Kleine Asteroiden sind wohl jung

Das vor zwei Jahren durchgeführte Einschlagsexperiment der japanischen Hayabusa2-Mission auf dem Asteroiden Ryugu hat einen unerwartet grossen Krater erzeugt. Einem Team unter der Leitung der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS gelang es nun, anhand von Simulationen neue Erkenntnisse aus dem Experiment zur Entstehung und Entwicklung von Asteroiden zu gewinnen. Diese sind auch wichtig für die DART-Mission der NASA.

Die Datierung der Oberflächen von Himmelskörpern erfolgt durch das Zählen der Grösse und Häufigkeit von Kratern. Diese Altersschätzungen können sehr ungenau sein, da man nicht weiss, wie das Material der Oberfläche eines Asteroiden auf einen Einschlag von einem anderen Himmelskörper reagiert. Um die Geschichte des Asteroiden Ryugu zu erforschen, wurde die Raumsonde Hayabusa2 entwickelt, die auch Proben gesammelt und sie zur Laboranalyse zur Erde zurückgebracht hat.

Beteiligt am Projekt sind Dr. Martin Jutzi und Dr. Sabina Raducan, beide vom Physikalischen Institut der Universität Bern, Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie (WP) und Mitglieder beim Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS. In einer Studie, die soeben in Nature Communications erschienen ist, präsentiert das Team unter ihrer Leitung neue Erkenntnisse zur Entstehung und Entwicklung von Asteroiden.

Kraterbildungsgesetze helfen bei der Datierung von Asteroiden

Zur Erkundung der Asteroideneigenschaften wurde im Rahmen der Weltraummission Hayabusa2 ein Small Carry-on Impactor auf die Oberfläche des Asteroiden Ryugu geschossen. «Der durch den Einschlag erzeugte Krater erwies sich als viel grösser als erwartet. Wir haben also versucht, das Ergebnis des Einschlags auf Ryugu anhand von Simulationen zu reproduzieren, um herauszufinden, welche Eigenschaften das Material auf der Oberfläche des Asteroiden haben muss», erklärt Martin Jutzi.

Die Beschaffenheit und die Grösse eines Einschlagkraters auf einem Asteroiden werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Zum einen durch die spezifischen Eigenschaften des Projektils, zum anderen durch die Eigenschaften des Asteroiden, beispielsweise dessen Festigkeit oder Schwerkraft. «Die Grösse und Beschaffenheit des Kraters, der aus dem Einschlag resultiert, kann eine direkte Diagnose der Materialeigenschaften und der oberflächennahen Struktur des Asteroiden liefern», sagt Jutzi. Die Untersuchung des Kraterbildungsprozesses habe daher wichtige Auswirkungen auf das Verständnis der geologischen und geophysikalischen Entwicklung von Asteroiden.

«Wie Kraterbildung bei niedriger Schwerkraft funktioniert, blieb bisher weitgehend unerforscht. Das liegt daran, dass diese Einschlagsbedingungen in Laborexperimenten auf der Erde nicht nachgebildet werden können», sagt Sabina Raducan, die das Projekt gemeinsam mit Martin Jutzi leitet. Die Forschenden zeigen, dass der Asteroid wahrscheinlich eine sehr lockere innere Struktur hat und nur durch sehr kleine Kohäsionskräfte und Gravitationswechselwirkungen zusammengehalten wird. «Geht man von diesen Bedingungen aus, sind wir in der Lage, mit unseren numerischen Simulationen das Ergebnis des Einschlags auf Ryugu zu reproduzieren», so Raducan.

Die aus den Ergebnissen abgeleiteten Beziehungen zwischen den Projektil-Eigenschaften und Kratergrösse deuten darauf hin, dass die Oberflächen kleiner Asteroiden sehr jung sein müssen. «Unsere Ergebnisse zeigen zudem, dass eine geringe Kohäsion die Kraterbildung stark beeinflussen kann. Auf Ryugu gibt es verschiedene geologische Oberflächeneinheiten, die ein unterschiedliches Alter haben. Dies könnte auf den Einfluss der Kohäsion zurückzuführen sein», ergänzt Jutzi.

Wichtige Erkenntnisse für DART

Die Arbeit von Jutzi und Raducan ist auch für wichtig für die NASA-Mission «Double Asteroid Redirection Test» (DART), an der die beiden ebenfalls beteiligt sind. DART ist der weltweit erste vollumfängliche Test zur planetarischen Verteidigung gegen mögliche Asteroideneinschläge auf der Erde. Im Rahmen der DART-Mission ist am 27. September 2022 eine Weltraumsonde mit dem Asteroiden Dimorphos, um diesen von seiner Umlaufbahn abzulenken. «Die Erkenntnisse der Simulationen zum Einschlag auf Ryugu hilft auch bei der Analyse der Resultate der DART Mission weiter» erklärt Jutzi. «Wir sind daran, die neue entwickelten Modelle auf DART anzuwenden um damit Erkenntnisse über die Eigenschaften von Dimorphos zu gewinnen. Unsere ersten Simulationen sehen sehr vielversprechend aus» ergänzt Raducan.

Angaben zur Publikation:

Martin Jutzi, Sabina D. Raducan, Yun Zhang, Patrick Michel, and Masahiko Arakawa: Constraining surface properties of asteroid (162173) Ryugu from numerical simulations of Hayabusa2 mission impact experiment, Nature Communications, November 2022

DOI: s41467-022-34540-x

Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant, gebaut und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.

Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht.

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

30.11.2022