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Hormone: Känguruh hilft Forschenden auf die Sprünge

Känguruhs und Menschen haben etwas gemeinsam: Das männliche Geschlechtshormon DHT kann auf zwei verschiedenen Wegen produziert werden. Dabei können auch folgenschwere Störungen auftreten. Dies haben Forscherinnen der Universitäts- Kinderspitäler von Bern und Zürich in einer Nationalfonds-Studie herausgefunden. Die Erkenntnis soll dereinst bei der Behandlung hormoneller Erkrankungen helfen.

Zwei vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Forschergruppen aus den Universitäts-Kinderspitälern Zürich und Bern haben aufgrund von Patienten- und Laborstudien herausgefunden, dass beim Menschen zwei alternative Programme zur Ausbildung der äusseren männlichen Geschlechtsorgane im Mutterbauch existieren. Dieses Phänomen war bisher erst von Känguruhs bekannt. Diese eignen sich für derartige Forschungen besonders gut, weil das Baby im Beutel ohne komplizierte und schädliche Eingriffe untersucht werden kann. Die Forschungsarbeit wurde soeben im renommierten «American Journal Of Human Genetics» veröffentlicht.

Die Forscherinnen aus Bern und Zürich untersuchten die komplizierten Prozesse der Hormonbildung im Mutterbauch, um herauszufinden, warum manche Mädchen ohne Gebärmutter und manche Knaben mit unterentwickelten Geschlechtsorganen geboren werden. Dabei fanden sie ein bestimmtes, vom Känguruh bekanntes Enzym (AKR1C2) bei solchen Menschen verändert, das heisst genetisch mutiert. Ausserdem stellten sie eine bisher unbekannte Mutation bei einem anderen wichtigen Enzym (AKR1C4) fest. Die Forscherinnen erhoffen sich durch weitere Untersuchungen neue Erkenntnisse für die Behandlung hormoneller Erkrankungen, die mit einer Erhöhung der männlichen Hormone einhergehen.

Ohne DHT kein Mann

Der menschliche Embryo ist zuerst weder Männchen noch Weibchen. Ab der sechsten Schwangerschaftswoche bilden sich je nach genetischer Programmierung Hoden oder Eierstöcke. Beim künftigen Knaben produzieren die künftigen Hoden im Normalfall bereits vorher aus Cholesterin verschiedene männliche Hormone, darunter Dihydrotestosteron (DHT). Dieses ist für die Ausbildung von Hodensack und Penis nötig. Beim künftigen Mädchen werden keine entsprechenden Hormone produziert. Biologisch gesehen sind Knaben die komplizierteren Mädchen.

Die DHT-Produktion im Mutterbauch ist aber hochkompliziert und läuft nicht immer reibungslos ab. Das führt dazu, dass manche Babies trotz männlichem Chromosomensatz optisch als Mädchen auf die Welt kommen. Bei anderen ist das Geschlecht optisch nicht eindeutig; die Geschlechtsorgane sind unvollständig ausgebildet. Früher haben Eltern und Ärzte dies meistens mit Operationen korrigiert. Heute ist man diesbezüglich zurückhaltender und sucht nach alternativen, individuellen Lösungen. Direktbetroffene fordern sogar, dass man mit Eingriffen und Therapien wartet, bis der oder die Betroffene als erwachsener Mensch selber über die Geschlechtszugehörigkeit entscheiden kann. Dazu braucht es viel Aufklärungsarbeit, denn der gesellschaftliche Druck auf die Eltern und betroffenen Heranwachsenden ist immer noch enorm.

Quelle: Universitätsspital Bern

18.08.2011