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Von der Weiterbildung zum begehrten Grant

Damit sich die Schweiz als Wissenschaftsstandort weiterhin behaupten kann, gilt es, beste Rahmenbedingungen für Forschende zu schaffen und dabei den wissenschaftlichen Nachwuchs weiterzubilden und zu fördern. Zwei Teilnehmende des CAS Clinical Research in Health Care Organisations schildern ihre Beweggründe für eine Weiterbildung an der Universität Bern. Erfahren Sie im Interview ausserdem, wie sie einen bedeutenden Forschungsgrant gewonnen haben und was sie damit im Bereich der klinischen Forschung bewegen möchten.

Beitrag: Neslihan Steiner, 2022

Wie können Erkrankungen schneller erkannt, besser behandelt oder gar verhindert werden? Für viele Pathologien gibt es noch keine wirksamen Medikamente oder nur eingeschränkte diagnostische Möglichkeiten, weshalb die klinische Forschung hier eine Schlüsselrolle einnimmt. Klinische Studien werden durchgeführt, um zu prüfen, wie wirksam, verträglich und sicher neue Medikamente sind oder um verschiedene Behandlungs- oder Untersuchungsmöglichkeiten miteinander zu vergleichen. Somit schlagen sie die Brücke von der medizinischen Forschung zum Patientenwohl.

Ärztinnen und Ärzte, die in der klinischen Forschung tätig sind oder es sein möchten, sehen sich mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert: Neben Zeitmangel, insbesondere während der medizinischen Aus- und Weiterbildung und dem klinischen Berufsalltag, ist die knappe Finanzierung von Forschungsprojekten ein weiterer Hinderungsgrund. Interessierte Ärztinnen und Ärzte müssen sich die notwendigen theoretischen und praktischen Fähigkeiten weitgehend selbständig aneignen. Für alle, die in die patientenorientierte Forschung einsteigen und damit zur Verbesserung der Qualität der klinischen Forschung in der Schweiz beitragen möchten, eignet sich der Weiterbildungsstudiengang CAS Clinical Research in Health Care Organisations.

Dr. med. Bernhard Siepen und Dr. med. Martina Göldlin, beide tätig an der Universitätsklinik für Neurologie des Universitätsspitals Bern und im Rahmen ihres PhD-Curriculums auch Teilnehmende des Weiterbildungsstudiengangs CAS Clinical Research, haben im Rahmen einer Ausschreibung 2020 der Gottfried und Julia Bangerter-Rhyner-Stiftung und der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (siehe Info-Box) einen begehrten «Beginner Grant» sowie ein «Project Grant» gewonnen.

Wir haben mit ihnen über ihre Beweggründe für eine Weiterbildung, ihre Erwartungen, Erfahrungen und die Bedeutung dieser Grants für ihre forschende Tätigkeit gesprochen. Ausserdem verrät Prof. Marcel Zwahlen, Studiengangsleiter, was ihn an seinem Fachgebiet begeistert und was er den Weiterbildungsteilnehmenden des CAS Clinical Research vermitteln möchte.

Dr. med. Bernhard Siepen und Dr. med. Martina Göldlin

Warum haben Sie den CAS Clinical Research gewählt und wurden Ihre Erwartungen erfüllt?

Dr. med. Bernhard Siepen: «Mir wurde die Teilnahme an der CAS-Durchführung 2020/2021 von meinem Supervisor empfohlen. Der Hauptgrund war, dass die 15 ECTS dieses CAS im Rahmen des PhD-Programms angerechnet werden können. Das ausgeschriebene Kursprogramm erschien mir als Vorbereitung für einen PhD sehr passend. Als jemand, der noch am Beginn seiner Forschungsvorhaben steht, war die Vielfalt der unterschiedlichen Kursmodule von Biostatistik bis zur klinischen Projektplanung sehr spannend. Meine Erwartungen wurden beeinflusst durch die Pandemie, denn ein Grossteil der Kurse fand via Zoom statt. Der persönliche Austausch hat darunter leider etwas gelitten.»  

Dr. med. Martina Göldlin: «Auch für mich war die Empfehlung meines Supervisors entscheidend, im 2019 den CAS-Studiengang anzufangen. Mit dem einzigartigen 50:50-Modell der Graduate School for Health Sciences der Universität Bern ist es uns möglich, während 4 Jahren klinische Weiterbildung mit patientenorientierter Forschung zu kombinieren. So können wir die klinische Erfahrung in die Forschung einfliessen lassen und umgekehrt. Von den Statistikkursen habe ich sehr profitiert. Die Grundlagen aus dem CAS haben mich mit Problemlösungsstrategien gewappnet, heute eigenständig die passende Methodik zu finden und anzuwenden.»

Was waren Ihre wertvollsten Lernerfahrungen?

