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Künstliches Licht stört die Bestäubung

Bei Nacht stört künstliches Licht die Bestäubung und Samenbildung von Pflanzen. Das zeigen aktuelle Studien der Universität Bern. Demnach werden Kohldisteln im Lichtkegel einer Lampe seltener von bestäubenden Insekten besucht und bilden 20 Prozent weniger Samen als solche in Dunkelheit. Für ihr Experiment stellten die Ökologinnen Strassenlaternen in den Berner Voralpen auf. Aktuelle Ergebnisse präsentieren die beiden Studienautorinnen am 5. September 2016 auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie in Marburg.

Strassenlaternen, Leuchtreklamen oder benachbarte Häuser – künstliches Licht ist für viele Menschen allgegenwärtig und beeinflusst auch die Tiere und Pflanzen in unserer Umwelt. Bei Nacht stört künstliches Licht die Bestäubung und Samenbildung von Pflanzen, wie Studien der Universität Bern an Kohldisteln (Cirsium oleraceum) erstmals zeigen. Für dieses Experiment stellte das Team um Eva Knop vom Institut für Ökologie und Evolution Strassenlaternen in den Berner Voralpen auf. Erste Ergebnisse präsentieren Knop und Co-Autorin Leana Zoller am 5. September 2016 auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie (GfÖ) in Marburg, Deutschland. Unter dem Motto «150 years of ecology – lessons for the future» treffen sich hier rund 500 Ökologinnen und Ökologen aus 30 Ländern.

Kohldisteln im Lichtkegel einer Lampe wurden nachts sehr viel seltener von bestäubenden Insekten besucht als solche in Dunkelheit. «Durch das künstliche Licht haben die Pflanzen schlechtere Chancen sich fortzupflanzen», erläutert Knop. Vor allem Nachtfalter und Käfer tragen nachts die Pollen von Blüte zu Blüte und finden die farblich unauffälligen Pflanzen über ihren Geruch. Warum das nächtliche Licht diese Bestäuber auf ihrer Nahrungssuche beeinflusst, erklärt Projektleiterin Knop so: «Wie viele andere Insekten werden die Bestäuber von der Lichtquelle angezogen und so von den Blüten weggelockt.» 

Auf der Suche nach der Dunkelheit

Die nicht stachelige Kohldistel gedeiht nicht nur in den Alpen, sondern in allen Höhenlagen bis rund 3000 Meter über Meer. In die Berge sind die Forscherinnen für ihre Experimente ausgewichen, um absolute Dunkelheit bei Nacht zu finden. «Wir wollten in einer Region arbeiten, die noch keine Lichtverschmutzung aufweist», erklärt Zoller. «In den Städten sind lichtempfindliche Tiere möglicherweise bereits verschwunden.» Im Sommer 2015 untersuchten sie insgesamt 100 Pflanzen, die an fünf Standorten mit Lampen sowie fünf Standorten ohne künstliches Licht wuchsen. Die verwendeten LED-Lampen setzt die Schweiz standardmässig als Strassenlaternen ein. Unterstützt wird das Projekt vom Schweizerischen Nationalfonds.

Welche Folgen der Rückzug der Bestäuber auf die Fortpflanzung der Kohldisteln hat, bezifferte das Forscherteam am Ende des Sommers: Um rund 20 Prozent geringer ist die durchschnittliche Samenausbeute pro Pflanze durch die nächtliche Beleuchtung. «Die Bestäubung am Tag kann die Verluste der Nacht nicht kompensieren», sagt Knop. Kohldisteln werden sowohl tagsüber als auch nachts bestäubt, wie Pilotstudien gezeigt hatten. Wie viele Arten in welchem Ausmass von der reduzierten Fruchtbarkeit durch das künstliche Licht betroffen sind, bleibt derzeit noch offen.

 

Angaben zur Publikation:

Zoller L, Knop E (2016): Artificial light at night disturbs nocturnal pollination service. In: Gesellschaft für Ökologie e.V. (Hrsg.): Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie, Band 46. Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie, 5. – 9. Sept. 2016 in Marburg. Görich & Weiershäuser, Marburg, S. 215.

 

Quelle: Pressestelle GfÖ

05.09.2016