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Dies academicus 2011: Die Uni ist effizient, aber herausgefordert

Die Universität Bern sieht sich einer grossen Herausforderung ausgesetzt: Der finanzielle Spielraum bleibt eng. Gelobt wurde an der 177. Stiftungsfeier jedoch die Effizienz der Universität, mit der sie die tiefen Kantonsbeiträge unter anderem durch Drittmittel auffangen konnte. Am Dies academicus wurden zwölf Ehrendoktortitel verliehen.

«Die Jahre unter alt Rektor Urs Würgler waren eine Zeit des Aufbruchs», würdigte der neue Uni-Rektor Martin Täuber seinen Vorgänger. Unter Urs Würgler habe die Universität eine neue Gesamtstrategie erarbeitet und ihr Forschungsprofil geschärft – unter anderem durch die hohe Qualität in Forschung und Lehre, die enge Anbindung an die Region Bern und durch die Schaffung neuer Forschungszentren. Die Rahmenbedingungen seien für die Universitätsleitung aber schwieriger geworden. Die tiefen Kantonsbeiträge trotz steigender Studierendenzahlen lassen keine Weiterentwicklung der Forschung und Lehre im bisherigen Stil mehr zu. Dennoch: «Die Universität Bern ist dynamisch und verfügt über einen respektablen Leistungsausweis», sagte Täuber. So hat sie im harten Wettbewerb viele Drittmittel einwerben können.

«Unsere Universität ist topfit», bestätigte auch Regierungspräsident und Erziehungsdirektor Bernhard Pulver. Trotz schweizweit tiefster Beiträge des Kantons pro Studierenden und trotz einer Verdoppelung der Studierendenzahl in den vergangenen zehn Jahren habe die Universität Bern ihr Niveau halten und ausbauen können. Aber: «Man kann die Zitrone nicht immer weiter auspressen», ist auch der Erziehungsdirektor überzeugt, und warnte davor, mit weiteren Steuersenkungen wie etwa für die Motorfahrzeuge oder weiteren Sparmassnahmen die Ressourcen für die Bildung zu schwächen. Er wiederholte sein Votum vom letzten Jahr: «Finanzpolitik ist eben auch Bildungspolitik».

So habe ihn das vom Grossen Rat kürzlich verabschiedete Entlastungspaket im universitären Bereich vor die «Wahl zwischen Pest und Cholera» gestellt – Studiengänge zu streichen oder die Studiengebühren zu erhöhen. Letzteres sei die weniger schlimme Alternative gewesen. Pulver sieht auch für die kommenden Jahre ein «enges finanzielles Korsett». Aber: «Die Universität Bern hat ihr Können in Zeiten knapper Finanzen gezeigt und ist eine hervorragende Hochschule.»

Aus dem Vorhandenen das Beste machen

Rektor Martin Täuber nannte drei Elemente, die nötig seien, um in der Forschung die Qualität zu wahren: Erstens das weitere Einwerben von Drittmitteln, zweitens Allianzen und drittens die Förderung der intrinsischen Qualität. Die Verantwortung, sich um Drittmittel zu bemühen, liege bei den Forschenden, sagte Täuber. Die Aufgabe der Universitätsleitung sei es, sie dabei zu unterstützen. Weiter seien Allianzen und Kooperationsprojekte auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene unabdingbar, um mit reduzierten Ressourcen die Effizienz zu steigern. Qualitativ hochstehende Studiengänge anbieten mit möglichst viel Freiheit und wenig administrativer Last, um auch den Mittelbau zu entlasten – das sei ebenso wichtig und im Rahmen der Anpassung der Bologna-Reform bereits im Gange.

Der Mittelbau wird mit steigenden Studierendenzahlen immer wichtiger

Den Mittelbau entlasten: Das wünschte sich auch Christina Rothen vom Vorstand der Mittelbauvereinung der Universität Bern (MVUB). «Lehre und Forschung, wie sie zu einer modernen Uni gehören, sind ohne den Mittelbau nicht mehr möglich», betonte sie. Aber: Durch das Bologna-System und die gestiegenen Studierendenzahlen hätten sich der Lehr- und administrative Prüfungsaufwand zusätzlich erhöht. Dies führe zu weniger Forschung und geringeren Möglichkeiten, Drittmittel zu generieren. Auch die rechtliche Stellung des Mittelbaus und strukturelle Probleme seien anzugehen, etwa die kurzen Vertragsfristen, die schwierige Vereinbarkeit von akademischer Karriere und Familie oder die Abhängigkeit von Einzelnen von Professoren im Habilitationsverfahren. Denn: «Der wissenschaftliche Nachwuchs braucht Perspektiven, nicht nur Befristungen.»

