Porträt Geschichte

Geschichte und Architektur

Ehemalige Übungsschule

Muesmattstrasse 29

Das von Otto Lutstorf (†1908) und Ludwig Mathys gegründete Architekturbüro stammt aus jener Generation von Baumeister-Architekten, die noch eine polytechnische Ausbildung im Geist des 19. Jahrhunderts erfahren hatten, aber den Einzug neuer Bautechniken und der neuen Formenwelt der Moderne, kurz: den grössten Umbruch in der Geschichte der Architektur, vollständig miterlebte. Das Übungsschulhaus zum nahe gelegenen Oberseminar an der Muesmattstrasse demonstriert die Bereitschaft, sich auf diese Phase der Architekturgeschichte mit eigenständigen Beiträgen einzulassen. 1933 erbaut, ist es weit mehr als eine Stilübung. Als Bekenntnis zur konstruktiven und formalen Innovation ist es wahrscheinlich zeitgemässer, als es einige seiner solide-altväterischen Details vermuten liessen.

Gebäudeansicht Nord und Süd

Gemäss dem funktionalistischen Gedankengut ist die innere Organisation des Gebäudes am Äusseren gut ablesbar. An die längs verlaufenden, am hohen Fensterband der ansonsten fensterlosen Westfassade zu lokalisierenden Erschliessungskorridore dockt nahe am Haupteingang das Treppenhaus an. Der Haupteingang ist mit dem halbrund ausgeweiteten Tribünenzimmer und der Treppenanlage an der Freiestrasse gekennzeichnet. Die repetitive und rationale Struktur findet einen adäquaten Ausdruck besonders an der Südfassade, wo jedes der zwölf Klassenzimmer und der darunter liegenden Räume mit einem grossflächigen Bandfenster ausgezeichnet ist. Die Idee, die Deckenlast fassadenseitig mit den horizontalen Brüstungsbändern abzufangen, ist eine konsequente Umsetzung der Möglichkeiten einer Betonstruktur und verrät tiefen Einblick in die Wesenszüge dieses Materials. Ähnliche Lösungen sind in jüngster Zeit in der neuen Schweizer Architektur verbreitet.

Innenansichten

Auch wenn es dem Haus weitgehend an eleganten Details fehlt, so verraten Lösungen wie die Sitzgelegenheit an der verglasten Loge der Eingangshalle nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Bautyp und den Bedürfnissen des Alltags (hier wird noch immer täglich gesessen), sondern einen Sinn fürs Räumliche und Pragmatische, der an handwerklichen Details von bester Qualität offensichtlich wird. Letztlich ist es den Architekten gelungen, die einem Volksschulhaus angemessene Mischung zwischen Robustheit und architektonischer Finesse zu finden. Das Gebäude wird heute von der Pädagogischen Hochschule genutzt.

Detailaufnahmen

Zu den Bauten der Universität hat Otto Lutstorf, der Begründer des Architekturbüros, nicht weniger als 40 Jahre vor dem Muesmattschulhaus das alte Tierspital beigetragen.