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Mit Charme und Entschlossenheit ans Ziel

Als eine der ersten Frauen hat Derya Bastas-Rösch an der Universität Bern den CAS-Studiengang zur ICT-Beschaffung absolviert – und hat es bis heute nicht bereut: Sie hat sich damit das Rüstzeug für ihren Job als Strategic Procurement Managerin bei der PostFinance geholt.

Von Astrid Tomczak-Plewka, 2018

Im Porträt: Derya Bastas-Rösch, Absolventin CAS-Studiengang ICT-Beschaffungen

«Halbe Sachen gibt es bei mir nicht», sagt Derya Bastas-Rösch. Und trotz ihres offenen Lachens und ihrer herzlichen Art, auf Menschen zuzugehen, zweifelt man keine Sekunde an der bedingungslosen Entschlossenheit dieser Frau. Seit knapp fünf Monaten arbeitet die 42-Jährige im Strategic Procurement von PostFinance und sorgt dafür, dass die «internen Partner» das bekommen, was sie brauchen. Das kann eine neue Software, eine IT-Beratung oder eine Kommunikationskampagne sein. «Am Schluss eines Beschaffungsprozesses steht ein verhandelter Vertrag», erklärt Bastas. «Je verbindlicher dieser formuliert ist, umso einfacher ist es für alle Beteiligten.» Damit ist klar: Beschaffungen sind weit komplexer als etwa der Wocheneinkauf für eine Familie. Zur Illustration nimmt Derya Bastas-Rösch Bezug auf ein Alltagsgeschäft. Wer sich privat einen neuen Kühlschrank anschafft, sollte sich überlegen, wie gross und leistungsfähig dieser sein soll, Anbieter vergleichen, die Lebensdauer definieren – und im Idealfall auch bereits die Entsorgung antizipieren.

Komplexe Beschaffungsgeschäfte können bis zu zwei Jahre dauern

Im täglichen Leben haben wir die einzelnen Schritte eines solchen Kaufs verinnerlicht und handeln ohne detaillierte Planung. Komplexe Beschaffungsgeschäfte hingegen müssen gut geplant sein und können bis zu zwei Jahre dauern. Jeder einzelne Schritt – von der Planung bis zum Abschluss – setzt spezifisches Knowhow voraus. Wissen und Kenntnisse, die sich Derya Bastas-Rösch im Laufe ihrer Berufskarriere erworben hat. Die Deutsch-Türkin hat in Deutschland eine Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht und ist schon mit 23 Jahren in den Einkauf «gerutscht», wie sie sagt. Die Konsequenz daraus: Eine Weiterbildung zur diplomierten Einkäuferin. «Diese Ausbildung ist sehr praxisbezogen nach dem Prinzip learning by doing», betont sie. Der Praxisbezug war und ist ihr sehr wichtig. Ausbildungen nur um des Titels willen, das ist nichts für sie. «Es muss schon was bringen», sagt sie, die praktisch jede Gelegenheit genutzt hat, Neues zu lernen, sei es durch interne oder externe Weiterbildungen. Und, hat es immer etwas gebracht? Derya Bastas-Rösch denkt nach. «Manchmal kann man vielleicht nicht alles zu hundert Prozent sofort anwenden, sondern erst später», sagt sie. «Aber ich konnte immer irgendwie profitieren.» Und sei es auch nur von neuen Kontakten: «Nichts geht über ein gutes Netzwerk.»

Wie so viele andere ist Derya Bastas-Rösch der Liebe wegen in die Schweiz gezogen – «das ist doch ein schöner Grund, oder?» – und hat 2010 bei der SBB als strategische Einkäuferin für Telekomsysteme angefangen. Sie hat beim Vorstellungsgespräch schnell gemerkt, dass ihr eine «gewisse Komplexität und Schwierigkeit» liegt. «Kein Kies und Schotter», wehrt sie lachend ab. Derya Bastas-Rösch kennt keine Berührungsängste, wenn es um neue Technologien und die Digitalisierung geht. Deshalb war sie auch sofort interessiert, als sie vom neuen CAS ICT-Beschaffungen der Universität Bern hörte. «Insbesondere die juristischen und technischen Komponenten haben mich angesprochen», sagt sie. «Wie funktioniert ein erfolgreiches Outsourcing? Wie entwickelt man eine IT-Strategie?» Dass sie im rund 30-köpfigen Klassenverband die einzige Frau war, habe sich kaum bemerkbar gemacht – oder höchstens positiv: «Ich konnte manchmal den Lead in Gruppenarbeiten übernehmen, weil Männer sich eher in Details verlieren.» Sehr positiv hat sie den Austausch unter den Teilnehmern erlebt – den sie auch heute noch aktiv mit drei Mitabsolventen pflegt: Da ist er wieder, der Netzwerkgedanke.

