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Der Rechtsstaat. Herausforderungen im 21. Jahrhundert – HS 2020

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Der Rechtsstaat sieht sich heute vor zahlreiche neue Herausforderungen gestellt: Globalisierung, Digitalisierung, kulturelle Vielfalt, soziale Medien und nicht zuletzt der aufkeimende Populismus, der die Rechtsstaatsidee im Kern angreift. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Rolle des Staats bzw. seines Rechts:

Was kann und was darf von ihm erwartet werden und wo liegen die Grenzen seines Leistungsvermögens? Diese gewichtige Frage muss aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Dazu haben wir renommierte Referenten und Referentinnen unterschiedlicher Disziplinen wie Philosophie, Psychologie oder Religionswissenschaft eingeladen. Die Vorträge und Diskussionen finden wöchentlich statt - in der Universität und online.

Vorlesungen der Reihe "Der Rechtsstaat. Herausforderungen im 21. Jahrhundert"

Populism: Assassins or Protectors of Constitutional Rule

  • Prof. Dr. Cas Mudde
    Public and International Affairs, University of Georgia
    16. September 2020

Are populists the assassins or protectors of constitutional rule? In this lecture, Cas Mudde will provide a comparative and comprehensive analysis of the theoretical relationship between populism and one of the essential aspects of liberal democracy, constitutionalism. He'll discuss the different ways in which populist actors have dealt with constitutions in the real world and analyzes the new constitutions that were introduced by populist governments in Hungary and Venezuela. It shows that, in line with the idea that populism is an ideology, rather than merely a discourse or style, populists do not abolish their core tenets when they come to power and indeed (try to) transform the existing liberal democratic systems into populist, illiberal ones.

Es gibt keine Videoaufzeichnung.

 

Vergerichtlichung von Religionspolitik? Regulierung religiöser Diversität durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

  • Prof. Dr. Matthias Koenig
    Soziologie, Georg-August-Universität Göttingen
    23. September 2020

Religiöse Diversität ist zu einem zentralen Gegenstand politischer Konflikte in säkularen Rechtsstaaten geworden. Kontroversen um die Anerkennung religiöser Identitäten und die Reform historischer Staat-Kirche-Beziehungen werden dabei zunehmend vor nationalen und internationalen Gerichten ausgetragen. Der Vortrag diskutiert die Vergerichtlichung religionspolitischer Konflikte aus einer rechtssoziologischen Perspektive. Am Beispiel des europäischen Menschenrechtsregimes beleuchtet er Prozesse der rechtlichen Mobilisierung religiöser Minderheiten, Dynamiken der (Re-)Interpretation des Rechts auf Religionsfreiheit durch internationale Gerichte und die Grenzen der menschenrechtlichen Regulierung religiöser Diversität.

 

Es gibt keine Videoaufzeichnung.

Strafrechtliche Herausforderungen des Rechtsstaates

  • Prof. Dr. Felix Bommer
    Rechtswissenschaft, Universität Zürich
    30. September 2020

Der Rechtsstaat wird nicht nur durch Straftaten herausgefordert, sondern auch durch Strafnormen, die ihn beschädigen können, indem sie zu einer Überkriminalisierung führen. Um solche Strafnormen geht es an diesem Abend. Sie führen direkten Weges in die Diskussion um Repression und Prävention als Strafzwecke. Deren diffiziles Verhältnis wird in einem ersten Schritt dargestellt. Anschliessend kommt der Siegeszug der Prävention zur Sprache samt der Frage, ob sie im Strafrecht eigentlich am richtigen Platz sei.

Welche Rolle spielt Verfahrensgerechtigkeit vor Gericht? Eine psychologische Perspektive

  • Prof. Dr. Mario Gollwitzer
    Sozialpsychologie, LMU München
    7. Oktober 2020