Dr. med. Bernhard Siepen: «Neben den Biostatistik-Modulen ist bei mir vor allem das Modul "Writing a Study Protocol" in Erinnerung geblieben – wohl nicht zuletzt, weil es im Präsenzmodus stattgefunden hat. Es war ein sehr spannender, interaktiver und lebendiger Kurs, bei dem die Teilnehmenden rege mitgemacht haben. Abgesehen davon behalte ich den Kurs, der sich mit der Erstellung einer eigenen Datenbank in REDCap befasste, in guter Erinnerung.»

Dr. med. Martina Göldlin: «Networking ist ein deklariertes Ziel dieses CAS. Wir haben vor der Pandemie begonnen und der persönliche Austausch, die gegenseitige Unterstützung waren sehr wertvoll. Das hat man ganz klar gemerkt, als dann in den Online-Modus gewechselt werden musste. Die hands-on Lernerfahrung war auch für mich am stärksten beim Modul "Writing a Study Protocol". Neben praktischen Tipps zum Umsetzen eines Papers haben wir auch Strategien erlernt, wie man sich organisiert, damit man nicht in einen Writers Block kommt. Eine spannende Lernerfahrung bot sich auch im Epidemiologie-Kurs: Hier wurde mir am Beispiel einer Mitstudierenden bewusst, dass man sich durchaus etwas zutrauen darf. Die Limite, was wir können oder vermeintlich nicht können, setzen wir selber.»

Welchen beruflichen und persönlichen Nutzen hat ihnen die Teilnahme am CAS Clinical Research gebracht?

Dr. med. Martina Göldlin: «Ein Teil der Teilnehmenden dieses CAS strebt, wie wir, einen PhD an und erlangt in diesem Zusammenhang die ECTS, jedoch nicht den Titel CAS Clinical Research. Wenn man gerne Forschung macht, helfen Techniken und Strategien, wie man qualitativ gute und möglichst effiziente Forschung macht, sehr. Man kann die ohnehin knappe Zeit besser nutzen.»

Was bedeutet Ihnen der gewonnene Grant des Förderprogramms Young Talents in Clinical Research (YTCR) und wofür werden Sie es einsetzen?

Dr. med. Martina Göldlin: «Nach dem 'Beginner Grant' im Jahr 2018 habe ich darauf aufbauend im 2020 den 'Project Grant' für ein anschliessendes, eigenes Forschungsprojekt gewonnen. Schon im Studium wusste ich, dass ich forschen möchte, und wurde damals von meinem Supervisor auf dieses Förderprogramm aufmerksam gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war es das einzige Programm, das Jungforscher praktisch ohne Forschungserfahrung unterstützt, indem geschützte Forschungszeit ermöglicht wird. Geschützte Forschungszeit bedeutet, dass man in der Zeit keine Aufgaben in der Patientenbetreuung übernimmt. Zeit ist tatsächlich die grösste Hürde für uns: Neben der vertraglichen 50-Stundenwoche, die wir im Spital haben, versuchen wir Expertise in unserem Forschungsgebiet aufzubauen. Ohne geschützte Forschungszeit findet Forschung in der Freizeit statt. Dieser Grant ist DIE Chance für uns. In meinem eigenen Forschungsprojekt geht es um den Einsatz von Hochfeld-MRI, um Patienten mit Hirnblutungen, die durch eine Kleingefässerkrankung bedingt sind, genauer zu charakterisieren.»

Dr. med. Bernhard Siepen: «Ich habe im Jahr 2020 den 'Beginner Grant' und damit die Finanzierung von 'protected research time' gewonnen. Das bedeutet, dass ich von der klinischen Tätigkeit über einen Zeitraum von mehreren Monaten freigestellt werden kann, um meine eigenen Forschungsprojekte voranzubringen. In der Neurologischen Abteilung wird man in seinen Forschungsvorhaben – gerade als Beginner – sehr unterstützt und auch auf die verschiedenen Grants aufmerksam gemacht. Mein eigenes Projekt ist ebenfalls in der neurovaskulären Forschung angesiedelt und beschäftigt sich mit Hirnblutungen unter Einfluss von blutgerinnungshemmenden Medikamenten.»

Prof. Marcel Zwahlen (links), Dr. Bernhard Siepen und Dr. Martina Göldlin (rechts)

Prof. Marcel Zwahlen, Direktor a.i. des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin und Studiengangsleiter des CAS Clinical Research

Professor Zwahlen, warum begeistert Sie Ihr Fachgebiet?

«Mein heutiges Fachgebiet ist die Epidemiologie, Biostatistik und Methodik, aber ich komme ursprünglich aus einer ganz anderen Ecke: der Physik. So habe ich auch ordentlich gelernt zu rechnen und landete eher per Zufall im Gesundheitswesen. Studien gut zu planen und umzusetzen gehört zu meinem Fachgebiet. Verlässliche Numerik ist grundlegend für solide und brauchbare Studienresultate. Welche Behandlung wirkt besser als eine andere? Welches Verfahren ist besser für die Diagnose? Hat man erst mal die Daten, werden sie unter Einbezug der Studienanlage interpretiert. Über meine Arbeit pflege ich gerne zu sagen: Es ist gehobenes Rechnen mit Menschen.» 

