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Vier Berner Forscher erhalten ERC «Starting Grant»

Der European Research Council (ERC) fördert vier Forschungsprojekte an der Universität Bern mit je einem Starting Grant. Die Empfänger der Fördergelder sind Stéphane Ciocchi, Institut für Physiologie, Matthias Erb, Institut für Pflanzenwissenschaften, Nidesh Lawtoo, Center for Global Studies (CGS) und Florian Piegsa, Albert Einstein Center for Fundamental Physics (AEC).

Neuronale Prozesse im Gehirn bei Angstzuständen

Dr. Stéphane Ciocchi (37) ist Leiter der Forschungsgruppe «Systems Neuroscience» am Institut für Physiologie. Sein Projekt «Neuronal circuits for emotions in the ventral CA1 hippocampus» wird mit einem ERC Starting Grant gefördert, der auf rund 1.6 Millionen Franken dotiert ist und eine Laufzeit von fünf Jahren hat.

Länger anhaltende Angstzustände sind für die Betroffenen eine grosse persönliche und soziale Belastung. Alleine in Europa sind ungefähr 15 Prozent der Bevölkerung daran erkrankt. Existierende Therapien bleiben oftmals unspezifisch oder nur bedingt wirkungsvoll, da das konkrete Wissen neurobiologischer Abläufe bei Angstzuständen fehlt.

Bei der Entwicklung von wirkungsvolleren Behandlungsansätzen hat es sich als unverzichtbar erwiesen, auf translatorische Konzepte zu setzen, die auf Tiermodellen beruhen. Diese tragen zu einem besseren Verständnis von neuronalen Verflechtungen und Mechanismen bei, die den Abläufen im Gehirn bei Angst zugrunde liegen. Im Forschungsprojekt von Stéphane Ciocchi sollen die neuronalen Abläufe im Hippocampus – dem Gehirnbereich, der bei Nagetieren und Menschen bei Angstzuständen involviert ist – untersucht werden. Der Fokus liegt dabei in der Analyse der interneuronalen Netzwerke im Hippocampus und wie diese durch unterschiedliche, sich ergänzende Mechanismen auf verschiedene Weise zu Angstzuständen beitragen. Der Zweck des ERC Starting Grant Projekts ist, die Prinzipien von Prozessen im Hippocampus bei emotionalen Erlebnissen zu definieren. So kann langfristig eine spezifischere Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Angststörungen ermöglicht werden.

Können Pflanzen riechen wie Menschen?

Prof. Dr. Matthias Erb (34) ist Leiter der Abteilung Biotische Interaktionen am Institut für Pflanzenwissenschaften (IPS). Seine Abteilung untersucht die Auswirkungen pflanzlicher Inhaltsstoffe auf andere Organismen. Sein Projekt wird mit einem ERC Starting Grant mit rund 2.2 Millionen gefördert und hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Matthias Erb gewann 2013 den Prix Nexans und wurde 2015 mit dem Early Career Award der International Society of Chemical Ecology (ISCE) ausgezeichnet.

Pflanzen können Duftstoffe wahrnehmen, die von anderen Pflanzen ausgesendet werden, wenn diese durch Schadinsekten befallen sind. Sobald Pflanzen diese Warnsignale empfangen, aktivieren sie ihre Abwehrsysteme, um sich besser verteidigen zu können. Obwohl viele Pflanzenarten diesen Trick beherrschen, weiss man bis heute nicht, wie er funktioniert. Können Pflanzen riechen wie Menschen und Tiere, oder verwenden sie andere Mechanismen, um Duftstoffe zu erkennen? Die Beantwortung dieser Frage ist zentral für das Verständnis der pflanzlichen Funktionsweise und könnte neue Wege der nachhaltigen Schädlingsbekämpfung eröffnen. Matthias Erb hat mit seiner Gruppe ein wichtiges Duftstoff-Warnsignal identifiziert, das Maispflanzen gezielt wahrnehmen können. Dieses Wissen ermöglicht der Arbeitsgruppe nun, mit Hilfe eines Duftstoff-Analysesystems, das spezifisch für dieses Projekt entwickelt wird, nach Duftstoffrezeptoren zu suchen. Das Ziel des Projektes «Perception of Plant Volatiles» ist es, die Duftstoff-Erkennungsmechanismen von Pflanzen zu verstehen und herauszufinden, inwiefern diese Eigenschaft für die Pflanzen von Vorteil ist und ob der Geruchssinn von Kulturpflanzen weiter verbessert werden kann.

