Aktuelles Online-Magazin Weiterbildung

Beiträge

Rückblick Herbsttagung 2022: Räume der Weiterbildung

An der Herbsttagung des ZUW werden übergreifende, aktuelle Themen der Hochschulweiterbildung beleuchtet. Im Fokus dieses 10. Durchführungsjahrs: Wie hängen Raum und Lernen zusammen? Neue didaktische Formen, die während der Pandemie notwendig waren, stellen gängige Raumkonzepte in Frage. Der zunehmende Wunsch nach zeitlicher Flexibilität, Personalisierung, Inklusion und fortschreitender Digitalisierung verstärken diese Überlegungen. In der Herbsttagung 2022 wurde das Zusammenspiel von Architektur, Technologie und Didaktik in der Weiterbildung diskutiert.

Bericht: Neslihan Steiner, 2022

Wo findet Weiterbildung in Zukunft statt? Wo lernen wir und wo bilden wir uns weiter? Was macht den optimalen Lernraum aus? Diese Fragen zur Lernraumdiskussion haben viele neugierig auf die diesjährige Herbsttagung des ZUW gemacht. Rund 100 Personen, die in der (Hochschul-)Weiterbildung tätig sind oder sich mit Innovation in der Weiterbildung befassen sowie Personen, die sich mit der Entwicklung von Hochschulinfrastruktur auseinandersetzen oder Lehr- und Lernszenarien an Hochschulen entwickeln, haben am 11. November 2022 an der Tagung teilgenommen – und wurden auch selbst aktiv in diversen Workshops.

Doch warum ist die Lernraumdiskussion relevant? Entsprechen die heutigen Raumkonzepte in der Erwachsenenweiterbildung auch den Bedürfnissen von morgen, gerade angesichts Zoom-Breakout-Räumen und dem Metaverse? Wichtige Fragen, die im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der Weiterbildung und des Lifelong Learnings diskutiert werden müssen, wie Prof. Dr. Virginia Richter, Mitglied der Universitätsleitung und Vizerektorin Entwicklung, in ihrer Begrüssungsrede betonte.

Räume für zukünftige Kund:innen strategisch und kreativ planen

Die Diskussion um die Bedeutung des Raums für das Lernen ist nichts Neues: Bereits in den 1950er Jahren wurden für das Gelingen der Erwachsenenweiterbildung Raum, Ort und Ausstattung als essenziell angesehen. Auch die Universität Bern macht sich mit dem Infrastrukturprojekt Gedanken, wie die Weiterbildung im Jahr 2035 untergebracht werden soll. Anhand dieses praktischen Beispiels zeigte Dr. Christina Cuonz, Direktorin des Zentrums für universitäre Weiterbildung der Universität Bern auf, wie verschiedene Stakeholder in den Planungsprozess miteinbezogen werden müssen, damit sie eine Gelegenheit haben, ihre Bedürfnisse an die neuen Räumlichkeiten einzubringen.

Prof. Dr. Virginia Richter, Vizerektorin Entwicklung und Dr. Christina Cuonz, Direktorin des Zentrums für universitäre Weiterbildung der Universität Bern

Veränderte Raumwahrnehmung durch die Pandemie

In den letzten Pandemiejahren hat sich unser Raumverständnis verändert, da digitale Räume gezwungenermassen eine andere Bedeutung erhielten und existierende Räume anders genutzt werden mussten. Berechtigterweise kommt da die Frage auf, inwiefern es physische Räume in der Weiterbildung noch braucht und wenn es sie braucht, wofür und in welcher Form? „Der physische Raum kann ignoriert, aber nicht verlassen werden.“ Diese simple, aber entscheidende Feststellung von Prof. Dr. Richard Stang, der an der Herbsttagung mit seiner Keynote-Rede „Lernwelten der Zukunft gestalten – Weiterbildung räumlich rahmen“ spannende und anschauliche Beispiele für die Teilnehmenden mitgebracht hat, bringt es auf den Punkt: Selbst wenn digital gelernt wird, befindet man sich in einem physischen Raum, der etwas mit einem macht. Die Wahrnehmung der Umgebung und die damit verbundenen Werte und Emotionen prägen unsere Erlebnisse. Ob im Restaurant, beim Einkaufen oder beim Lernen: Wo man sich wohlfühlt, dort verweilt man länger, konsumiert mehr, lernt besser.

Die Gestaltung von Räumen kann man gemäss den beiden Leitsätzen aus Design und Architektur erfolgen: Die Form lässt sich aus ihrer Funktion, also ihrem Nutzzweck ableiten (form follows function), oder man kann aus der Form auch eine Funktion ableiten (function follows form). Für Lernräume bedeutet das: Entweder bestimmt die Didaktik die Gestaltung des Raums oder die Gestaltung des Raums bestimmt die Didaktik. Prof. Richard Stang appelliert für das erstere: „Der Raum soll nicht vorschreiben, was man dort macht.“  Zu diesem Entschluss kommen auch die Teilnehmenden des Workshops von Julie Harboe, Zukunftslabor CreaLab der Hochschule Luzern. Sie entführte die Teilnehmenden in verschiedene Lernräume an der Universität Bern und gab Denkanstösse, wie man um die Konventionen herumkommt, die in schulischen Räumen eingebaut sind. Sie sensibilisierte und schärfte den Blick, wie Räume neu gesehen und erlebt werden können, sodass sie neue Lernformen stimulieren und motivieren.

