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Berner Klimaforscher erhält zum zweiten Mal Fördergelder für Spitzenforschung vom Europäischen Forschungsrat

Klimaphysiker Hubertus Fischer von der Universität Bern erhält vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen Förderbeitrag von 2,26 Millionen Euro für seine Forschung an polaren Eisbohrkernen. Es ist bereits Fischers zweites Projekt, das mit einem der renommierten «ERC Advanced Grants» unterstützt wird. Dies spiegelt die internationale Spitzenstellung der Berner Eis- und Klimaforschung wider.

Mithilfe des «ERC Advanced Grant» des Europäischen Forschungsrats (ERC) will Hubertus Fischer eine neue Methode zur Messung von Treibhausgasen in polaren Eisbohrkernen entwickeln. Solche Kerne sind die einzigen Klimaarchive, mit denen die Atmosphären-Zusammensetzung der Vergangenheit direkt rekonstruiert werden kann, wie der Berner Klimatologe erklärt. Der entscheidende Unterschied zu früheren Methoden ist, dass sowohl die Konzentrationen der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas als auch die isotopische Zusammensetzung des Kohlendioxids erstmals mit nur einer einzigen Messung an der gleichen Probe bestimmt werden können. Fischer: «In diesem zerstörungsfreien Verfahren wird die dabei verwendete kostbare Eiskernluft nicht verbraucht und kann so auch für weitere Analysen verwendet werden.»

All dies ist entscheidend für das Gelingen einer für 2019/20 geplanten internationalen Eiskernbohrung in der Antarktis. Diese soll die Treibhausgas-Geschichte auf die letzten 1,5 Millionen Jahre erweitern  – bislang konnte die Wissenschaft mit Hilfe der Eiskerne «nur» 800'000 Jahre weit zurückblicken. «In derart alten Proben sind zehntausende von Jahren in nur wenigen Metern Eis enthalten», sagt Hubertus Fischer. «Die verfügbare Probenmenge ist deshalb zu klein, um mit existierenden Analyse-Methoden alle Klima-Parameter in der nötigen Auflösung messen zu können.»

Winzige Luftproben – maximale Präzision

Im Rahmen von Fischers Projekt mit dem Namen deepSLice («Deciphering the greenhouse gas record in deepest ice using continuous sublimation extraction/laser spectrometry») soll zum einen eine neuartige Extraktionsmethode für Luft in Eisbohrkernen aufgebaut werden, die erstmals 100 Prozent aller Luftbestandteile aus dem Eis extrahiert. Zum anderen soll ein spezielles Instrument für die laserspektrometrische Messung der Treibhausgas-Konzentrationen und der Kohlendioxid-Isotope entwickelt werden. Dieses ermöglich auch bei winzigen Eiskern-Luftproben von nur zirka 1 ml noch hochpräzise Messungen. Hubertus Fischer wird dabei von der Arbeitsgruppe von Lukas Emmenegger, Abteilungsleiter Luftfremdstoffe/Umwelttechnik bei der Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) unterstützt. Diese ist führend in der Entwicklung und Anwendung von laserspektrometrischen Instrumenten für die Gasanalytik in der Atmosphärenforschung.

Zweiter ERC Advanced Grant für Fischer

Es ist das erste Mal, dass die Universität Bern seit dem Start des EU-Forschungsprogramms Horizon 2020 im letzten Jahr einen ERC Advanced Grant erhält. Für Hubertus Fischer ist es die zweite solche Förderung: 2008 unterstützte der ERC bereits sein Projekt MATRICs, das auf die Entwicklung innovativer physikalischer Methoden zur Temperatur-Rekonstruktion mit Hilfe von Eisbohrkernen abzielte. Um diese renommierte Förderung bewerben sich jedes Jahr tausende Spitzenforscherinnen und -forscher aus ganz Europa, von denen am Ende aber nur rund 10 bis 15 Prozent für die Förderung ausgewählt werden.

ERC Advanced Grants ermöglichen die Verwirklichung von Projekten, die über den derzeitigen Forschungsstand weit hinausgehen, ein grosses Innovationspotenzial haben, aber auch ein hohes Risiko in sich tragen. Für deepSLice hat der Europäische Forschungsrat in den nächsten fünf Jahren 2,26 Millionen Euro vorgesehen. Neben der Entwicklung neuer Instrumente sollen mit diesen Mitteln vor allem zwei Nachwuchsforschende in Fischers Berner Team gefördert werden.

Von Bremen nach Bern

Hubertus Fischer (49) studierte Physik in Deutschland und den USA und doktorierte 1997 am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg. Nach einem PostDoc Aufenthalt in den USA, forschte er am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven und lehrte an der Universität Bremen. Seit 2008 ist er ordentlicher Professor an der Universität Bern, wo er auch sein erstes ERC-Projekt durchführte. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Rekonstruktion von Änderungen biogeochemischer Kreisläufe in der Vergangenheit, die zu Variationen der Treibhausgaskonzentrationen führten, sowie der Änderungen der Klima- und Atmosphärendynamik in der Vergangenheit. Fischer ist Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern, Präsident der Schweizerischen Kommission für Polar- und Höhenforschung der Akademie der Wissenschaften und Vorsitzender des Projekts «Past Global Changes» PAGES, das die internationale Paläoforschung fördert und koordiniert.

 

04.05.2015