Was macht für Sie den Anreiz aus, sich in der Weiterbildung zu engagieren und eine Studienleitung zu übernehmen?

«In Gesprächen mit Prof. Dr. Matthias Egger, dem ehemaligen Leiter des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin an der Universität Bern, diversen Klinikchefs des Inselspitals und dem Direktor der Clinical Trials Unit haben wir den Bedarf nach dieser Weiterbildung erkannt. Junge Ärztinnen und Ärzte, die akademische Karriere machen wollen, müssen das saubere Handwerk der klinischen Forschung lernen. Im Medizinstudium lernen sie, wie man Menschen behandelt, aber der Forschungsteil wird in der Ausbildung sehr klein gehalten. Es macht mir grossen Spass, die nächste Generation von klinisch Forschenden weiterzubilden, die aus eigenem Antrieb und hochmotiviert in unsere Weiterbildungen kommen.»

Worin liegen für Sie die besonderen Herausforderungen bei der Leitung eines Weiterbildungsstudiengangs?

«Die berufsbegleitende Komponente von Weiterbildungen ist nicht nur für Teilnehmende, sondern auch für Anbietende eine Herausforderung. Zeitmanagement ist ein grosser Knackpunkt, denn in Kliniken tätige Personen brauchen die Kursdaten weit im Voraus. Mit jedem Semester wurden wir aber erfahrener und sind inzwischen sehr gut in der logistischen Planung. Für unsere Zielgruppe haben sich 3-Tages-Module sehr bewährt.»

Was möchten Sie den Weiterbildungsteilnehmenden des CAS Clinical Research vermitteln?

«Ein Ziel ist es, dass sie kurzfristig das solide Handwerk der klinischen Forschung lernen, mittelfristig selber grössere Projekte leiten und dabei Komponenten einer guten Studie delegieren können. Neben dem handwerklichen Können ist es mir wichtig, Werte zu vermitteln. Dazu gehört, generell eine gesunde kritische Haltung zur Wissenschaft zu haben. Gute Forschung beruht darauf, nicht immer alles zu glauben, sondern kritisch zu hinterfragen, weiterzuforschen. Ich finde es selber sehr faszinierend, an der Grenze von Bekanntem und Unbekannten zu arbeiten, wo man sich nicht immer sicher ist, was dabei herauskommt. Wenn ich neben der Vermittlung der nötigen Toolbox auch das kritische Denken bei meinen Teilnehmenden fördern kann, bin ich zufrieden.»

Worauf dürfen sich angehende Teilnehmende freuen?

«Auf eine stimulierende Lernatmosphäre, in der man nicht nur vom Wissen der Professoren, sondern der gesamten Gruppe profitieren kann. Unsere Teilnehmendenzahl beträgt im Schnitt 15 Personen – das scheint eine ideale Grösse zu sein, um sich untereinander gut kennenzulernen und zu vernetzen. Bei unseren Weiterbildungen geht es nicht nur um reine Wissensvermittlung. Wir besprechen gerne auch in Workshop-Settings eigene Projekte der Teilnehmenden, machen Verbesserungsvorschläge, geben Inputs bei der Datenauswertung und –Interpretation. Das sind nur einige der vielen Vorteile von kleineren Gruppen.»

CAS Clinical Research in Health Care Organisations

Im April 2022 startet der nächste Durchgang des CAS Clinical Research in Health Care Organisations.
Die mit der Absolvierung des Weiterbildungsstudiengangs erworbenen ETCS-Punkte ermächtigen entweder zum Erwerb des Zertifikats «Certificate of Advanced Studies in Clinical Research in Health Care Organisations, University of Bern (CAS CRHCO Unibe)» oder können alternativ für

den Erwerb des PhD in Health Sciences angerechnet werden.
Mehr zum CAS Clincal Research

Förderprogramm Young Talents in Clinical Research (YTCR)

Gemeinsam mit der Gottfried und Julia Bangerter-Rhyner-Stiftung hat die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) 2017 das Förderprogramm Young Talents in Clinical Research (YTCR) lanciert, um junge Ärztinnen und Ärzte für erste Schritte in der klinischen Forschung zu motivieren. 
Am Ende der ersten Förderperiode (2017 –

2020) hat die Bangerter-Stiftung die Finanzierung für weitere vier Jahre (2021 – 2024) mit einer grosszügigen Summe von total 4 Millionen Franken zugesichert, um «protected research time» und Beiträge für eigenständige Forschungsprojekte zu finanzieren.

Zur Autorin

Neslihan Steiner ist Mitarbeiterin der Stabsstelle Kommunikation des Zentrums für universitäre Weiterbildung ZUW.