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Einkommensungleichheit in der Schweiz: Wird das Ausmass unterschätzt?

Wie gross ist die Schere zwischen Arm und Reich in der Schweiz? Offizielle Statistiken zur Einkommensungleichheit geben darauf eine Antwort. Die bisherigen Erhebungsmethoden wurden nun in einer Studie der Berner Fachhochschule und der Universität Bern Steuerdaten gegenübergestellt. Dabei zeigten sich erhebliche Abweichungen.

Das Ausmass der Einkommensungleichheit zu bestimmen ist ein schwieriges Unterfangen, das hohe Anforderungen an die Wissenschaft stellt. Viele Länder haben dafür eigene Erhebungen konzipiert. Mittels regelmässig durchgeführter Stichprobenbefragungen können Expertinnen und Experten die Entwicklung der Einkommensverteilung untersuchen. In der Schweiz wird dafür häufig die Haushaltsbudgeterhebung (HABE) verwendet.

Tiefe und sehr hohe Einkommen sind untervertreten

Forscher des BFH-Zentrums Soziale Sicherheit und der Instituts für Soziologie der Universität Bern haben im Rahmen des Forschungsprojekts Ungleichheit in der Schweiz anhand von Steuerdaten untersucht, wie verlässlich gesellschaftliche Verteilungsindikatoren durch Stichprobenbefragungen berechnet werden können.

Dafür haben sie die aus der HABE resultierende Verteilung der Primäreinkommen (Einkommen vor Sozialtransfers und Steuern) mit einer Verteilung basierend auf Steuerdaten verglichen. Damit die Resultate vergleichbar sind, haben sie Haushalts- und Einkommensdefinitionen harmonisiert. Weil in Steuerdaten alle Steuerpflichtigen aufgeführt sind, kann vermutet werden, dass sie die Gesamtheit der Bevölkerung akkurater abbilden.

Der Vergleich der Daten zeigt, dass in der stichprobenbasierten HABE tiefe und sehr hohe Einkommen untervertreten sind. Dies betrifft insbesondere die reichsten und die ärmsten 5 Prozent. Wird die Ungleichheit mit dem Gini-Koeffizienten beziffert, so fällt die Ungleichheit der Primäreinkommen (vor Sozialtransfers und Steuern) in den Steuerdaten rund 10 Prozent höher aus.

Die Studie wirft die Frage auf, ob nicht auch in anderen Ländern das Ausmass der Ungleichheit unterschätzt wird, wenn hierfür Befragungsdaten verwendet werden. Der jüngste Trend der Ungleichheitsentwicklung wird schliesslich genau durch jene Gutverdiener angetrieben, die in Befragungen systematisch untervertreten sind.

Angaben zur Publikation: 

Oliver Hümbelin, Rudolf Farys: The suitability of tax data to study trends in inequality—A theoretical and empirical review with tax data from Switzerland, Research in Social Stratification and Mobility, Volume 44, Juni 2016, S. 136–150, doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.rssm.2016.04.004

 

Quelle: Berner Fachhochschule BFH

23.08.2016