Derya Bastas-Rösch: Durch den CAS bin ich sicherer geworden in dem, was ich tue.

Die Business Risk Managerin als Coach

Zwar hat Derya Bastas-Rösch schon vor ihrer Weiterbildung komplexe Beschaffungsgeschäfte verantwortet. Aber: «Durch den CAS bin ich sicherer geworden in dem, was ich tue. Ich führe mir die Prozessabläufe klarer vor Augen und kann die Prozesse besser begleiten.» Sie sieht sich nicht zuletzt auch als Coach für die diversen Projektleitenden. «Ich will sie herausfordern», so Bastas-Rösch, «und voranbringen.» Viel habe sie durch ihre Abschlussarbeit zu «Chancen und Risiken bei ICT-Beschaffungen» gelernt. «Dadurch ist mir erst richtig bewusst geworden, dass jedes Beschaffungsgeschäft Risiken birgt, die uns unbewusst in Entscheidungen beeinflussen.» Daraus hat sich dann auch der Jobwechsel beziehungsweise zunächst eine einjährige Stage innerhalb der SBB als Business Risk Managerin ergeben. «Ich wollte das Erlernte aus der Abschlussarbeit im Business Risk Management anwenden. Nach Abschluss der Stage habe ich mir überlegt, welche Branchen von meinem Know-how profitieren könnten.» Schnell ist sie aufs Bankengeschäft gekommen und hat sich erfolgreich bei PostFinance beworben. Dort ist sie zu 80 Prozent angestellt, die Betreuung ihrer viereinhalbjährigen Tochter teilt sie sich mit ihrem Mann und der Kita. Wenn sie auf ihre Weiterbildung zurückblickt, spricht sie eine bedingungslose Empfehlung aus – für Projektleiterinnen und Projektleiter, Einkaufs-Verantwortliche, aber auch für selbständige Consultants. Eine kleine Anregung an die Adresse der Kursverantwortlichen hätte sie dennoch: «Vielleicht könnte man in jedem Modul eine kleine Arbeit schreiben, statt nur auf die Abschlussarbeit zu fokussieren.» Dadurch wäre der Lerneffekt vermutlich noch grösser. Klar ist schon jetzt: Derya BastasRösch hat noch nicht ausgelernt. Was steht auf ihrer Wunschliste? Eine Vertiefung im Bereich Strategie und Nutzwertanalyse vielleicht, ein noch etwas tieferer Einblick in die technischen Abläufe bei der ICT-Beschaffung. Und wo will sie in fünf Jahren stehen? Derya Bastas-Rösch lacht wieder ihr offenes Lachen, zögert etwas. «Ich möchte im Einkauf bleiben, das ist sehr abwechslungsreich», sagt sie schliesslich. «Vielleicht eine Führungsaufgabe übernehmen.» Man zweifelt nicht daran, dass sie ihr Ziel erreichen wird. Denn bei Derya Bastas-Rösch gibt es keine halben Sachen.

Die Beschaffung von Informatiklösungen stellt insbesondere im öffentlichen Sektor eine grosse Herausforderung dar. Neben der technischen Komplexität solcher Systeme gibt die Beschaffungsgesetzgebung zahlreiche Regelungen vor, die sowohl die Behörden wie auch die Anbieter einhalten müssen. Die Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern hat den Bedarf nach einer fundierten Weiterbildung zu Beschaffung von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) erkannt und ein Certificate of Advanced Studies (CAS) entwickelt. Mit Unterstützung des Bundesamts für Bauten und Logistik (BBL) und der Schweizerischen Informatikkonferenz (SIK) führte die Universität Bern im Jahr 2015 erstmals den berufsbegleitenden, 16-tägigen Studiengang «CAS ICT-Beschaffungen» durch. Darya Bastas-Rösch war eine der ersten Absolventinnen – mittlerweile sind ihr zahlreiche Frauen gefolgt.

In den letzten Jahren hat die Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit das Angebot um Weiterbildungstage und Roundtables erweitert. Die Roundtables richten sich an Fach- und Führungskräfte mit Beschaffungsverantwortung und bieten als Abendveranstaltungen die ideale Plattform für den Erfahrungsaustausch zwischen den Referentinnen, Referenten und den Teilnehmenden. Profilierte Fachleute, Entscheidungsträger und Expertinnen diskutieren dabei jeweils ein aktuelles Thema aus dem Bereich der ICTBeschaffungen. Ausserdem soll ab 2019 ein eidgenössischer Fachausweis «Spezialist/-in öffentliche Beschaffung» angeboten werden. Aus diesem Grund ist geplant, den CAS ICT-Beschaffungen anzupassen und zu einem Master of Advanced Studies MAS auszubauen.

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