Die sozialpsychologische Gerechtigkeitsforschung hat wiederholt gezeigt, dass Menschen nicht nur das Ergebnis eines Verfahrens (also beispielsweise eines Gerichtsprozesses, eines Verhandlungsprozesses, eines Bewertungsprozesses etc.) auf seine Gerechtigkeit hin bewerten, sondern auch das Verfahren selbst. Entscheidend dafür, dass ein Verfahren als gerecht erlebt wird, ist dabei das Ausmaß, in welchem den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eingeräumt wird, ihre Ansichten zu äußern und ihre Interessen zu vertreten. Das Einräumen dieser „voice“-Möglichkeit erhöht nicht nur die Akzeptanz des Verfahrensausgangs, sondern wirkt sich auch auf die Bereitschaft aus, Normen, Regeln und Gesetze zu respektieren. In diesem Vortrag wird die Psychologie der Verfahrensgerechtigkeitsforschung überblickshaft vorgestellt und auf den Kontext von Gerichtsverhandlungen angewendet. Dabei wird insbesondere das Spannungsfeld zwischen der Sicherstellung einheitlicher Prozessregeln vor Gericht einerseits und der Berücksichtigung individueller Bedürfnisse der Prozessbeteiligten andererseits diskutiert.

Dieser Vortrag fand im Berner Amthaus statt. Es gibt keine Videoaufzeichnung.

Säkularer Staat, quo vadis? Überlegungen zur Zukunft von Staat und Religion

  • Dr. Ulrike Spohn
    Politikwissenschaftlerin, Bielefeld
    14. Oktober 2020

Im Mittelpunkt der Vorlesung steht die Frage, wie ein zukunftsfähiger säkularer Staat aussehen könnte. Dafür werden zunächst die geistesgeschichtlichen, politiktheoretischen und normativen Grundlagen des säkularen Staates dargelegt, wobei auch unterschiedliche Spielarten des säkularen Staates aufgezeigt werden. Im Zentrum der Argumentation steht die These, dass ein zukunftsfähiger säkularer Staat liberaloffen und minimalistisch ist. Dies wird als die „LOM“-Variante des säkularen Staates bezeichnet. Das Konzept wird in der Vorlesung näher erläutert. Das Plädoyer für den „LOM“-Staat beruht auf politisch-normativen bzw. rechtlichen, politisch-pragmatischen und erkenntnistheoretischen Gründen. Konkret werden folgende drei Argumente angeführt und entfaltet: (1) die Verwirklichung der liberal-demokratischen Grundwerte, (2) religiöse Pluralität als gesellschaftliches Faktum sowie (3) religiöse Perspektiven als Bereicherung für den moralischen Diskurs in der Gesellschaft.

Solidarität und Recht: Darf gegenseitige Hilfe mittels Strafrecht erzwungen werden?

  • Prof. Dr. Martino Mona
    Strafrecht und Rechtsphilosophie, Universität Bern
    21. Oktober 2020

Sie spazieren elegant durch einen Park. Plötzlich sehen Sie ein kleines Baby in einer Pfütze. Das Baby liegt auf dem Bauch, das Köpfchen im Wasser – es ist klar, dass es dringend Hilfe braucht. Weit und breit ist sonst niemand zu sehen. Sie fragen sich: «Verdammt noch mal, wer hat denn das Baby da liegen lassen?» Es wäre für Sie einfach, mit Ihrem Fuss das Baby auf den Rücken zu drehen – wie man es bei einer Schildkröte machen würde, bloss in die andere Richtung. Sie müssten sich nicht einmal bücken. Umsichtig wie Sie sind, beginnen Sie Ihre Optionen abzuwägen. Dabei stellen Sie fest, dass sich bei einer Rettungsaktion mittels Fuss kaum verhindern lässt, dass Ihre neuen Lederschuhe nass und daher beschädigt werden. Sie beschliessen deshalb, dem Baby nicht zu helfen. Das Baby stirbt. Sind Sie nur eine amoralische und widerwärtige Person oder haben Sie auch eine Strafe – vielleicht sogar eine sehr harte Strafe – verdient?

Kriminalität und Kriminalitätsfurcht: Wie klassische und soziale Medien zur Kluft zwischen Faktischem und Erleben beitragen

  • Prof. Dr. Thomas Bliesener
    Direktor Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen;
    Soziologie, Georg-August-Universität Göttingen
    28. Oktober 2020

