Porträt Selbstverständnis

Geschichte

Barbara Lischetti: Kämpferin für die Gleichstellung von Frauen

Ihr lautes Lachen, das durch die Gänge schallte, ihr Verhandlungsgeschick und ihre fundierte juristische Fachkenntnis in Sachen Gleichstellung sind legendär. Barbara Lischetti, Gleichstellungsbeauftragte und Wegbereiterin der Geschlechterforschung an der Universität Bern, ist vor zwanzig Jahren im Alter von 49 Jahren verstorben. Sie war damals Leiterin der Abteilung für Frauenförderung (heute Abteilung für Chancengleichheit). Mit taktischem Fingerspitzengefühl, juristischem Sachverstand und ihrer energievollen Art hat Lischetti die Gleichstellung von Frauen und Männern an der Universität Bern wegweisend verändert.

Damalige Abteilung für Gleichstellung von Frau und Mann. Von links nach rechts: Doris Nienhaus, Barbara Lischetti (h.l.), Eva Lehner und Christine Michel. © AfC
Damalige Abteilung für Gleichstellung von Frau und Mann. Von links nach rechts: Doris Nienhaus, Barbara Lischetti (h.l.), Christine Michel und Eva Lehner. © AfC

STECKBRIEF

  • Lebensdaten: 1954-2003
  • Herkunft: 1954 in Ligerz geboren, die Familie Gerber lebte später in Pieterlen und Biel. Seit 1968 lebte sie in der Stadt Bern
  • Zivilstand: verheiratet mit dem Maler, Bildhauer und Aktionskünstler Carlo E. Lischetti, Kinder Nora (1984) und Dario Lischetti (1986)
  • Zusätzliche Informationen: Das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern (IZFG) vergibt seit 2014 alle zwei Jahre den Barbara-Lischetti-Preis. Mit dem Förderpreis werden Nachwuchswissenschaftler*innen der Universität Bern für eine hervorragende Dissertation im Bereich der Geschlechterforschung ausgezeichnet.
  • Dokumentation «Der Gegenwart» von Bernhard Nick, Stephan Ribi, Nora und Dario Lischetti über den Aktions- und Objektkünstler Carlo E. Lischetti (2013).

Barbara Lischetti war ab 1996 Leiterin der Abteilung für Frauenförderung (AFF), der heutigen Abteilung für Chancengleichheit. Als Gleichstellungsbeauftragte an der Universität Bern bereitete Lischetti den Weg für die heutige Arbeit in Geschlechterforschung und Chancengleichheit. Im Oktober 2003 ist Barbara Lischetti im frühen Alter von 49 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben.

Es müssen mehr Anstrengungen unternommen werden, damit die «Alma Mater Bernensis» eine auch für Frauen «nährende und milde Mutter» wird, eine Universität, die tatsächlich für Männer und Frauen in allen Bereichen attraktiv ist.» (Barbara Lischetti in: «Vom Störfall zur Schlüsselfunktion?» 2003)

Das Reglement für Frauenförderung der Universität Bern

«Der von Barbara Lischetti zäh und klug vorbereitete Coup gelang. Der Senat nahm das Reglement für Frauenförderung am 29. November 1994 an.» (Claudia Honegger 2004)

Die 1991 neugegründete damalige Abteilung für Frauenförderung (kurz AFF) wurde alsbald beauftragt, ein gesamtuniversitäres Reglement zur Frauenförderung auszuarbeiten. Als im November 1992 Lischetti als wissenschaftliche Mitarbeiterin zur AFF stiess, nahm sie sich dieser Aufgabe zügig an. Sie verhandelte und diskutierte mit diplomatischem Feingefühl und Humor mit Vertretern der Fakultäten und der Universitätsleitung. Nach vielen Gesprächen und einem klug vorbereiteten Coup wurde das Reglement 1995 schliesslich erfolgreich im Senat verabschiedet. Dies gewährte der damaligen AFF unter anderem Einsitz in Berufskommissionen und die Erstellung von Mitberichten. Noch heute bildet das Reglement die Grundlage für die Gleichstellungs- und Chancengleichheitsarbeit an der Universität Bern und ist ein wichtiger Pfeiler für die aktuelle Abteilung der Chancengleichheit. Und es war damals, 1995, das erste umfangreiche Reglement an einer Schweizer Hochschule, das sich viele zum Vorbild genommen haben.