Universitäten sollen Diskurs zu moderner Medizin unterstützen

Die akademische Rede hielt der Rektor gleich selber – und schlug die Brücke von der Universität zu seinem Fachgebiet, der Medizin. Auch diese stehe vor vielschichtigen Herausforderungen, unter anderem den Schattenseiten des medizinischen Fortschrittes: «Je mehr wir medizinisch können, desto schwieriger wird es, darauf zu verzichten», sagte Täuber. So habe etwa der massive Einsatz von Antibiotika weltweit zu zunehmend resistenten Erregern geführt. Täuber erwähnte auch die Ratlosigkeit im Umgang mit unserem Gesundheitswesen. All diese Themen würden diskutiert und Lösungsansätze entwickelt – allerdings vor allem von den direkt betroffenen Organisationen und Berufsverbänden sowie der Politik.

Es fehle, so Täuber, ein akademisch-wissenschaftlicher Ansatz, der sich frei von spezifischen Interessen den Herausforderungen stelle. Notwendig seien interdisziplinäre Ansätze verschiedenster Wissenschaftsbereiche, die mit den Methoden aus den Sozialwissenschaften, der Ökonomie, den Geisteswissenschaften und natürlich der Medizin Lösungen erarbeiten würden. «Unsere Universität hat gezeigt, dass sie multifaktorielle Systeme mit einem langfristigen, interdisziplinären Vorgehen untersuchen und damit international stark beachtete Resultate erzielen kann», betonte Täuber und illustrierte dies am Beispiel des Oeschgerzentrums für Klimaforschung, welches Ursachen und Konsequenzen der Klimaveränderung untersucht. Für Martin Täuber ist «klar, dass sich die Wissenschaft und damit die Universitäten mit Grenzen und Problemen der modernen Medizin auseinandersetzen müssen». Täuber forderte die Berner Forschenden zur Reflexion darüber auf, um den Diskurs über Medizin, Gesundheit und Gesellschaft künftig vermehrt durch wissenschaftliche Evidenz zu unterstützen.

So viele Ehrungen wie noch nie

Zwölf Ehrendoktortitel und sieben weitere akademische Ehrungen: Die Universität Bern vergab an ihrer 177. Stiftungsfeier so viele Auszeichnungen wie noch nie. Die Theologische Fakultät verlieh Hannah M. Cotton einen Ehrendoktortitel für ihre philologische und verlegerische Tätigkeit zur Geschichte des römischen und frühchristlichen Judäa. Die zweite Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät erhielt Rudolf H. Strahm. Der langjährige Berner SP-Nationalrat und ehemalige Preisüberwacher engagiert sich seit über 40 Jahren auf vielfältige Art und Weise für gerechte Beziehungen zur «Dritten Welt». Er ist gemäss Laudatio eine «undogmatische und prophetische Stimme im Ringen um soziale, ökologische und ethische Spielregeln der globalisierten Wirtschaft».

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät zeichnete den Soziologen und Sozialpsychologen Claudio Besozzi aus, der sich mit verschiedenen Aspekten der Kriminalität auch aus der Perspektive der Kunst- und Literaturwissenschaft beschäftigt. Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät ehrte den US-amerikanischen Ökonomen Thomas J. Sargent, der bedeutende makroökonomische Theorien aufgestellt und ihre Umsetzung in der Wirtschaftspolitik untersucht hat. Dem Wirtschaftsprofessor und Experten für Geldtheorie wird demnächst der Wirtschaftsnobelpreis 2011 verliehen.

Die Medizinische Fakultät vergab dieses Jahr gleich zwei Ehrendoktortitel. Der eine ging an den US-Amerikaner Marshall D. Lindheimer, der unermüdlich gegen die Schwangerschaftsvergiftung kämpft und als «Vater der geburtshilflichen Nephrologie» gilt. Den zweiten Ehrendoktortitel der Medizinischen Fakultät erhielt der Fribourger Ingenieur und Physiker Jacques Rognon für seinen engagierten Einsatz in der Erforschung seltener Krankheiten und der Unterstützung betroffener Patienten.

Auch die Vetsuisse-Fakultät verlieh 2011 zwei Ehrendoktortitel: Der Tierarzt und Agrarwissenschaftler Gerhard Greif wurde geehrt für seinen wichtigen Beitrag zur Tiergesundheit und zur Darstellung der Veterinärmedizin in der europäischen Öffentlichkeit. Die zweite Ehrendoktorwürde ging an Guy Hughes Palmer. Der Professor für Pathologie und Nutztierkrankheiten bekämpft mit seiner Forschung Krankheiten von Nutztieren - vor allem in Entwicklungsländern. Die Ehrendoktorwürde der Philosophisch-historischen Fakultät erhielt der Berner Künstler George J. Steinmann. Er ist ein Grenzgänger zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft und lässt laut Laudatio «komplexe Zusammenhänge in sozialen, ökonomischen und kulturellen Netzwerken sichtbar werden».

