Wie wird Geschlechtervielfalt im Arbeitsleben erreicht?

Ein neues europäisches Forschungsprojekt unter Leitung der Universität Bern untersucht, welche Faktoren die schulische und berufliche Laufbahn von Frauen und Männern sowie Angehörigen geschlechtlicher und sexueller Minderheiten beeinflussen. «G-VERSITY» erhält dafür vom EU-Förderungsprogramm «Horizon 2020» 4,1 Millionen Euro. Koordiniert wird das Projekt von Prof. Sabine Sczesny vom Institut für Psychologie.

Ziel des internationalen Forschungsprojekts «G-VERSITY – Achieving Gender Diversity» ist nicht nur, die vom biologischen und sozialen Geschlecht abhängigen Einflussfaktoren auf den Bildungs- und Berufsweg zu untersuchen. Das grossangelegte Projekt wird auch wissenschaftlich fundierte Massnahmen entwickeln, welche die Geschlechtervielfalt im Arbeitsleben fördern sollen. «Denn», so sagt Sabine Sczesny, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Bern und Koordinatorin von G-VERSITY, «viele private und öffentliche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber möchten bei ihrem Personal Geschlechtervielfalt erreichen. Zum einen, um besser auf die Bedürfnisse ihrer Kundschaft reagieren zu können, zum anderen, um rechtliche Anforderungen zu erfüllen. Aber es gibt leider einen Mangel an evidenzbasierten Interventionen, die sie bei der Erreichung ihrer Ziele unterstützen». Die von G-VERSITY entwickelten Massnahmen werden beispielsweise in Workshops, Leitlinien und Trainingsmaterialien bestehen. 

Interdisziplinäre Kooperation von europäischen Forschungsgruppen

«G-VERSITY« ist zugleich ein innovatives Trainingsnetzwerk für Nachwuchsforschende in Europa. Im Rahmen des «Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Networks (ITN)» werden 15 PhD-Studierende an neun europäischen Universitäten im Rahmen einer Dissertation die Forschungsfragen bearbeiten und Interventionen für Arbeitgeber mitentwickeln. Im Netzwerk kooperieren europäische Forschungsgruppen aus Psychologie, Erziehungswissenschaft, Management- und Wirtschaftswissenschaft sowie Medien- und Kommunikationswissenschaft.

Sabine Sczesny, eine international angesehene Expertin in der Forschung zu Stereotypen und Vorurteilen, hat «G-VERSITY» initiiert und koordiniert das Netzwerk. Die weiteren Principal Investigators kommen von der Freien Universität Berlin (Deutschland), der University of Helsinki (Finnland), der Radboud University (Niederlande), der University of Trieste (Italien), der University of Surrey (Grossbritannien), der University of Stockholm (Schweden), der Czech Academy of Sciences (Tschechien), The Open University (Grossbritannien) und der EDGE Certified Foundation (die international führende Organisation zur Zertifizierung von Geschlechtergerechtigkeit im Arbeitsleben mit Sitz in der Schweiz). «G-VERSITY» wird zudem vom öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ZDF, dem medienpädagogischen Forschungsinstitut JFF sowie den gemeinnützigen Organisationen PORTIA, LGBT Consortium und Raspberry Pi Foundation (Grossbritannien) unterstützt.

Forschung, die in die Praxis hineinwirken soll

«Im Zentrum der gemeinsamen Forschung zu Gender Diversity steht der Austausch über die wissenschaftlichen Disziplinen hinweg sowie zwischen der Forschung und der Praxis», erklärt Sczesny. «Konkrete Forschungsfragen sind beispielsweise, wie in Gesprächen zwischen Eltern und Kindern über die Studien- und Berufswahl geschlechtsstereotype Vorstellungen Einfluss nehmen können, wie ein sexistisches Organisationsklima in typisch männlichen Berufsfeldern Frauen und Angehörige geschlechtlicher und sexueller Minderheiten davon abhält, in diesen Feldern tätig zu werden, oder welche Erfahrungen Männer machen, wenn sie sich für bislang traditionell von Frauen ausgeübte Berufe interessieren.»

Weitere Projekte befassen sich mit der Entwicklung und Evaluation verschiedener Massnahmen zur Förderung der Geschlechtervielfalt wie der Verbesserung der organisationalen Kommunikation, der Implementierung von evidenzbasierten Gender Diversity Trainings sowie Analysen zur Repräsentation in traditionellen Medien und Selbstrepräsentation in digitalen Medien.

«G-VERSITY» hat die Forschungsarbeit im Oktober 2020 aufgenommen. Neben der gezielten Nachwuchsförderung wird das Forschungsnetzwerk Workshops und Summer Schools sowie eine internationale Tagung ausrichten, um die Sichtbarkeit und Verbreitung seiner Forschungsergebnisse in Wissenschaft und Gesellschaft zu erhöhen. Im April 2021 wird der erste Workshop «Fundamentals of Gender Diversity Research» unter Beteiligung von internationalen Expertinnen und Experten stattfinden. Für weitere Informationen: www.gversity-2020.eu

Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Networks (ITN)

Die EU fördert mit dem Format «Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Networks (ITN)» im Rahmen von «Horizon 2020» Netzwerke zur Doktorierendenausbildung, bestehend aus europäischen Einrichtungen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. ITN finanzieren eine strukturierte Ausbildung von Nachwuchsforschenden in Europa und fördert Trainings- und Vernetzungsaktivitäten. Sie unterstützen ausschliesslich noch nicht promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den ersten vier Jahren ihrer Laufbahn. Entsendungen in akademische und nicht-akademische Einrichtungen sowie zahlreiche Trainingsangebote zielen darauf ab, ihre beruflichen Perspektiven nachhaltig zu verbessern. ITN werden vorraussichtlich ab 2021 auch in «Horizon Europe», dem kommenden EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der EU, unter dem neuen Namen «Doctoral Networks» weitergeführt.

Mehr Informationen: 

https://ec.europa.eu/research/mariecurieactions/actions/research-networks_en

 

Interview mit Sabine Sczesny in «uniaktuell»:

«Geschlechtervielfalt: Vorteile statt Vorurteile»

«G-VERSITY» ist ein neues internationales Forschungsprojekt, das die Geschlechterdiversität in Bildung und Arbeitsleben untersucht und fördern will. Die Sozialpsychologin Sabine Szesny von der Universität Bern leitet das transdisziplinäre Vorhaben, an dem neun europäische Universitäten beteiligt sind.

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22.10.2020