Carte Blanche Alessia Zuber

Universität Bern in Zeiten Coronas

Fit während Corona?

Von Alessia Zuber

Passend zum universitären Kontext möchte ich diesen Text mit einer Kausalkette einleiten, welche die Diskrepanz zwischen behördlich angeordneten Massnahmen zum Schutz vor Ansteckungen mit dem neuartigen Coronavirus und der mit ihnen verbundenen drohenden Gesundheitsverschlechterung aufzeigen soll. Die Coronakrise bedeutet für die Bevölkerung Veränderung. Veränderung der Wirtschaft, Veränderung der Tagesstruktur, Veränderung im sozialen Kontext, Veränderung des Menschen, kurz gesagt: Die komplette Welt ist durch die Krise einer Veränderung ausgesetzt. Der Mensch muss seine habituellen Muster ablegen und fügt sich einer Welt voller Einschränkungen. «Bleiben Sie zu Hause!» ist wohl einer der meistgehörten Sätze, die uns in letzter Zeit konfrontierten.

In der Rolle als Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler sind wir uns der Notwendigkeit der Corona-Massnahmen wohl bewusst. Doch was machen eigentlich diese Massnahmen, die die Gesundheit der Bevölkerung schützen sollen, mit uns? Durch das Verweilen in den eigenen vier Wänden werden die Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus zwar geschützt, dennoch übt dies auch negative Effekte auf die Gesundheit aus: Die körperliche Aktivität wird vermindert. Allein schon das Hasten auf den Zug, der in den nächsten Minuten abfahren wird, fehlt uns im Alltag. Die Liste der nicht mehr durchführbaren körperlichen Aktivitäten ist lang. Wir leben nun in einer Welt, in der das Wort «Homeoffice» zum Grundwortschatz gehört. Damit verbunden ist die Gefahr einer Zunahme der sogenannten «Screen Time» – das Verweilen vor Laptop und Handy. Dadurch steigt auch die Sitzdauer. Um die Thematik der negativen Auswirkungen auf unsere Gesundheit abzurunden, möchte ich hier noch auf die kleinen ungesunden Versuchungen hinweisen. Obwohl Fast-Food-Restaurants geschlossen sind, steigt durch den neuen Arbeitsweg vom Bett zum Schreibtisch auch die Versuchung, die wenigen weiteren Meter zum Kühlschrank zurückzulegen und sich mit einer feinen Schwarzwälder Kirschtorte zu verköstigen.

Nun aber zu meiner anfangs angesprochenen wissenschaftlich belegbaren Kausalkette, welche durch die Corona-Massnahmen ausgelöst werden kann:

Coronavirus -> Bleiben Sie zu Hause! -> Bewegungseinschränkung -> Arbeiten zu Hause -> lange am Laptop -> Rückenprobleme und Gewichtszunahme ⇒ Gesundheitsverschlechterung

Um Ängste nicht unnötig zu vergrössern, verzichte ich darauf, weitere negative Auswirkungen zu nennen. Wollen wir diese kausale Kette einfach fortschreiten lassen? Nein! Das dachten sich auch 17 Sportstudierende, drei Assistierende und ein Professor. Wir nahmen die Herausforderung eines mit dem menschlichen Auge nicht mal sichtbaren Dings an und wollen ihm nun einen Strich durch diese Rechnung machen.

SportStudisMoveYou

Als der Bundesrat den Lockdown am 13. März bekannt gab, wurde uns bewusst, dass wir die Universität so schnell nicht mehr sehen. Als zwei Tage später eine Mail über das Stattfinden des Seminars mittels Zoom-Sitzungen eintraf, wussten wir, dass unser Studium weitergeht – die Universität Bern hält passende Lösungen bereit. Am Dienstag darauf stand die erste Online-Sitzung an. Nachdem ich schlussendlich auch verstanden habe, dass die Sitzung mit Kamera abläuft und ich mich nicht einfach im Pyjama vom Bett aus den Kommilitoninnen und Kommilitonen präsentieren kann, konnten wir bereits in dieser Sitzung die Entscheidung, ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen, anfangen umzusetzen. Unter dem Namen «SportStudisMoveYou» haben wir das Forschungs- und Praxisprojekt «Gesundheitsförderung während der Corona Virus Zeit» ins Leben gerufen. Wieso «SportStudisMoveYou»? Ein Name mit schweizerischem Touch, der zu etwas bewegen soll – zur Förderung der Gesundheit.

Nach einigen Wochen intensiver Überlegungen, Ausarbeitungen und hie und da Verzweiflung mit der Übersetzung in die Sprache unserer welschen Kolleginnen und Kollegen, können wir nun unsere – schlussendlich sogar in drei Sprachen verfügbare – Studie präsentieren:

Obwohl unsere Studie sicherlich auch Kindern und Jugendlichen Spass machen würde, rekrutierten wir während einer Woche nur volljährige Teilnehmende. Nach einer Befragung zu Bewegungs-, Bildschirm-, Sitz- und Essverhalten wurden die Teilnehmenden durch Zufall einer von drei Interventionen zugeteilt: Förderung der körperlichen Aktivität, Reduzierung der Bildschirmzeit und Sitzdauer sowie Erhöhung des Früchte- und Gemüsekonsums. Die Partizipierenden erhielten anschliessend Zugriff auf fünf im Vorherein von uns unter Einhaltung der BAG-Regeln gedrehten Videos. Ein erstes Video soll die Selbstwirksamkeit stärken. In den übrigen vier Videos vermitteln wir jeweils zur passenden Intervention Tipps rund um einfache Workouts, lustigen Zeitvertreib in Abwesenheit des Bildschirms und des Bürostuhls sowie schnelle und einfache Küchenrezepte basierend auf Früchten und Gemüse, um auf das jeweilige Verhalten Einfluss zu nehmen. Wann und wie oft unsere Teilnehmenden die Videos konsultierten, war ihnen überlassen – so viel Entscheidungsfreiheit sollte ihnen in dieser Zeit überlassen bleiben. Nach zwei Wochen Interventionszeit erhielten unsere angehenden Gesundheitsfördernden erneut einen Fragebogen per Mail, welcher uns durch den Vergleich mit dem ersten Fragebogen eine Auswertung ermöglicht. Konnten wir die Gesundheit unserer Studienteilnehmenden fördern? Das hoffen wir so sehr wie die Verhinderung einer zweiten Corona-Welle. Unserer Seminargruppe steht nun die Auswertung bevor. Wir sind sehr optimistisch und hoffen, dass wir mit unserer Studie die Leute zu einem gesünderen Lebensstil motivieren konnten.

Danke

Dem Ziel, die Kausalkette zu unterbrechen und damit die bewusste Gesundheitsförderung in dieser schwierigen Zeit nicht zu vernachlässigen, schauen wir mithilfe unseres Projekts zuversichtlich entgegen. Lasst uns zusammen aktiv sein! Abschliessend ein grosser Dank an unseren Professor Claudio Nigg, der uns diese Erfahrung ermöglicht hat. Ein weiteres «Merci» geht an die Universität Bern, die uns in dieser schwierigen Zeit das Fortbestehen des Semesters gewährt. Bleibt gesund!

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