Für seine bildungspolitischen Verdienste erhielt Moritz Arnet die Ehrendoktorwürde der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät. Als Generalsekretär der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren hat er dem Bildungswesen neue Impulse zur Koordination und Vereinheitlichung gegeben. Ein weiterer Ehrendoktortitel der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät ging an Alice H. Eagly. Die US-amerikanische Sozialpsychologin untersucht, wie sich die Rollen von Mann und Frau entwickeln. Zudem hat sie gemäss Laudatio erklärt, «wie individuelle Kognitionsprozesse zur Herausbildung und Aufrechterhaltung sozialer Strukturen führen». Felix Amiet ist einer der wichtigsten Bienen- und Wespenspezialisten der Schweiz. Der ehemalige Sekundarlehrer und Schulleiter aus Solothurn hat seine Freizeit in den Dienst der Insektenkunde gestellt und so ein gemäss Laudatio der Philosphisch-naturwissenschaftlichen Fakultät «unverzichtbares Basiswerk für zukünftige Forschungsarbeiten an Wildbienen und Wespen» geschaffen.

Theodor-Kocher-Preis für einen Musikwissenschaftler

Der Preis für den besten Nachwuchwissenschaftler der Universität Bern ging dieses Jahr an Arne Stollberg. Der deutsche Musikwissenschaftler wird für seine gemäss Laudatio «originelle und methodisch innovative Arbeit an der Schnittstelle von Musik-, Theater- und Literaturwissenschaft» geehrt. Stollbergs Forschung wirft ein neues Licht auf die Dramatisierung symphonischer Musik im 19. Jahrhundert, auf die Musik Richard Wagners und auf die Entstehung der Filmmusik aus der Tradition der Oper. Ausserdem hat der am Berner Institut für Musikwissenschaft tätige Stollberg wenig beachtete Aspekte der Musikgeschichte im 20. Jahrhundert untersucht.

Strafrechtlerin erhält Hans-Sigrist-Preis

Der Preis der Hans-Sigrist-Stiftung, die mit 100'000 Franken höchstdotierte Auszeichnung der Universität Bern, geht an Nicola Lacey. Die in Oxford tätige Professorin für Strafrecht und Rechtstheorie behandelt das Thema «Rechtsstaat und Spätmoderne» gemäss Laudatio «auf höchstem Niveau sowohl gesellschaftstheoretisch und historisch als auch empirisch und normativ». Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Wandel der Funktionsweise rechtlicher Institutionen und der Erosionsprozess der Rechtsstaatlichkeit in der jüngsten Vergangenheit.

Haller-Medaille

Die diesjährige Haller-Medaille der Universität Bern geht auf Antrag der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät an Susanne Jäggi. Die Psychologin, die ihre Ausbildung an der Uni Bern absolviert hat, forscht im Bereich der kognitiven Psychologie und der kognitiven Neurowissenschaft. Ihre Arbeiten zu Intelligenz, Arbeitsgedächtnis und Plastizität bereichern auch den Wissensstand in anderen Gebieten. Die für ihre «hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen» Geehrte tritt nächstes Jahr eine Stelle an der University of Maryland (USA) an.

Umweltforschungspreis, Preis für Alternsforschung und Best Teaching Award

Der Berner Umweltforschungspreis ging ex aequo an Tobias Haller und Loretta Müller. Der Aargauer Tobias Haller, der als Assistenzprofessor am Berner Institut für Sozialanthropologie tätig ist und den Schwerpunkt «Ökologische Anthropologie» leitet, wurde für seine massgebliche Arbeit am Sammelband «Disputing the Floodplains: Institutional Change and Politics of Resource Management in African Wetlands» gewürdigt. Seine Forschung zeigt einen Mittelweg zwischen allgemeiner Zugänglichkeit und Privatisierung von Ressourcen auf und liefert so Impulse für eine nachhaltige Entwicklungspolitik. Loretta Müller, derzeit mit einen SNF-Stipendium an der University of North Carolina in Chapel Hill (USA) tätig, wurde für ihre Berner Dissertation ausgezeichnet, welche die Auswirkungen von Scooter-Abgaben auf die menschliche Lunge untersucht. Die Baslerin hat dazu ein biologisches Abgas-Prüfsystem entwickelt, das für die Beurteilung neuer Fahrzeugtechniken auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird.

Erstmals wurde der Preis der Seniorenuniversität für Alternsforschung verliehen. Mit dieser Auszeichnung werden herausragende Abschlussarbeiten zur Alternsforschung ausgezeichnet, die an der Universität Bern erstellt worden sind. Dieses Jahr wurde Katrin Lehnert für ihre Dissertation geehrt, die den Zusammenhang von Sport und Wohlbefinden in der zweiten Lebenshälfte untersucht. Sie hat zudem ein Instrument entwickelt, um sportspezifische Ziele und Motive adäquater zu erfassen, als dies bisher möglich ist.
Den Credit Suisse Award for Best Teaching erhielt Matthias Widmer. Der Gefässchirurg hat hochwertige Lehrbücher und Unterlagen verfasst, setzt sich laut Laudatio neben seiner klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit mit «überdurchschnittlichem Engagement» für die Aus- und Weiterbildung der angehenden Herzchirurginnen und Gefässchirurgen ein und arbeitet tatkräftig an der Planung und Weiterentwicklung der Lehre mit.

03.12.2011