Media Relations

Meilenstein bei der chemischen Untersuchung superschwerer Elemente erreicht

Erstmals konnte eine Verbindung zwischen einem superschweren Element und Kohlenstoff hergestellt werden. Damit lässt sich der Effekt der Relativitätstheorie auf die Chemie kann nun genauer untersuchen.

Einem internationalen Forscherteam mit Beteiligung der Universität Bern ist am japanischen RIKEN Nishina Center zum ersten Mal die Synthese einer chemischen Verbindung zwischen einem superschweren Element und Kohlenstoff gelungen. Dazu wurde Seaborgium (Element 106) künstlich hergestellt und mit Kohlenstoffmonoxid zusammengebracht.

Die Arbeiten haben neue Perspektiven eröffnet, um die chemischen Eigenschaften der Elemente am Ende des Periodensystems wesentlich detaillierter als bisher zu untersuchen und damit den Einfluss der Relativitätstheorie zu erforschen, der bei den schweren Elementen am stärksten ausgeprägt ist. Die neuen Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Chemieexperimente mit superschweren Elementen – mit Ordnungszahlen jenseits von 104 – stellen eine grosse Herausforderung dar. Zunächst muss das zu untersuchende Element künstlich an einem Teilchenbeschleuniger hergestellt werden. Die Produktionsraten liegen bei höchstens einigen Atomen pro Tag, bei den schwersten Elementen sogar noch darunter. Hinzukommt, dass die Atome instabil sind: Bei der aktuellen Arbeit betrug die Lebensdauer nur etwa 10 Sekunden. Trotz des grossen Aufwands ist die Wissenschaft sehr an der Untersuchung der superschweren Elemente interessiert, weil sie einen Test des Einflusses der Einsteinschen Relativitätstheorie auf die Chemie ermöglicht.

Die vielen positiv geladenen Protonen im Atomkern der «Superheavies» beschleunigen die Elektronen in der Atomhülle auf hohe Geschwindigkeiten – bis auf etwa 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Gemäss der Relativitätstheorie werden die Elektronen dadurch schwerer als wenn sie in Ruhe wären, was sich auf ihren Aufenthaltsort in der Atomhülle auswirkt und folglich auf die chemischen Eigenschaften. Dies wird im Vergleich mit homologen Elementen untersucht, die eine ähnliche Struktur in ihrer Atomhülle besitzen und in derselben Gruppe des Periodensystems stehen. Solche Studien eröffnen einen Zugang zu den fundamentalen Pfeilern des Periodensystems der Elemente – dem grundlegenden Ordnungsschema der Elemente für Chemiker in aller Welt.

Vor diesem Hintergrund wurde eine neuartige Experimentmethode entworfen, die an der Universität Bern und am deutschen Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung (GSI) weiterentwickelt wurde. Die Schwerelementegruppe am RIKEN Nishina Center (RNC) in Japan optimierte dann die Produktion des Seaborgiums. Dies ermöglichte es, Signale von Seaborgium und damit seine Produktionsrate und die Zerfallseigenschaften zu messen. Dadurch können nun neuartige chemische Studien mit Seaborgium durchgeführt werden.

So gelang es dem Forscherteam nach zwei Wochen Experimentzeit rund um die Uhr 18 Seaborgium-Atome zu detektieren und ihre Eigenschaften zu untersuchen. Diese erwiesen sich als ähnlich wie Verbindungen von Seaborgiums leichteren Homologen Molybdän und Wolfram. Die gemessenen Eigenschaften sind im Einklang mit theoretischen Rechnungen, in denen die Effekte der Relativität mit berücksichtigt sind.

Dr. Hideto En'yo, Direktor des Riken Center, führt aus: «Der Durchbruch, der in diesem Experiment erzielt wurde, wäre ohne die enge Zusammenarbeit von vierzehn Forschungszentren aus aller Welt unmöglich gewesen.» Die Forschenden  zeigten damit, dass viele neue Verbindungen dieser Elemente in Reichweite der neuartigen Experimenttechniken sind. 

Nach diesem ersten erfolgreichen Schritt auf dem Weg zu detaillierteren Untersuchungen der superschweren Elemente schmiedet das Team bereits Pläne für weitere Studien anderer neuer Verbindungen, auch noch schwererer Elemente als Seaborgium.

Angaben zur Publikation:

Julia Even et al.: Synthesis and detection of a seaborgium carbonyl complex. Science, 19. September 2014, DOI: 10.1126/science.1255720

 

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität

19.09.2014