Homo Mimeticus in Literatur, Film und Theorie

Dr. Nidesh Lawtoo (40) erhält einen ERC Starting Grant in der Höhe von rund 1.1 Millionen Franken mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Damit wird sein Forschungsprojekt zur Mimesis am Center for Global Studies (CGS) unterstützt. Von 2013 bis 2016 war Lawtoo als Empfänger einer SNF Fellowship am Humanities Center der Johns Hopkins University in Baltimore, USA.

Die Mimesis (Imitation) ist eines der Hauptkonzepte westlicher Denkweise. Der Begriff wurde ursprünglich in der klassichen Antike geschaffen, um den Menschen als nachahmende Spezies zu definieren. Heute steht die Mimesis auch im Zentrum theoretischer Debatten zur Entstehung von Subjektivität in den Geistes-, Sozial- und Neurowissenschaften.

Auf dieser Grundlage wird im Forschungsprojekt «Homo Mimeticus: Theory and Criticism» die Rolle der mimetischen Fähigkeiten bei der Entstehung von persönlichen und kulturellen Identitäten neu bewertet. Hierfür analysieren Nidesh Lawtoo und sein Team verschiedene Formen der Mimesis aus einer problemorientierten wie auch interdisziplinären Perspektive. Dazu gehören Oscar Wilde – der sagt: «Das Leben ahmt die Kunst weit mehr nach als die Kunst das Leben» –, Philosophen wie Friedrich Nietzsche oder René Girard, die sich mit der Macht von affektiver Übertragung beschäftigen und Science-Fiction-Filme, die im Zeitalter des Internets auf virtuelle Simulationen setzen. Das Hauptziel des Forschungsprojekts ist, aufzuzeigen, dass die Mimesis nicht nur ein ästhetisches Produkt der Menschheit ist, sondern auch eines ihrer entscheidenden Erkennungsmerkmale.

Neutronen geben Aufschluss über die Entstehung des Universums

Dr. Florian Piegsa (37) tritt derzeit eine SNF-Förderprofessur am Albert Einstein Center for Fundamental Physics (AEC) an. Der ERC Starting Grant in der Höhe von rund 1.4 Millionen Franken wird ihm erlauben, sein Forschungsprojekt in den nächsten 5 Jahren voranzutreiben. Florian Piegsa promovierte an der Technischen Universität in München und forschte zuletzt jeweils über mehrere Jahre an der ETH Zürich, dem Institut Laue-Langevin in Frankreich und am schweizerischen Paul Scherrer Institut auf dem Gebiet der Niederenergie-Teilchenphysik.

Sein Projekt «Unique Method for a Neutron Electric Dipole Moment Search using a Pulsed Beam» untersucht die Eigenschaften von Neutronen, die zu den grundlegenden Bausteinen der bis heute bekannten Materie zählen. Mittels einer besonders wichtigen Eigenschaft der Neutronen, dem sogenannten Elektrischen Dipolmoment (EDM), können Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte unseres Universums gezogen werden. Die Suche nach EDMs von fundamentalen Teilchen gehört deshalb zu den derzeit wichtigsten Experimenten in der Niederenergie-Teilchenphysik.

Im Rahmen der Förderung soll die Machbarkeit einer komplett neuartigen Methode zur Messung von Neutronen-EDMs untersucht werden, welche auf den zukünftigen Einsatz von gepulsten Hochfluss-Neutronenquellen abzielt. Dazu werden Experimente an der Universität Bern, am Paul Scherrer Institut sowie an anderen internationalen Forschungseinrichtungen durchgeführt.

Die ERC Starting Grants

Der von der Europäischen Union 2007 gegründete «European Research Council» (ERC) ist die erste gesamteuropäische Förderagentur für Spitzen-Grundlagenforschung. Seine Aufgabe und sein Anspruch ist die Förderung der freien Forschung der besten Forschenden Europas. Die Start- ing Grants sollen die talentiertesten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Europas darin unterstützen, ihre Karriere zu starten. 

 

27.10.2016