Barbara Lischetti an einer Sitzung unter anderem mit Politikerin Leni Robert (h.r.). © AfC
Barbara Lischetti an einer Sitzung unter anderem mit Politikerin Leni Robert (h.r.). © AfC

Gründung des Interdisziplinären Zentrums für Frauen und Geschlechterforschung

«Dass eine Universität, der es mit der Gleichstellung der Geschlechter ernst ist, auch Raum für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Kategorie Geschlecht bieten muss, war für Barbara Lischetti so selbstverständlich, dass sie darüber nie grosse Worte verlor.» (Brigitte Schnegg, Leiterin Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung IZFG, 2003)

Lischetti setzte sich auch für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Gleichstellung ein. Die Verwirklichung des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung (IZFG) wäre ohne Barbara Lischettis Einsatz nicht denkbar gewesen. Es war ihre einfallsreiche Idee, das IZFG durch Gelder aus dem Bundesprogramm Chancengleichheit zu finanzieren. Diese Gelder erhielt die Universität Bern für die Berufung von Frauen in eine Professur. Zusammen mit der Unterstützung verbündeter Professorinnen, konnte Lischetti die Universitätsleitung davon überzeugen, diese Gelder in die institutionelle Verankerung des IZFG zu investieren. Das Konzept einer institutionellen Verankerung des IZFG als gesamtuniversitäre Einheit mit einer innovativen interdisziplinären Ausrichtung, besteht bis heute als fester Bestandteil der Universität. Auch hier nahm die Universität Bern eine Pionierrolle ein: Das IZFG war 2001 die erste wissenschaftliche Einrichtung für Geschlechterforschung an einer Schweizer Universität. Das IZFG hat im Gedenken an ihre Verdienste 2014 den Wissenschaftspreis, welcher exzellente Dissertationen zu Geschlechterforschung an der Universität Bern auszeichnet, nach Barbara Lischetti benannt.

«Horte statt Worte» - Ausbau der universitären Kinderkrippe

«Nachwuchsförderung fängt beim Nachwuchs an.» (Barbara Lischetti 1993)

Beharrlich hat Barbara Lischetti die Erweiterung der Kindertagesstätten (Kita) vorangetrieben, denn sie sah in der Förderung von Kita-Plätzen die Förderung von Frauen. Bevor sich Lischetti dieser Aufgabe annahm, waren beschränkte Kita-Plätze und lange Wartezeiten für Eltern an der Universität Bern die Norm. Doch Lischetti wollte dieses beschränkte Platzangebot nicht einfach hinnehmen: Zusammen mit dem damaligen Leiter der Abteilung Bau und Raum Kilian Bühlmann flitzte Lischetti auf dem Roller durch das Länggassquartier und erkundigte sich nach geeigneten Kita-Häusern. Dank ihres Elans eröffnete das «Casa Tutti Frutti» im Jahr 2001 und stellte 35 zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder von Universitätsangehörigen zur Verfügung. Die heutige KIHOB, die Stiftung Kinderbetreuung im Hochschulraum Bern, bietet Platz für annähernd 200 Kinder von Hochschulangehörigen der Universität Bern und der PHBern. 

Barbara Lischetti hat mit Engagement und Herzblut die Gleichstellungsarbeit an der Universität und darüber geprägt. Seit 2020 trägt der Quartierplatz neben dem neuen Gebäude der Universität Bern an der Mittelstrasse 43 in der Länggasse denn auch den Namen der Pionierin für Gleichstellung und Geschlechterforschung.  

Portrait-Foto von Barbara Lischetti. © Nora Lischetti
Portrait-Foto von Barbara Lischetti. © Nora Lischetti