Media Relations

Hochwasser: Jederzeit die Übersicht behalten

Bei einem Hochwasser ist es für die Krisenstäbe nicht immer einfach, den Überblick über das Geschehen zu behalten. Forschende der ETH Zürich und der Universität Bern entwickeln nun mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) ein neues Tool, das aktuelle Abflussdaten und Wettermessungen übersichtlich auf einer elektronischen Karte zusammenfasst.

Wenn Flüsse, wie nach den Starkniederschlägen Anfang August 2007, viel Wasser mit sich führen und über die Ufer treten, ist es für die zuständigen Einsatzkräfte nicht immer einfach, den Überblick über die Situation zu behalten. Eine besondere Herausforderung dabei ist, alle relevanten hydrologischen und meteorologischen Informationen im Auge zu behalten. Genau diese Daten jedoch sind entscheidend, denn sie geben den Verantwortlichen Anhaltspunkte, wie sich die Lage in den kommenden Stunden entwickeln wird.

Heute bleibt den Leitern der Krisenstäbe nicht viel anderes übrig, als die Informationen von ganz unterschiedlichen Quellen selbst zusammenzutragen. Das soll sich nun ändern: Christophe Lienert und Lorenz Hurni vom Institut für Kartografie der ETH Zürich entwickeln gegenwärtig zusammen mit Rolf Weingartner vom Geographischen Institut der Universität Bern im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Projekts ein neues Online-Tool, das den Benutzern die entsprechenden Daten in übersichtlicher Form präsentiert. Der Betrachter sieht dabei auf einer von ihm zusammengestellten elektronischen Karte alle Informationen, die für ihn relevant sind. Die dargestellten Daten werden laufend automatisch aktualisiert und aufbereitet.

Automatische Klassifikation

Basis des neuen Werkzeugs ist eine Datenbank, die kontinuierlich mit neuen Messdaten von externen Quellen gefüttert wird. Berücksichtigt werden beispielsweise Daten, welche die automatischen Wetterstationen von MeteoSchweiz liefern, Abflussmessungen von Flüssen, welche das Bundesamt für Umwelt zur Verfügung stellt, aber auch Radardaten mit Informationen über die aktuellen Niederschläge. Dazu kommen je nach Gebiet lokale Daten von kantonalen Stellen.

Der Nutzer ruft über seinen Browser die entsprechenden Informationen aus dieser Datenbank ab und stellt sie gemäss seinen Bedürfnissen zusammen. Dabei werden auf dem Bildschirm nicht einfach nur Messwerte angezeigt, sondern das System ordnet die Daten ein und stellt sie in verschiedenen Formen zur Verfügung. Die Messwerte werden klassifiziert und mit entsprechenden Farben auf der Karte codiert. Damit werden kritische Entwicklungen auf einen Blick sichtbar gemacht.

Mit dem Tool beschreiten die Forschenden neue Wege in der Kartografie. Die Darstellung von Informationen auf einer Karte folgte bisher einem klar definierten Schema. Dazu gehört insbesondere auch die manuelle Überwachung durch einen Fachmann. Eine kartografische Darstellung in Echtzeit, wie sie das neue Werkzeug nun bietet, erfordert jedoch einen anderen Ansatz. Das System muss in der Lage sein, Informationen automatisch zu verarbeiten. Insbesondere muss es auch fehlerhafte Daten erkennen. Gerade bei Extremereignissen ist dies keine einfache Aufgabe. Wenn nach starken Niederschlägen die Abflussmengen der Flüsse innert kurzer Zeit in die Höhe schnellen, muss das System fähig sein, die Darstellungsweise laufend den neuen Entwicklungen anzupassen.

Lernen aus der Vergangenheit

Mit der neuen Plattform können sich die Zuständigen aber nicht nur einen Blick über die aktuelle Lage verschaffen. Neben dem so genannten «Monitoring» bietet das Tool nämlich auch ein «Retracing» als Option an, das die Entwicklung der letzten Stunden in einer animierten Abfolge nachzeichnet. Die Verantwortlichen können so beispielsweise verfolgen, wie sich eine Flutwelle flussabwärts bewegt. Dies gibt ihnen einen Eindruck von der Dynamik des Geschehens. Vorgesehen ist auch, dass die aktuellen Messwerte mit historischen Daten verglichen werden können. Das so genannte «Comparing» als drittes Element wird es ermöglichen, die aktuelle Lage in einen grösseren zeitlichen Rahmen einzuordnen. Das Instrument hilft also den Verantwortlichen, im Krisenmoment selbst aus der Vergangenheit zu lernen.

In einem ersten Schritt konzentrieren sich die Forschenden auf das Einzugsgebiet der Thur. Die Wahl erfolgte nicht zufällig: Das Gebiet ist gut dokumentiert und weist auch die nötige kritische Grösse auf, die den Einsatz eines solchen Instruments rechtfertigt. Und nicht zuletzt sorgt die Thur immer wieder mit Überschwemmungen für unliebsame Schlagzeilen – so wie auch im August 2007.

29.07.2008