frauen aus dem globalen Süden in den Norden, um dort als Dienstmädchen, Kindermädchen oder Krankenpflegerinnen zu arbeiten) reichen. Da „Care“ in diesem umfassenden Sinn auch ein kulturell gestaltetes menschliches Verhalten ist, kann auch im Kontext der Kulturwissenschaften danach gefragt werden, zum Beispiel als literarisch gestaltetes Thema.

Die Care-Seiten des Lebens (PDF, 107KB)