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Kompromisse erhöhen die Vielfalt im Pflanzenreich

Ständige Verteidigung gegen Frassfeinde ist für Pflanzen nicht immer die beste Strategie – denn sie geht auf Kosten wichtiger Eigenschaften der Pflanze. Wissenschaftler der Universität Bern und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Halle haben herausgefunden, dass Pflanzen verschiedene Abwehrmechanismen und wichtige Funktionen wie etwa Konkurrenzstärke gegeneinander abwägen.

Pflanzen waren schon immer die Energiequelle des Lebens unseres Planeten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie im Laufe der Evolution eine unglaubliche Vielfalt komplexer Verteidigungsmechanismen gegen Frassfeinde entwickelten. Dazu gehören zum Beispiel Stacheln, Haare oder Dornen aber auch chemische Stoffe, die entweder ständig zum Einsatz kommen (konstitutiv) oder nur bei Bedarf gebildet (induziert) werden. Weshalb Pflanzen so stark in ihrer Abwehr variieren beschäftigt Evolutionsforscher seit Jahrzehnten. Eine weitverbreitete Hypothese basiert auf der Annahme, dass ein gutes Verteidigungssystem zwar vor hungrigen Mäulern schützt, aber zu Lasten anderer wichtiger Funktionen geht. Es ist deshalb möglich, dass Kompromisse zwischen Kosten und nützlichen Eigenschaften, so genannte «Tradeoffs», die Vielfalt der Pflanzenabwehr einst mit hervorgerufen haben und aufrecht erhalten. In Bern haben jetzt Ökologen die wichtigsten «Tradeoffs» genauer unter die Lupe genommen. Die Untersuchungen zeigen, dass Pflanzenarten, welche bereits über eine gute Grundverteidigung verfügen, weniger temporäre Abwehr induzieren – und umgekehrt. Die Forscher konnten also nachweisen, dass dieser «Tradeoff» bei verschiedenen Wildpflanzenarten tatsächlich existiert – jedoch bei gezüchteten Zierpflanzenarten durch menschliche Selektion verloren ging.

Strategisches Vorgehen im Pflanzenreich

Die Forschenden pflanzten 58 verschiedene Pflanzenarten und ermittelten in Experimenten deren Wachstumsrate und Konkurrenzstärke. Eine pflanzenfressende Raupenart gab ihnen Aufschluss über die konstitutive und induzierte Abwehr der Arten: Nahmen die Raupen stark an Gewicht zu, ist die Pflanze schlecht verteidigt; wurden sie dagegen leichter, ist die konstitutive Abwehr der Pflanze gut. Geht es ausserdem den Raupen auf vorher bereits angefressenen (induzierten) Pflanzen schlechter als auf intakten, ist die Pflanzenart in der Lage zusätzliche Abwehrmechanismen zu aktivieren.

Die Berner Pflanzenwissenschaftler haben herausgefunden, dass eine Reduktion des konstitutiven Abwehrsystems im Laufe der Evolution sogar ein strategischer Vorteil sein kann. Es zahlt sich für die Pflanze aus, nur im Notfall in Abwehrstoffe zu investieren, wie die Forscher zeigen konnten: Pflanzen mit geringer Grundabwehr investieren verstärkt in Konkurrenzfähigkeit – eine wichtige Voraussetzung, um sich gegen andere zu behaupten. Damit sie im Fall eines Schädlingsbefall aber nicht völlig schutzlos sind, kompensieren sie diese geringe Grundabwehr mit einer erhöhten Fähigkeit, im Bedarfsfall in Abwehrstoffe zu investieren. Die jetzt in den «Proceedings of the National Acadamy of Sciences» veröffentlichten Erkenntnisse bestärken die Hypothese, dass Kompromisse im Pflanzenreich die Grundlage für die Evolution der grossen Vielfalt von Abwehrstrategien – und somit auch verschiedener Pflanzenarten – darstellen.

Quellenangabe:

Anne Kempel, Martin Schädler, Thomas Crobock, Markus Fischer and Mark van Kleunen: Tradeoffs associated with constitutive and induced plant resistance against herbivory. Proceedings of the National Acadamy of Sciences vom 9. März 2011, doi: 10.1073/pnas.1016508108

16.03.2011