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Verschiedene Generationen - verschiedene Perspektiven

Am ersten Abend: Zwischen Gegenwart und Erinnerung (1. Nov.) möchten die junge Autorin Stefanie Sourlier (geb. 1979), die Literaturkritikerin Bettina Spörri und ich Ihnen die später lesenden Autorinnen und Autoren aus je verschiedener Sicht unserer verschiedenen Generationen und Berufe vorstellen und die Motive der Auswahl und der Wertung diskutieren. Literatur entsteht zwischen Gegenwart und Erinnerung, das Verhältnis beider aber verändert sich mit dem Alter der verschiedenen Generationen. Jedes Lebensalter hat seine je besondere Perspektive der Wahrnehmung seiner selbst und der Welt.

Christian Hallers Romane, Trilogie des Erinnerns, erinnern, was vergessen ist: die Geschichten der Mutter, des Großvaters und des Vaters und damit eindrückliche Kapitel der Geschichte der Schweiz und Europas.

Eine besonders sensible Weise der Wahrnehmung und Darstellung eignet der poetischen Prosa von Gertrud Leutenegger. Die Grenzen von Innen- und Außenwelt scheinen in ihren Texten zu fließen, der Wechsel ist ein Spiel, auch ein Spiel mit den Lesenden, ist aber auch ein Wechsel zwischen der Zuwendung zur Welt und dem Rückzug ins Innere, aus dem die Schreibende ihre Energie zur Verwandlung bezieht.

Als Motto ihrer frühen Romane hat Sabine Gruber seinerzeit Vom Ende des Selbstvergessens – Schreiben über den Tod und die Liebe genannt. Im eben erschienene Roman Stillbach oder die Sehnsucht erzählt sie, wie die nationalsozialistische Vergangenheit in Österreich und Italien nachwirkt, aber auch von der Sehnsucht nach Wahrheit und neuem Leben, zeigt Gegenwärtiges und Vergangenes in Stillbach, Wien und Rom.

Christoph Simon galt schon mit seinen ersten Romanen als  große Hoffnung. Mit dem Schelmenroman Planet Obrist gewann er seinen ersten Preis. Mit Spaziergänger Zbinden ist ihm ein Roman gelungen, der mit ungewöhnlicher Intensität und Tiefe die ihn bedrängende Frage Begegnung von Alt und Jung? stellt.

Laura de Weck (geb. 1981) ist die jüngste der für diesen Zyklus Lesenden. Dem häufig geäußerten Wunsch nach Definition der jungen Generation steht sie kritisch gegenüber. Ihre Kunst des dramatischen Dialogs und der Verdichtung aktueller Alltagsprache, z. B. in Lieblingsmenschen – ein Stück über fünf Studenten – oder Sum-Sum, der Reise eines jungen Schweizers, der in fremder Kultur nach einer Frau sucht – gelingt nicht nur der Ausdruck einer neuen Generation, sondern auch eine Sprech- und Schreibart, die Komik und Tragik, die Scherz und Ernst in seltener Prägnanz verbindet.

Mit Martin Walser, er ist 1927 geboren, hätte der Zyklus eigentlich beginnen sollen. Doch der Roman Ein liebender Mann – über die Liebe des 73jährigen Goethe zur 19jährigen Ulrike von Levetzow passt ebenso gut zum Anfang wie zum Abschluss des Zyklus. Als Titel seiner Lesung hat Martin Walser vorgeschlagen: Was Liebe vermag. Und was nicht. Darüber hat er in vielen anderen Büchern auch geschrieben, aber kaum je so intensiv und doch so zart und mit einer einzigartigen Kunst, Historisches lebendig werden zu lassen, wie in diesem Roman.

Verschiedene Generationen - Herbst 2011 (pdf, 90KB)