50 Jahre am Puls der Zeit: Klimaforschung in der Geographie

Das Geographische Institut feiert 2020 das 50-Jahre-Jubiläum seiner Klimaforschung. Was heute ein zentraler Pfeiler der international renommierten interdisziplinären Berner Klimaforschung ist, begann im Kleinen. Ein Film von Professor Stefan Brönnimann zeigt wissenschaftsgeschichtlich und persönlich, wie die Berner Geographie an der Schnittstelle von internationaler Forschung zu Gesellschaft, Politik und Verwaltung wirkt.

Klimatologische Spitzenforschung wurde am Geographischen Institut der Universität Bern (GIUB) bereits im 19. Jahrhundert durch Eduard Brückner betrieben. Doch an diese Pionierzeit gab es keine Anknüpfung. Erst Jahrzehnte später griff mit Bruno Messerli (1931–2019) ein junger Wissenschaftler wieder klimatologische Fragen auf. 1970 gründete er eine Klimaforschungsgruppe, die schnell wuchs und heute auf eine 50-jährige, bewegte Vergangenheit zurückblicken kann.

Bruno Messerli, Professor und späterer Rektor der Universität Bern, ist denn auch der Film «Über dem Nebel – 50 Jahre Klimaforschung am Geographischen Institut der Universität Bern» gewidmet, der ab heute frei zugänglich zu sehen ist. Gedreht hat den Film Stefan Brönnimann, ab 1992 selber Student am GIUB und heute Professor für Klimatologie. Ursprünglich als Jubiläumsveranstaltung skizziert, sind die geplanten Beiträge nun in Interviews filmisch festgehalten und mit eindrücklichem Archivmaterial ergänzt.

Lebensgeschichten, Karrieren und Forschungsprogramme

Wie kein anderer verstand es Bruno Messerli, das Feuer für die Forschung mit strategischen Themen und internationalen Netzwerken zu verbinden. Interviews mit 19 Forscherinnen und Forscher illustrieren, wie Sachverstand und Herzblut zusammenfanden und sich Karrieren und Lebensgeschichten verbanden.

Die persönlichen Netzwerke bewirkten auch, dass Berner Geografen wie Bruno Messerli und Heinz Wanner Massgebliches mit angestossen haben: So etwa den Aufbau des internationalen Forschungsnetzwerks PAGES (Past Global Changes), das an der Universität Bern angesiedelt ist, das Nationale Forschungsprogramm NFP 14 «Lufthaushalt, Luftverschmutzung und Waldschäden in der Schweiz», und nicht zuletzt die beiden nationalen Forschungsschwerpunkte NCCR Climate und NCCR North-South. Deren Pionierarbeit wird heute in enger Zusammenarbeit mit dem GIUB in den international renommierten strategischen Kompetenzzentren der Universität Bern im Bereich Klima und Nachhaltigkeit fortgeführt – dem Oeschger-Zentrum für Klimaforschung OCCR und dem Centre for Development and Environment CDE.

Forschungsinteresse mit öffentlichem Nutzen verbunden

Der Film vermittelt auch einen Einblick in die Arbeitsweise der Berner Geografinnen und Geografen. In der Wüste, auf den Bergen und in Seen, in Archiven und Labors, in der Stadt Bern und in Afrika und Südamerika: Überall suchen die Forschenden des Geographischen Instituts nach Daten für die Klimaforschung. Sie lassen Satelliten und Messballone fliegen, durchforsten Archive und justieren hoch sensible Instrumentarien, um zu den gesuchten Informationen zu kommen. Nebst dem Forschungsinteresse waren für alle immer auch der Nutzen für die öffentliche Hand wichtig. In den Bereichen Raumplanung, Luftverschmutzung und Waldsterben, Wetterlagen, Klimawandel und Klimafolgen setzten sich die Geografinnen und Geografen mit ganzer Energie ein. Und das oft erfolgreich.

Engagement über die Forschung hinaus

«Die Klimaforschung am Geographischen Institut hat in 50 Jahren viel Wissen geschaffen, Menschen ausgebildet und Entscheidungsträgern Informationen zur Hand geliefert», bilanziert Stefan Brönnimann zum Schluss des Films. Die Protagonistinnen und Protagonisten sind heute in Verwaltung, Schule, Wissenschaft, Politik und Industrie tätig und geben Wissen und Erfahrung im Familienkreis weiter. So lässt sich die Geschichte der Klimaforschung am Geographischen Institut nicht nur als Erfolgsgeschichte mit Resultaten in der internationalen Spitzenforschung erzählen, sondern auch als inspirierendes Gewebe von Lebensgeschichten, die eng mit der Universität Bern verwoben waren und sind.

Wie der Klimawandel die Jahreszeiten verändert

Gleichzeitig zum Film erscheint in diesen Tagen auch die Broschüre «Klimawandel und Jahreszeiten». Neun Beiträge erläutern, wie sich der Klimawandel auf die Veränderungen in den Jahreszeiten auswirkt – konkret auf Pflanzenwelt, Tiere, Landwirtschaft, Gewässer und Schnee. Eine wichtige Grundlage sind hier die phänologischen Beobachtungen bei Pflanzen, Schnee und Nebel, die Freiwillige ebenfalls seit 1970 im Rahmen des BernClim Beobachtungsnetzes erheben.

Film «Über dem Nebel. 50 Jahre Klimaforschung am Geographischen Institut der Universität Bern»

Ein Film von Stefan Brönnimann, produziert am mLAB des Geographischen Instituts der Uni Bern.

Mit Saba Baer, Stefan Brönnimann, Jörg Franke, Martin Grosjean, Morizt Gubler, François Jeanneret, Vreni Jost, Thomas Kunz, Jürg Luterbacher, Hans Mathys, Peter Messerli, Regula Mülchi, Olivia Romppainen-Martius, Christian Pfister, This Rutishauser, Heinz Wanner, Matthias Winiger, Stefan Wunderle und Heinz Zumbühl. Deutsch mit englischen Untertiteln.

https://youtu.be/rcjEkEPX5xE

Broschüre «Klimawandel und Jahreszeiten»

This Rutishauser; Stefan Brönnimann; Regula Gehrig; Barbara Pietragalla; Frederik Baumgarten; Yann Vitasse; Sibylle Stöckli; Christian Pfister; Annelie Holzkämper; Andreas Hund; Dario Fossati; Michael Meier; Rolf Weingartner; Moritz Buchmann (2020). Klimawandel und Jahreszeiten (Reihe G Grundlagenforschung G97). Bern: Geographica Bernensia. DOI: 10.4480/GB2020.G97.01

Zur Broschüre

Interview mit Stefan Brönnimann zum Jubiläums-Filmprojekt in «uniaktuell»:

«In der Klimaforschung spiegelt sich die Umweltgeschichte»

50 Jahre Klimaforschung: Weil die Jubiläumstagung pandemiebedingt ausfallen musste, hat Klimatologie-Professor Stefan Brönnimann einen Film gemacht. Entstanden ist ein sehr persönliches Portrait über Berner Pionierinnen und Pioniere und ein beeindruckendes Stück Wissenschaftsgeschichte.

Zum Interview

 

15.12.2020

Es begann mit den Bedürfnissen der Raumplanung, heute geht es um Klimawandel und Extremereignisse. Aus einer Handvoll Assistenten um Bruno Messerli wurde eine erfolreiche Klimaforschungsgruppe. Wichtige Rollen spielten ein Aufstand in Tschad, die Anit-AKW-Bewegung, das Waldsterben, ein Vulkan in den Anden, der Moossee, und immer wieder: der Nebel.