Prof. Dr. Peter Ballmer, Chefarzt Innere Medizin, Kantonsspital Winterthur

Mediterrane Ernährung - Mythen und Fakten

Mittwoch, 11.05.2016, 18:15 Uhr


Veranstaltende: Collegium generale
Redner, Rednerin: Prof. Dr. Peter Ballmer, Chefarzt Innere Medizin, Kantonsspital Winterthur
Datum: 11.05.2016
Uhrzeit: 18:15 - 19:45 Uhr
Ort: Auditorium maximum, Raum 110
Hauptgebäude
Hochschulstrasse 4
3012 Bern
Merkmale: Öffentlich
kostenlos

Zusammenfassung des Referats

In den Fünfzigerjahren wurde von Ancel Keys aufgrund unterschiedlicher Sterberaten an koronarer Herzkrankheit in verschiedenen europäischen Ländern und den USA die „mediterrane Diät“ als kardioprotektive Ernährungsform erkannt. „Diät“ ist in diesem Zusammenhang wohl nicht der richtige Ausdruck, denn es handelt sich um eine gesunde und lustvolle Ernährungsweise. Wichtige Merkmale der mediterranen Ernährung sind: viele Früchte und Gemüse, viele Getreideprodukte, qualitativ hochwertige pflanzliche Fette und Oele, speziell Olivenöl, wenig Fleisch (eher weisses Fleisch insbesondere auch Geflügel), moderater Fischkonsum und kleine Mengen Wein (für Frauen maximal einen und Männer maximal zwei Deziliter Wein täglich oder eine äquivalente Menge Bier). Das Risiko an Krebs zu erkranken steigt bei beiden Geschlechtern – bei Frauen speziell das Brustkrebsrisiko - bei Überschreiten der erlaubten Menge Alkohol. Trotz dieser möglichen Risiken scheint Alkohol in moderater Dosierung eine protektive Wirkung zu haben. Der Mechanismus der Wirkung könnte auf der Zunahme des vaskulär-protektiven HDL-Cholesterins und der Thrombozytenaggregations-hemmung beruhen.

Die in der Vergangenheit erhobenen epidemiologischen Resultate wurden durch eine prospektive, kontrollierte Studie bestätigt. In der Lyon-Herzstudie (M. de Lorgeril et al. Lancet 1994;343:1454-9) wurde gezeigt, dass eine Alphalinolensäure-reiche (eine kurzkettige Omega-3-Fettsäure) mediterrane Ernährung nach einem ersten Herzinfarkt sowohl die Sterblichkeit als auch die Herzinfarktrate um über 50 Prozent reduzierte. Weitere Untersuchungen konnten diese Resultate bestätigen. So ist eine interessante Arbeit erschienen, welche eine Reduktion der Sterblichkeit durch konsequente mediterrane Ernährung gesamthaft um 25 %, an Herzinfarkt um 33 % und an Krebs um 24 % zeigte (A. Trichopoulou et al. N Engl J Med 2003;348:2599-608).

Ein wichtiger Aspekt der mediterranen Ernährung darf nicht unerwähnt bleiben: Die Fette! Die ursprüngliche mediterrane Ernährung der Kreter enthielt 50 Prozent und mehr der Energie (Kalorien)  in Form von Fetten! Aber: 90 Prozent der Fette kamen von pflanzlichen Quellen, insbesondere vom Olivenöl. Es geht also nicht um die Quantität der Fette sondern um deren Qualität. Die Oelsäure ist eine wichtige Komponente in der mediterranen Ernährung – sie ist als einfach-ungesättigte Fettsäure chemisch stabil und ist resistent gegenüber Oxidation. Da lediglich oxidiertes, sog. modifiziertes Cholesterin die Entstehung der Atherosklerose fördert, ist die Stabilität gegenüber Oxidation ein wichtiger Faktor. Speziell M. de Lorgeril ist davon überzeugt, dass die Alphalinolensäure (reichlich enthalten in Rapsöl, Portulak, grünem Gemüse, Walnüssen u.a.m.) eine wichtige protektive Komponente mit antiarrhythmischer Wirkung ist. Im Zusammenhang mit den Fetten darf das Cholesterin nicht unerwähnt bleiben. Der herkömmlichen Meinung, dass das Nahrungscholesterin eine relevante Rolle spiele und dass nur durch eine Senkung des Blutcholesterins eine Atheroprotektion erreicht werden könne, muss vehement widersprochen werden. Eine Senkung des Blutcholesterins ist durch eine veränderte Nahrungsaufnahme kaum oder dann nur durch eine kasteiende „Diät“ möglich. Auch ohne Senkung des Serumcholesterins kommt es zu einer massiven kardiovaskulären Risikoreduktion durch die mediterrane Ernährung; dies zeigte die Lyon-Herzstudie deutlich, denn sowohl Gesamt-, als auch LDL- und HDL-Cholesterin blieben während der ganzen Beobachtungszeit unverändert.

Alle Studienresultate legen nahe, dass mediterrane Ernährung als „Gesundheitsnahrung“ per se gelten kann. Aufgrund der Fakten gilt „Five a day“, wie es seit Jahren proklamiert wird und als erweiterte Empfehlung:

  • Mehr Raps- und Olivenöl
  • Mehr grüne Gemüse
  • Mehr Obst und Früchte
  • Mehr Getreideprodukte
  • Ein Glas Wein pro Tag ist erlaubt
  • Weniger Fleisch (eher weisse Sorten)