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Sorgenfalten bei Pferden objektiv erfassen

Eine der grössten Herausforderungen der Tierschutzforschung liegt darin, zuverlässige Indikatoren für Leiden und Wohlbefinden bei Tieren zu etablieren. Forschende der Universität Bern und von Agroscope haben ein Bewertungssystem entwickelt, mit dem sich die unter Pferdekennerinnen und -kennern auch «Sorgenfalten» genannten Hautfalten oberhalb des Augapfels zuverlässig bewerten lassen. Die Studie ist in PLOS One erschienen.

Unser Engagement für Tierschutz beruht auf der Annahme, dass Tiere, wie wir, empfindsame Wesen sind. Herauszufinden, wann Tiere leiden oder gar wie stark, zählt jedoch zu den grössten Herausforderungen der Tierschutzforschung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Empfindungen subjektiv und damit wissenschaftlicher Forschung nicht direkt zugänglich sind. Doch wie schon Charles Darwin erkannt hatte, kommen bei Menschen ebenso wie bei Tieren Emotionen in Gesichtsmimik und Körpersprache zum Ausdruck. Seit einigen Jahren wird dies zum Beispiel zur Beurteilung von Schmerzen bei Tieren genutzt. So gibt es mittlerweile sogenannte «Grimassen-Skalen» zur Bestimmung von Schmerzen bei Mäusen, Ratten und Kaninchen, und auch an Schafen, Rindern und Pferden wurden bereits entsprechende Untersuchungen durchgeführt.

Schmerzen sind aber nur eine bestimmte Art von vielen verschiedenen Empfindungen mit eigenen Ausdrucksformen. Noch wertvoller für die Anwendung im Tierschutz wären Indikatoren, die unabhängig von der konkreten Art der Empfindung (Schmerz, Furcht, Hunger) Auskunft über Leiden oder Wohlbefinden geben.

Augenfalten und Emotionen bei Pferden

Vor diesem Hintergrund untersuchten Forschende der Abteilung Tierschutz der Universität Bern mit Kolleginnen und Kollegen vom Schweizer Nationalgestüt (Agroscope) in Avenches sowie Partnern aus Grossbritannien und den USA, ob sich aus den Augenfalten von Pferden Rückschlüsse auf das Wohlbefinden der Tiere ziehen lassen. Die Falten über dem Augapfel werden durch Kontraktion des inneren Augenbrauenhebers hervorgerufen. Bei Menschen sind Angst und Traurigkeit mit einer Kontraktion dieses Muskels verbunden. Von Pferden war bisher einzig bekannt, dass Schmerzen die Ausprägung der Augenfalten verstärken. Allerdings werden Augenfalten unter Pferdekennerinnen und -kennern seit eh und je als «Sorgenfalten» bezeichnet. In einem Artikel in der Zeitschrift PLOS ONE beschreiben die Forschenden nun, was es damit auf sich hat.

In einem ersten Schritt wurde anhand von Bildern der Augenpartie von Pferden eine Skala entwickelt, mit deren Hilfe unterschiedliche Aspekte der Augenfalten (Anzahl, Ausprägung, Winkel, etc.) objektiv und zuverlässig bewertet werden können. In einem zweiten Schritt wurden Pferde im Abstand von Tagen in zufälliger Reihenfolge mit zwei angenehmen (emotional positiven) Situationen (Erwartung einer Futterbelohnung, Kraulen an Hals und Schulter) und zwei unangenehmen (emotional negativen) Situationen (Fütterung des Nachbarpferdes, Erschrecken durch Schwenken einer Plastiktüte) konfrontiert. Anschliessend wurden Bilder der Augenpartie im Vergleich mit Bildern der gleichen Tiere in neutralen Kontrollsituationen auf Veränderungen in der Ausprägung der Augenfalten untersucht. Dabei zeigte sich, dass insbesondere der Winkel zwischen der obersten Falte und einer Horizontalen durch den Augapfel unabhängig von der konkreten Situation in angenehmen Situationen abnahm, in unangenehmen Situationen dagegen zunahm.

Sara Hintze, die diese Studie im Rahmen ihrer Dissertation durchgeführt hat, betont, dass nun weitere Schritte zur Validierung notwendig sind, bevor bestimmte Veränderungen der Augenfalten in der Praxis als zuverlässige Indikatoren des Wohlbefindens von Pferden verwendet werden können. Die von ihr entwickelte Skala liefert jedoch ein zuverlässiges Werkzeug zur objektiven Erfassung der Ausprägung von Augenfalten in zukünftigen Studien.

Angaben zur Publikation:

Hintze, S., Smith, S., Patt, A., Bachmann, I., Würbel, H. 2016. Are eyes a mirror of the soul? What eye wrinkles reveal about a horse’ emotional state, PLoS ONE, 12 October 2016, DOI:10.1371/journal.pone.0164017

14.10.2016