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Neuer Mechanismus beim Pflanzenwachstum entdeckt

Wie Pflanzen wachsen, ist nicht nur in ihren Genen angelegt: Eine wichtige Rolle spielen auch die mechanischen Eigenschaften der Zellen. Berner Pflanzenwissenschaftler haben einen gänzlich neuen Mechanismus entdeckt, mit dem pflanzliche Stammzellen ihr Wachstum regulieren.

Stammzellen in Tieren und Pflanzen erfüllen eine zweifache Aufgabe: Bei der Zellteilung differenzieren sich ihre Tochterzellen entweder zu Geweben und Organen aus – oder sie bleiben selber Stammzellen. Wird dieser Prozess gestört, kommt es zu ungehemmtem Zellwachstum – Krebs – oder Zelltod. Die Forschung hat sowohl bei tierischen als auch pflanzlichen Stammzellen diejenigen Gene identifiziert, die darüber entscheiden, ob eine Zelle eine weitere Stammzelle produziert oder sich differenziert. Nun hat eine Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Richard Smith vom Institut für Pflanzenwissenschaft der Universität Bern einen gänzlich neuen Mechanismus der Stammzellregulation bei Pflanzen entdeckt. Die Studie wird heute im Journal «Science» publiziert.

«Unelastische» Stammzellen

Anders als bei Tieren, wo die künftige Ausprägung des Körpers zum grössten Teil bereits im Embryo festgelegt ist, bilden Pflanzen ihre Form fortwährend aus, indem sie sorgfältig das Wachstum und die Organbildung an der Spitze ihrer Sprosse kontrollieren. Während die genetischen Aspekte dieses Prozesses gut bekannt sind, spielen bei der Ausprägung komplexer Formen wie zum Beispiel Blätter auch die mechanischen Eigenschaften der Zellen eine Rolle. Dies war bisher kaum erforscht.

Nun haben die Forschenden die elastischen Eigenschaften von Zellwänden an der Spitze eines Sprosses untersucht, indem sie diese unterschiedlichem zellinternen Druck aussetzten. Mittels einer speziellen Software massen sie die Änderungen der Zellformen und konnten nachverfolgen, wie verschiedene Stammzell-Regionen im Sprosstrieb auf diese Druckveränderungen reagieren und wachsen. Dabei fanden sie heraus, dass nicht alle Zellwände unter demselben Druck nachgeben: Die Wände von Stammzellen, die sich auf der Spitze eines Sprosses befinden, bewegten sich kaum – das heisst, diese Stammzellen können sich nicht differenzieren. Dies weil ihre Zellwände so beschaffen sind, dass sie sich nicht ausdehnen und wachsen können. Auch die Erhöhung des Zellinnendrucks änderte an dieser unelastischen «Stammzellen-Nische» nichts. Im Gegensatz dazu können sich Stammzellen direkt unterhalb dieser Spitze rasch vergrössern, indem sie ihre Wände lockern und am Spross Ausbuchtungen bilden, die zu vollständig ausgebildeten Blättern auswachsen.

Das heisst, dass nicht nur genetische Voraussetzungen, sondern mechanische Eigenschaften wie die unterschiedliche Elastizität der Zellwände bestimmen, an welcher Stelle sich die Stammzellen einer Pflanze differenzieren und damit das Wachstum regulieren. Ein solcher Mechanismus stabilisiert und schützt laut den Forschenden die wichtige Stammzellen-Nische vor unkontrolliertem Wachstum, etwa durch den störenden Einfluss von pflanzlichen Hormonen, die Zellwände lockern und somit Zellwachstum fördern.

Für die Studie arbeiteten Forschende aus diversen Fachbereichen zusammen – Biologie, Mathematik, Informatik und Physik. «Sie ist daher ein gutes Beispiel dafür, was wir unter Systembiologie verstehen», sagt Richard Smith.

Bibliographische Angaben:

Daniel Kierzkowski, Naomi Nakayama, Anne-Lise Routier-Kierzkowska, Alain Weber, Emmanuelle Bayer, Martine Schorderet, Didier Reinhardt, Cris Kuhlemeier, Richard S. Smith: Elastic domains regulate growth and organogenesis in the plant shoot apical meristem, Science, 335, 2012, in print.

01.03.2012