Obwohl die Kriminalitätsentwicklung in Deutschland in ihrer Gesamtheit sowie in den meisten Deliktfeldern einen günstigen Verlauf nimmt, herrscht in großen Teilen der Bevölkerung der Eindruck vor, die Kriminalität nehme ständig zu, insbesondere komme es zu einer stetigen Verrohung im sozialen miteinander. Der Beitrag informiert über die aktuelle Kriminalitätsentwicklung im Hellfeld sowie im Dunkelfeld. Insbesondere wird auf die Kriminalität durch Zuwanderer eingegangen. Vor diesem Hintergrund werden die subjektiven Sichtweisen und Annahmen in der Bevölkerung beleuchtet. Schließlich geht der Vortrag auf die Modelle eingegangen, die die erkennbar zunehmende Kluft zwischen objektivierbaren Zahlen und subjektiven Einschätzungen zu erklären versuchen.  Obwohl die Kriminalitätsentwicklung in Deutschland in ihrer Gesamtheit sowie in den meisten Deliktfeldern einen günstigen Verlauf nimmt, herrscht in großen Teilen der Bevölkerung der Eindruck vor, die Kriminalität nehme ständig zu, insbesondere komme es zu einer stetigen Verrohung im sozialen miteinander. Der Beitrag informiert über die aktuelle Kriminalitätsentwicklung im Hellfeld sowie im Dunkelfeld. Insbesondere wird auf die Kriminalität durch Zuwanderer eingegangen. Vor diesem Hintergrund werden die subjektiven Sichtweisen und Annahmen in der Bevölkerung beleuchtet. Schließlich geht der Vortrag auf die Modelle eingegangen, die die erkennbar zunehmende Kluft zwischen objektivierbaren Zahlen und subjektiven Einschätzungen zu erklären versuchen.  

Gerüchte vom gerechten Gericht (Die Vorlesung wurde leider abgesagt)

  • Prof. Dr. Julia Eckert
    Sozialanthropologie, Universität Bern
    4. November 2020

In den letzten Jahren beobachten wir eine zunehmende Juridifizierung von sozialem und politischem Protest weltweit. Der globale (Menschen-)Rechtsdiskurs hat Recht als international verständliche und legitime Sprache für die Darstellung partikularer Belange etabliert, Kategorien von globaler Dimension bereitgestellt und lokale Anliegen mit internationalen Foren verknüpft. Auch in Konflikten um globale Wertschöpfungsketten, um Ressourcenrechte und Menschenrechtsverletzungen, in Fällen also, die verschiedene Rechtssysteme umspannen, beobachten wir solche Hoffnungen auf Recht. Hier werden Normen aus dem internationalen und transnationalen Recht mit unterschiedlichen nationalen Regulierungen in Bezug gesetzt. Die Mobilisierung von Recht «von unten» verflicht Recht unterschiedlichster Provenienz und prägt so den gegenwärtigen globalen Rechtspluralismus.
Doch wir beobachten gleichzeitig eine andere Tendenz. Die Fälle, die wir im Projekt «Law in Protest» verfolgt haben, gelangten selten vor Gericht; wurden sie überhaupt zugelassen, so endeten sie meist in aussergerichtlichen Einigungen. Die Systematik des Rechts, die der Hoffnungen auf Recht zu Grunde liegt, machte der Aufmerksamkeit auf das Spezifische des einzelnen Falles Platz. Auch wenn solche aussergerichtlichen Einigungen Entschädigungen erzielten, enttäuschte das Ausbleiben eines richterlichen Urteils die Hoffnungen auf ein gerechtes Gericht.

Zerstört oder ermöglicht Recht Vertrauen? Über ein ungeklärtes Verhältnis

  • Prof. Dr. Martin Hartmann
    Philosophie, Universität Luzern
    11. November 2020

Mein Vortrag stellt folgende Frage: Ermöglicht Recht Vertrauen oder zerstört es Vertrauen? Im ersten Teil meines Vortrags möchte ich die Berechtigung der Frage plausibilisieren. Luhmann schreibt, Recht fundiere Vertrauen und drückt damit scheinbar eine Art common sense aus, so dass die Annahme, es gäbe überhaupt einen Konflikt zwischen Recht und Vertrauen vielleicht nicht allen einleuchtet. Ich werde zeigen, dass dieser Eindruck täuscht und dass man selbst im Modell Luhmanns indirekt die Möglichkeit eines solchen Konflikts zulassen kann. Anschliessend wende ich mich einer anderen Deutungslinie zu, die viel offener für die Konfliktthese ist, nämlich Habermas‘ Kritik an der Kolonisierung der Lebenswelt durch Recht und Honneths Diagnose einer Pathologie rechtlicher Freiheit. Da weder bei Habermas noch bei Honneth Vertrauen eine prominente Rolle spielt, möchte ich im dritten Teil meines Vortrags andeuten, welche Arten des Vertrauens durch Tendenzen der Verrechtlichung zerstört werden. Nur wenn das geleistet ist, kann die Frage sinnvoll gestellt werden, ob es gute Gründe gibt, diese Arten des Vertrauens zu schützen. Ich versuche zu zeigen, dass es Leistungen des Vertrauens gibt, die tatsächlich durch Recht nicht ersetzt werden können und durch Verrechtlichung gefährdet sind. Diese Leistungen des Vertrauens aber sind stets prekär und instabil und bedürfen eines lernenden Rechts, das sie gleichsam flankiert und immer dann auftritt, wenn aus Nähe und Verletzlichkeit Missbrauch wird.

