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Klimaschwankungen auf der Nord- und Südhalbkugel sind zeitversetzt

Natürliche Klimaschwankungen wie Eiszeiten treten im Norden und Süden nicht gleichzeitig auf: Dies hat eine internationale Forschergruppe mit Berner Beteiligung herausgefunden. Sie untersuchte das Gletscherwachstum in den neuseeländischen Alpen. Dieses fand früher statt als in unseren Breitengraden. Die Studie wurde nun im Fachjournal «Nature Geoscience» publiziert.

Am Ende der letzten Eiszeit vor rund 12'000 Jahren sprang das Klima kurzfristig für über 1’000 Jahre wieder in die Kälte zurück. Das Resultat waren Gletschervorstösse – auch in den Schweizer Alpen. Solche Gletschervorstösse können durch Moränen datiert werden, den Schuttablagerungen, die von Gletschern bei ihrer Bewegung aufgehäuft werden und als Geländeformation erkennbar sind. In den neuseeländischen Alpen befinden sich nun vergleichbare Moränen wie in unseren Breitengraden. Sie könnten also zum selben Rückfall in die Eiszeit gehören.

Nun hat aber eine internationale Forschergruppe mit der Beteiligung von Prof. Christian Schlüchter vom Institut für Geologie der Universität Bern festgestellt, dass die neuseeländischen Moränen um rund 500 Jahre älter sind. Somit gehören sie nicht zu einem Gletschervorstoss in der Klimastufe der sogenannten Jüngeren Dryas auf der nördlichen Hemisphäre, sondern in die frühere Phase der antarktischen Kälteoszillation im Süden.

Mit diesen neuen Datierungen zeigen die Forschenden, dass Erwärmung und Abkühlung zwischen 11'500 und 14'500 Jahren vor heute auf der Nord- und Südhalbkugel nicht gleichzeitig verlaufen sind. Ihre Studie wurde nun im Fachmagazin «Nature Geoscience» veröffentlicht.

Datierungsprojekt vor zehn Jahren in Bern begonnen

Christian Schlüchter vom Institut für Geologie hatte das Datierungsprojekt vor rund zehn Jahren mit ersten Probenahmen begonnen. Für die aktuellen Messungen benutzte das Forscherteam die Methode der Oberflächendatierung, um die Zeit seit der Ablagerung eines Gesteinsbrockens (Findlings) auf einer Moräne zu bestimmen. Diese Ablagerung eines Findlings entspricht einem Gletschervorstoss.

Die Oberflächendatierung basiert auf der Messung der Konzentration von sogenannten kosmogenen Nukliden wie zum Beispiel Beryllium 10 – radioaktiven Isotopen, die sich in einer Gesteinsoberfläche bilden, wenn diese kosmischer Strahlung ausgesetzt wird. Die Methode ist relativ neu und erlaubt, nicht das Alter eines Gesteins, sondern einer Gesteinsoberfläche zu bestimmen, also zum Beispiel die Zeit, seit der ein Findling vom Eis freigegeben wurde.

Der frühere Gletschervorstoss auf der Südhalbkugel lässt darauf schliessen, dass der Rückfall in die Eiszeit in der Antarktis ausgelöst wurde. «Es musste dort einen <Klimasteuermann> geben, dessen Regime bis in die südlichen mittleren Breiten, wo sich die neuseeländischen Alpen befinden, reichte», umschreibt Schlüchter die Ursache. Dieser «Klimasteuermann» ist aber nach wie vor nicht identifiziert. Unklar bleibt auch, wie sich das Klima im Norden und Süden genau gegenseitig beeinflussen. Um mehr über die bislang wenig erforschte antarktische Kälteoszillation und ihre geografische Ausbreitung zu erfahren, sind weitere Kartierungen und Datierungen nötig. «Dies bringt uns einer Antwort auf die Frage, wodurch natürliche Klimaschwankungen ausgelöst werden, wieder ein Stück näher», so Schlüchter.

Quellenangabe:

Aaron E. Putnam, George H. Denton, Joerg M. Schaefer, David J.A. Barrell, Bjørn G. Andersen, Robert Finkel, Roseanne Schwartz, Alice M. Doughty, Michael R. Kaplan, and Christian Schlüchter: The atmospheric footprint of the Antarctic Cold Reversal in southern middle latitudes, Nature Geoscience, Advanced Online Publication (AOP) vom 26. September 2010, doi:10.1038/NGEO962

27.09.2010