Flora und Fauna

Diese Vitrine setzt Humboldts Auswertung seiner Amerika-Reise mit tier- und pflanzenwissenschaftlichen Werken fort. Das 2-bändige Recueil d’observations de zoologie et d’anatomie comparée, 1811–1833, ist Humboldts umfangreichster Beitrag zur Zoologie. In zahlreichen Abhandlungen beschreibt Humboldt darin vor allem wenig bekannte Spezies, die er in den Anden und am Orinoco beobachtet hat, u. a. Vögel wie den majestätischen Anden-Kondor (Vultur gryphus), ausserdem Affen, Fische, Insekten, Muscheln und Mollusken. Illustriert werden sie durch extrem detailreiche farbige Kupferstiche, die gleichsam photorealistische Tierporträts präsentieren und auf diese Weise der europäischen Leserschaft die Begegnung mit den fremden Arten ermöglichen.

Ähnlich aufgebaut sind Humboldts vielbändige Pflanzenwerke, die nicht weniger als 1260 Pflanzendarstellungen umfassen. Sie führen vor Augen, um wie viele bis dahin kaum bekannte Arten Humboldt das botanische Wissen seiner Zeit erweitert hat. Exemplarisch werden hier die Plantes équinoxiales, 1805–1817, gezeigt, die u. a. eine nach Humboldt benannte Eichenart enthält: Quercus Humboldtii. Humboldts wichtigster botanischer Beitrag besteht aber nicht in der Beschreibung von einzelnen Arten, sondern in der Begründung einer neuen Disziplin, der Pflanzengeographie.

Wie in der Ausstellung im Botanischen Garten zu sehen ist, erforschte Humboldt die Vegetation nicht nur taxonomisch, sondern interessierte sich für den Zusammenhang zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt, für die Wanderung von Spezies und das Zusammenwirken verschiedener Faktoren innerhalb von Biotopen. Dieser Ansatz ist ein wichtiger Vorläufer der Ökologie. Außerdem ist das Buch, in dem er seine Pflanzengeographie beschrieb, in seiner Erscheinungsweise interessant: Mitten in der Napoleonischen Besatzung Preussens erschien es fast zeitgleich in Frankreich und in Deutschland – als Essai sur la géographie des plantes und als Ideen zu einer Geographie der Pflanzen, 1807.

Die Titelseiten im Vergleich stehen für die fast identische Gestaltung der beiden Werke. Statt in Kriegszeiten die Unterschiede zwischen den Nationen zu betonen, schlagen die Bände eine typographische Brücke. Buchgestaltung wird dadurch zu Politik: Humboldt, der einen Grossteil seines Lebens in Paris verbrachte und die Mehrheit seiner Bücher auf Französisch verfasste, sendet mit seiner Pflanzengeographie ein Signal für die völkerverbindende Funktion der Wissenschaften.