Gleichheit und Freiheit auch in den Religionsgemeinschaften? Universalität der Menschenrechte und die Grenzen staatlicher Durchsetzbarkeit

  • Prof. Dr. Tine Stein
    Politische Theorie und Ideengeschichte, Georg-August-Universität Göttingen
    18. November 2020

Der Geltungsanspruch der Menschenrechte ist universell: Jedem Menschen kommen qua Mensch-sein in gleicher Weise Rechte zu. Es ist unstrittig, dass dieser universelle Geltungsanspruch der Menschenrechte vor territorial- staatlichen Grenzen nicht Halt macht, also auch in jenen Staaten als Anspruch erhoben werden kann, deren Regierungen den dort lebenden Menschen grundlegende Rechte vorenthalten, sei es indem diese Rechte nicht hinreichend positiviert sind, sei es, indem keine funktionstüchtigen Verfahren vorhanden sind, die die Realisierung der Rechte garantieren. Denn der Geltungsanspruch der Menschenrechte geht im staatlichen Recht nicht auf – er besteht unabhängig von der Positivierung als ein moralischer Anspruch. Muss nicht der Universalitätsanspruch, um widerspruchsfrei erhoben werden zu können, auch auf die Welt jenseits des Staats gerichtet sein: auch auf Religionsgemeinschaften – insbesondere wenn die Religionsgemeinschaften selbst ein Bild des Menschen vertreten, das in seinen Mittelpunkt Freiheit, Gleichheit und unverfügbare Würde stellt, welches theologisch begründet wird? Welche Gründe sprechen dafür, dass der Staat diesen Geltungsanspruch auch gegenüber und in den Religionsgemeinschaften durchsetzt, was würde dies für ihre Sozialgestalt bedeuten und wie sollte der Staat dafür verantwortlich sein, dies ggf. auch im Konflikt durchzusetzen und wie? Umgekehrt gilt es auch zu fragen, was aus normativer wie praktischer Sicht dagegen spräche, Menschenrechte für Religionsgemeinschaften zu fordern. Schließlich geht es Religionen wesentlich um das jenseitige Heil und nicht, jedenfalls nicht vornehmlich, um irdische Angelegenheiten, die aber der Zielbereich der Menschenrechte sind. Insofern Religionsgemeinschaften aber in ihrer Sozialgestalt als Organisationen rechtlich verfasst sind und eine Ämterordnung aufweisen, wird in ihnen auch Herrschaft ausgeübt. 

Diese Fragestellung soll in diesem Vortrag insbesondere mit Blick auf die römisch-katholische Kirche diskutiert werden, da hier die Spannungsverhältnisse besonders groß sind: die katholische Kirche fordert Menschenrechte und auch politische Selbstbestimmung in Form einer demokratischen Regierungsweise von weltlich-politischen Ordnungen ein, begründet dies auch theologisch, wendet aber Freiheit und Gleichheit nicht als Prämissen für die Gestaltung der eigenen institutionellen Ordnung an. 

Richterwahlen in der Schweiz: Zwischen Politik und Unabhängikeit

  • Prof. Dr. Adrian Vatter
    Politikwissenschaft, Universität Bern
    25. November 2020

Das Referat besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil geht der Referent der Frage nach, wie sich das genuin Politische bei der Selektion, den Wahlchancen, dem Wahlkörper sowie den Wiederwahlchancen des Justizpersonals in der Schweiz äussert. Im zweiten Teil wird die richterliche «(Un-)Abhängigkeit» konzeptionell erfasst und untersucht, wie sich deren unterschiedlichen Teilaspekte in der Schweizer Praxis äussern. Im dritten und letzten Teil geht der Referent aktuellen Reformvorschlägen nach, wie sich die Balance zwischen «Politik» und «Unabhängigkeit» in der Schweiz neu justieren liesse.

