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Erweiterte Realität hilft bei der Leber-Operation

Am Berner ARTORG Center for Biomedical Engineering wird chirurgische Navigationstechnologie mit Darstellungen von Erweiterter Realität (oder Augmented Reality) verbunden. Diese Technologie ermöglicht es, während einer Operation auch die innere Struktur eines Organs abzubilden. Das neue Verfahren wurde nun erstmals bei einer komplexen Leber-Operation eingesetzt.

Die Technologie wurde in Bern durch das ARTORG Center for Biomedical Engineering gemeinsam mit der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Inselspitals (Prof. Daniel Candinas) entwickelt. Sie ist besonders für die Schlüsselloch-Chirurgie ein grosser Fortschritt: Diese wird immer häufiger angewendet, um zum Beispiel Tumoren mithilfe eines minimal-invasiven Zugangs zu entfernen.

Nach dem Einführen einer Miniaturkamera in die Bauchhöhle wird die Operation anhand von Bilddaten durchgeführt, die auf einem Bildschirm neben dem Patienten dargestellt werden. Die Schlüsselloch-Chirurgie gilt als wesentliche Verbesserung der bisherigen Verfahren, da sie kleinere Narben hinterlässt, eine schnellere Genesung der Patienten ermöglicht und Komplikationen nach der Operation reduziert.

Die Anwendung auf die Leberchirurgie war bisher jedoch begrenzt – wegen der schwierigen Orientierung und der komplexen, anatomisch korrekten Entfernung eines Tumors an diesem lebenswichtigen Organ. Nun hilft die neue Technologie, indem sie die Aufnahmen der Miniaturkamera mit zusätzlichen Abbildungen der inneren Struktur der Leber verbindet.

Leber wird dreifach dargestellt

Die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung wird «Augmented Reality» (AR) genannt. Die Augmented Reality-Darstellung ermöglicht ein besseres Verständnis in komplexen Situationen und wird bereits in Flugzeugen und Autos eingesetzt. Mit der gleichen Technologie können jetzt auch Chirurgen durch die Organoberfläche hindurch schauen und sich so im Vorfeld auf kritische Bereiche der anatomischen Strukturen einstellen.

In der Leber-Chirugie werden nun gleichzeitig dreierlei Darstellungen verwendet: Ein Bildschirm im Operationssaal zeigt 3D-Computertomographie (CT)- und Magnetresonanz (MRT)-Aufnahmen, welche die innere Anatomie der Leber des Patienten zeigen. Auf einem weiteren sind Endoskop-Bilder der Miniaturkamera zu sehen, und ein dritter Bildschirm
schliesslich zeigt eine Kombination von beiden, also ein überlagertes, «realitätserweitertes» Bild. Sämtliche relevanten Informationen werden so in einem «chirurgischen Cockpit» auf mehreren Bildschirmen zusammengeführt – und dies verhilft zu einer einfacheren Orientierung und zu besseren Entscheidungen.

Chirurgen der Harvard Medical School (USA) und des Institut Mutualiste Montsouris (Paris) haben nun in einer gemeinsamen, komplizierten minimal-invasiven Leber-Operation erstmals die am Berner ARTORG Center entwickelte Technologie eingesetzt. Prof. Stefan Weber, Leiter des ARTORG Center, freut sich über den erfolgreichen Praxis-Test und sieht in der Augmented Reality-Darstellung ein enormes Potenzial für die gesamte Schlüsselloch-Chirurgie: «Durch das bessere Verständnis der anatomischen Details erhöht sich die Sicherheit, und es werden komplexere Operationen möglich.» 

Das Chirurgenteam und die Technologieforscher des ARTORG Center haben eng mit dem Schweizer Medizintechnikhersteller CAScination AG, einem Spin-Off der Universität Bern, zusammengearbeitet, um diesen Fortschritt in der der Chirurgie zu verwirklichen. «Wir planen eine weitere Zusammenarbeit, damit mehr Patienten von minimal-invasiven und hocheffektiven chirurgischen Verfahren im Bereich der Leber profitieren können», sagt Weber.

 

Das ARTORG Center for Biomedical Engineering der Universität Bern bringt Forscher mit verschiedenen Hintergründen in der Biomedizintechnik sowie klinische Disziplinen zusammen, die sich bei ihrer Arbeit auf bestimmte Organe und deren Krankheiten konzentrieren. Ein Forschungsschwerpunkt des Zentrums ist die Entwicklung und klinische Erprobung bildgestützter Therapie. Hier konzentrieren sich die Forschungsarbeiten auf computerassistierte und navigationsgestützte Verfahren sowie die medizinische Bildverarbeitung. Als Anwendungen stehen insbesondere die Organe Leber, Niere und Lunge sowie mikrochirurgische Fragestellungen im Vordergrund.

Das Start up-Unternehmen der Universität Bern CAScination AG beschäftigt sich mit der Entwicklung und Vermarktung bildgestützter Technologien für die Anwendung an weichen Organen. Das Aushängeschild von CAScination ist «CAS-One» (TM), ein Navigationssystem für die Leberchirurgie, mit dessen Hilfe Chirurgen auf präzise und sichere Weise komplexe chirurgische Verfahren durchführen können.

09.10.2012