Julie Harboe, Zukunftslabor CreaLab der Hochschule Luzern

Kreative Workshops als aktive Impulsgeber

Die Herbsttagung hielt dieses Jahr vier Workshops bereit, die alle kurzweilig waren und eine gelungene Mischung aus Theorie und praktischen Übungen boten. Die Teilnehmenden konnten jeweils drei Workshops wählen, die sie besuchen wollten. Der Fokus lag bei allen auf der didaktischen Methode und wie man mit der Auswahl der geeigneten Methode den Raum bespielen kann.

Bei Daniel Osterwalder von visualdynamics stand die Frage „Wie sieht mein Lernraum der Zukunft aus?“ im Fokus. Er lud die Teilnehmenden ein, mit ihren Händen zu denken und mit der Methode von Lego Serious Play diesen Fragen spielerisch und mit einem anderen Zugang zu begegnen. Diese Methode ermöglichte den Dialog mit dem Sitznachbarn oder der Sitznachbarin, da man im zweiten Schritt zwei Modelle zusammengeführt und gemeinsam etwas Bestehendes weiterentwickelt hat. Die Teilnehmenden waren überrascht, welche Assoziationen erst beim Tun entstehen. Ein auflockernder, kreativer und überraschender Workshop, der für frische Ideen sorgte.

Im Workshop von Dr. Roman Suter vom Zentrum für universitäre Weiterbildung wurde der Raum für eine Diskussion mittels der Fish-Bowl-Methode genutzt. „Braucht es die Begegnung im physischen Raum noch oder funktioniert sie auch online?“ Diese Frage diskutierte eine kleine Gruppe von Teilnehmenden im Innenkreis (im „Goldfisch-Glas“), während die restlichen Teilnehmenden im Aussenkreis die Diskussion beobachteten. Wer aus dem Aussenkreis zur Diskussion beitragen wollte, durfte den „Gast-Stuhl“ einnehmen. Den Teilnehmenden wurde schnell klar, dass diese Methode digital nie so funktioniert hätte, wie vor Ort. Diese Form der Diskussion in dieser speziellen Fish Bowl Sitzordnung erfordert eine hohe Achtsamkeit und Sozialkompetenz, die ausgeprägter ist, wenn alle Sinne angesprochen werden.

Bewegen, Bauen, Diskutieren, still Reflektieren: Letzteres konnte man im Workshop von PD Dr. André Klostermann, Zentrum für universitäre Weiterbildung. In seinem Workshop konnten die Teilnehmenden mittels der Placemat-Methode in die Stille eintauchen und über die Funktion des „sich Begegnens“ in der Weiterbildung reflektieren. Diese stille Brainstorming-Methode, bei der alle Teilnehmenden zuerst ihre Ideen für sich selbst erarbeiten, und dann erst zusammentragen, hat den Vorteil, dass die Teilnehmenden nicht von den Meinungen und Ansichten der r anderen beeinflusst werden.

Workshops: Fishbowl, Silent brainstorming und Lego serious play

Lernen und weiterbilden mit allen Sinnen

Die Herbsttagung zeigte auf eine anschauliche Art und Weise, wie Raum und Sinneserfahrungen zusammenhängen. Dr. Bernd Eichinger, Leiter Hochschulentwicklungsprojekt FHNW, hielt in seiner Tagungsbeobachtung fest, dass Räume sowohl Möglichkeitsräume bieten, aber auch Herausforderungen stellen können. An der Herbsttagung konnten die Teilnehmenden an einem Nachmittag in unterschiedlichste Settings eintauchen: Vom Frontalvortrag in der Aula zu den vier verschiedenen didaktischen Methoden, die in unterschiedlichen Räumen zum Einsatz kamen.

Inspiriert vom Untertitel der Herbsttagung „Vor Ort spielt die Musik“, regte Bernd Eichinger an, sich als Weiterbildungsanbietende immer die Frage zu stellen: Welche Art von Musik? Ein Orchester mit einem Dirigenten vorne oder eine individuelle und facettenreiche Jazz Band? Für jeden Anlass gibt es die richtige Musik – wie es für jedes Lernszenario eine angepasste Lernlandschaft geben kann. Die Kunst liegt darin, seine räumlichen Möglichkeiten kreativ zu hinterfragen und bereit zu sein, verschiedene didaktischen Methoden auszuprobieren, die den Teilnehmenden einen Mehrwert bieten.  

Zur Veranstaltung

Die in der Regel im November durchgeführte Herbsttagung des Zentrums für universitäre Weiterbildung ZUW widmet sich seit 2010 übergreifenden, aktuellen Themen der Hochschulweiterbildung.

Save the Date: Die nächste Herbsttagung findet am Freitag, 10. November 2023 statt.
Mehr zur Herbsttagung 2022 und den vorangehenden Tagungen.

Zur Autorin

Neslihan Steiner ist Mitarbeiterin der Stabsstelle Kommunikation des Zentrums für universitäre Weiterbildung ZUW.