Digitale Öffentlichkeiten: Medien- und Kommunikationsfreiheit als politisch-gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe

  • Prof. em. Dr. Otfried Jarren
    Kommunikationswissenschaft, Universität Zürich
    2. Dezember 2020

Fokus Vortrag: 

  • Etablierung von Plattformen (so Social Media) als Neu-Institutionalisierungsprozess mit Folgen (De-Institutionalisierungsprozess) für die traditionellen publizistischen Medien, den Journalismus und die gesellschaftliche Vermittlung
  • Transformation der etablierten gesellschaftlichen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten in der Gesellschaft: Strukturen, Akteure, Prozesse, Inhalte 
  • Wie kann der demokratiepolitisch relevante Neu- und De-Institutionalisierungsprozess gestaltet werden?

Theoretischer Ansatz: 

  • Institutionentheorie, neoinstitutionalistische Perspektive
  • Plattformen, Social Media, Intermediäre:  Neuistitutionalisierungsprozess. Etablierung neuer Kommunikationsnormen und -regeln wie Veränderung von Öffentlichkeit und Öffentlicher Meinung
  • Deinstitutionalisierungsprozess bei den traditionellen Medien wie beim Journalismus: Folgen dieses Prozesses für die Konstitution von Öffentlichkeit und Demokratie 

Gestaltungsperspektive auf die Folgen des sozialen Wandels:

  • Medienpolitik als unzureichender Ansatz, Kommunikationspolitik ist notwendig, um den Wandel politisch wie rechtlich begleiten wie gestalten zu können
  • Rechtliche Lösungen allein auf nationalstaatlicher Ebene sind nicht mehr funktional zu Bewältigung der Veränderungen wie für die Gestaltung einer Kommunikations- und Medienordnung 

Aktueller Bezug: Diskussion in der Schweiz über eine Änderung der Bundesverfassung (Artikel 93), die Initiativen der EU-Kommission („Digital Service Act“, „Digital Markets Act“), die Diskussion bezüglich der Etablierung von Plattformen (Ratspräsidentschaft) 

Das variable Verhältnis von Rechten und Pflichten in Bürgerrepublik und heute

  • Prof. em. Dr. George Lohmann
    Praktische Philosophie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
    9. Dezember 2020

Die Schweizer Geschichte zeigt beeindruckend die Wandlungen von frühen Formen von Bürgerrepubliken zu einem, trotz allem, modernen republikanisch demokratischen Rechtsstaat, Confoederatio Helvetica (CH). In diesem Wandlungen verändern sich die Beziehungen zwischen Rechten und Pflichten und Tugenden der Bürger. Ich will idealtypisch diese Wandlungen von einer Bürgerrepublik zu einer modernen demokratischen Republik skizzieren (2), dann das Funktionieren eines guten republikanisch-demokratischen Rechtsstaats an den Verhältnissen von Rechten und Pflichten erläutern (3). In diesem Modell sind idealerweise Tugenden nicht notwendig; sie tauchen aber als zivilgesellschaftliche Voraussetzung und als Kompensation für funktionale Schwächen und zur Entschärfung von Ungleichheiten auf, werden aber im Sozialstaat oder in einer Wohlfahrtsdiktatur unterschiedlich geregelt (4). Im letzten Teil (5) behandle ich die gegenwärtige Lage: Die Coronapandemie belastet die benachteiligten und schwachen Bürger mehr als die „normal“ Abgesicherten und Bessergestellten, und setzt die rechtstaatlichen Mechanismen zwischen Rechten und Pflichten einem Stress-Test aus: Zur Bewältigung der Pandemie werden/müssen Grundrechte eingeschränkt werden, rechtlich erzwingbare Verhaltensänderungen reichen nicht aus und die Appelle an tugendhaftes Verhalten nehmen zu. Auch hier kann man sozial-liberale Reaktionen autoritären gegenüberstellen. 

China und der Streit um die Menschenrechte

  • Prof. em. Dr. Heiner Roetz
    Ostasienwissenschaften, Ruhr-Universität Bochum
    16. Dezember 2020