Porträts Kathrin Summermatter

Porträts

Wissen vermitteln, um Ängste zu nehmen

Das Fachgebiet von Kathrin Summermatter fand früher wenig Beachtung in der Öffentlichkeit. Nun interessiert sich plötzlich eine breite Bevölkerung dafür. Als Leiterin des Biosicherheitszentrums am Institut für Infektionskrankheiten (IFIK) der Universität Bern weiss die Mikrobiologin, wie man sich vor Infektionserregern am besten schützen kann.

Von Barbara Vonarburg

Zuhause arbeiten während der Corona-Krise ist für Kathrin Summermatter kaum möglich. Sie wird im Labor des Instituts für Infektionskrankheiten (IFIK) auf dem Gelände des Inselspitals in Bern gebraucht, wenn Fragen zur Handhabung einer Probe auftauchen, oder sie muss vor Ort sein, wenn andere Universitätsinstitute Fragen zum Einsatz von Schutzmassnahmen stellen. «Man muss sich die Situation gemeinsam anschauen können, da ist Home-Office nicht das Richtige», sagt die Leiterin des Biosicherheitszentrums im sitem-insel des IFIK. Sie selbst hat keine Angst vor einer Ansteckung mit dem neuen Corona-Virus, meidet aber seit Ende Februar vorsichtshalber den öffentlichen Verkehr, befolgt die Richtlinien des BAG, und fährt bei jedem Wetter mit dem Velo zur Arbeit.

Geändert hat sich auch ihr Tagesablauf. Früher verlief er meist nach Plan mit vielen, im voraus festgesetzten Terminen für Treffen; jetzt sind diese Meetings abgesagt, und die Planung ist schwierig geworden. «Wir müssen schnell reagieren und versuchen zu helfen, wo und wann immer es geht», sagt Kathrin Summermatter. Bisher war Biosicherheit vor allem im Labor wichtig, wo mit infektiösen Reagenzien gearbeitet wird. Durch die Pandemie sei dieses Thema nun aus dem Hintergrund ins Rampenlicht gerückt und plötzlich einer breiten Bevölkerung bewusst geworden, sagt die Mikrobiologin: «Wie übertrage ich als Mensch Infektionserreger und wie kann ich mich schützen? Solche Fragen stellen sich nun alle.»

Verunsichertes Reinigungspersonal

Dadurch wurden Summermatter und ihr Team mit neuen Problemen konfrontiert – zum Beispiel mit der Verunsicherung beim Reinigungspersonal, das die Büros von Corona-Infizierten putzen und desinfizieren musste. Die Fachleute versuchten, mithilfe der vielen wissenschaftlichen Grundlagen zu zeigen, dass man sich bei dieser Aufgabe sicher fühlen kann und keine Angst haben muss, krank zu werden. «Solche Fragestellungen wurden bisher nie an uns herangetragen und haben uns in den letzten Monaten ziemlich gefordert», sagt die Biosicherheitsexpertin.

Wissen vermitteln, um Ängste zu nehmen, ist Summermatter ein grosses Anliegen. Auch im Bekanntenkreis wird sie zurzeit immer wieder um Rat gefragt, wie man sich verhalten soll, um gesund zu bleiben. «Geh jeden Tag eine halbe Stunde spazieren und besuch keine überfüllten Geschäfte», empfiehlt sie. Doch sie ist sich bewusst, dass die Wissenschaft alleine die Verunsicherung in der Bevölkerung nicht beseitigen kann. Oft sage die Datenlage etwas anderes aus, als Nichtfachleute wahrnähmen. So belegten beispielsweise viele wissenschaftliche Daten, dass gesunde Menschen keine Maske bräuchten, um sich vor einer Ansteckung zu schützen. Die Maske diene vielmehr dem Schutz der anderen: Wer infiziert ist, kann durch das Tragen einer Maske andere schützen. Summermatter meint aber auch: «Wenn genügend Masken vorhanden sind, soll eine Maske anziehen, wer unbedingt will, wenn sie oder er sich vor einer Ansteckung so sicherer fühlt.»

Für die WHO auf Pocken-Inspektion

In der Corona-Krise ist die Einschätzung der Expertin für Biosicherheit auch bei den Medien gefragt, etwa wenn behauptet wird, das neue Virus stamme aus einem Labor. «Da habe ich mich klar geäussert, dass dies meiner Meinung nach sehr unwahrscheinlich ist», sagt Summermatter. Sie hat für die Weltgesundheitsorganisation WHO Labors in China, den USA und Russland inspiziert und dabei unter anderem überprüft, ob der Umgang der Forschenden mit den äusserst gefährlichen Pockenviren sicher ist. Sie kennt sich international also bestens aus und verfolgt zudem seit 20 Jahren Laborzwischenfälle und deren Auswirkungen. So untersuchte sie den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche 2007 in England, als der Erreger aus einem tiermedizinischen Labor in die Umwelt gelangt war. Damals arbeitete sie als stellvertretende Direktorin am Institut für Virologie und Immunologie in Mittelhäusern.

Aufgewachsen ist Kathrin Summermatter im Wallis. Nach dem Besuch des Kollegiums in Brig studierte sie in Freiburg Biologie, machte eine Doktorarbeit in Mikrobiologie und arbeitete anschliessend beim Bund an der Gesetzgebung für die Biosicherheit in Labors mit. Während 17 Jahren leitete sie danach im Hochsicherheitslabor in Mittelhäusern den Bereich Sicherheit; im Juli 2019 gründete sie das Biosicherheitszentrum des IFIK. Die Berge haben sie seit ihrer Kindheit nie mehr losgelassen. Schneeschuhlaufen im Winter und Biken im Sommer sind ihre Hobbies – und das Töpfern. «Das Element Erde zwischen den Fingern haben, etwas gestalten und am Abend sehen, was man gemacht hat – das ist für mich ein schöner Ausgleich zur Arbeit», sagt Summermatter.

Essen im Gartenrestaurant

Doch momentan bleibt kaum Zeit für Erholung. «Für mich persönlich bedeuten die zusätzlichen Aufgaben keine Belastung, sondern eher eine Wertschätzung unseres Berufs», sagt die Biosicherheitsexpertin. Auch mit den strengen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie kann sie gut leben: «Ich habe keine Beeinträchtigung in meiner persönlichen Freiheit gespürt.» Nur die Ferien musste sie absagen – «ein kleiner Beitrag im Vergleich zu dem, was in anderen Bereichen gefordert wird.»

Dass sich die Schweizer Bevölkerung so gut an die Vorgaben der Behörden hält, freut Summermatter. Sie ist überzeugt, dass die erhöhten Hygienemassnahmen uns auch in den nächsten Jahren und sogar Jahrzehnten begleiten werden. «Corona hat uns aufgezeigt, worauf man achten muss», sagt sie: «Wir werden uns alle nicht mehr gleich verhalten wie früher.» Dennoch sehnt sich auch die Biosicherheitsexpertin nach der Rückkehr zur Normalität: «Ich freue mich darauf, gemütlich mit Freunden zusammenzusitzen, in einem Gartenrestaurant zu essen – sich verwöhnen zu lassen und nicht selbst kochen zu müssen.»

Zur Autorin

Barbara Vonarburg ist freie Wissenschaftsjournalistin