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Dies academicus 2010: Mit klarer Ausrichtung und neuen Kräften in die Zukunft

Das Jahr eins nach dem 175-Jahr-Jubiläum war für die Universität Bern ereignis- und erfolgreich. Mit dem teilrevidierten Universitätsgesetz, der Wahl einer neuen Universitätsleitung sowie der Errichtung neuer Zentren und Forschungsschwerpunkte wurden wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Ausserdem hat die Universität Bern einen neuen Ehrensenator sowie acht neue Ehrendoktorinnen und -doktoren.

«Die Universität ist auf Kurs, die Voraussetzungen für einen neuen Entwicklungsschub sind ausgezeichnet.» Rektor Urs Würgler zeigte sich in seiner Begrüssungsrede an der 176. Stiftungsfeier im Kultur-Casino erfreut über die Entwicklung der Universität Bern im Jahr nach dem Jubiläum: Die Studierendenzahlen sind weiter gestiegen, neue Hörsäle und Forschungsgebäude entstanden, Zentren wurden gegründet und zwei neue Nationale Forschungsschwerpunkte nach Bern geholt. Und auch die Teilrevision des Universitätsgesetzes bezeichnete Würgler als einen grossen Schritt in die richtige Richtung. Die Universität wird fortan eine eigene, von der Staatsrechnung entkoppelte Rechnung führen sowie sämtliche – auch die ordentlichen – Professorinnen und Professoren selbst wählen. Zudem kann der Senat bei der Wahl der Universitätsleitung weiterhin mitbestimmen. «Ich interpretiere dieses Mehr an institutioneller Autonomie als Vertrauensbeweis der politischen Behörden in die Universität», so der Rektor.

Erziehungsdirektor Bernhard Pulver wies auf die Notwendigkeit eines starken Führungsgremiums hin, um die gestiegene Verantwortung wahrnehmen zu können. Deshalb hat der Regierungsrat die Universitätsleitung vor wenigen Tagen um zwei auf vier Vizerektorate erweitert. Sie umfasst damit neben dem bereits Anfang dieses Jahres gewählten designierten Rektor und jetzigen Vizerektor Forschung, Martin Täuber, neu die Vizerektorin Doris Wastl-Walter sowie die Vizerektoren Christian Leumann, Bruno Moretti und Walter Perrig. Sie werden ihre neue Aufgabe am 1. August 2011 antreten.

Wenig Neues vermeldete Pulver hinsichtlich Finanzen: Die Situation des Kantons lasse nach wie vor keine grossen Sprünge zu, so der Erziehungsdirektor. In den letzten 30 Jahren ist der Anteil des Kantonsbeitrags an den Gesamtausgaben der Universität von 74 auf 39 Prozent gesunken. «Trotz knapper Mittel leistet die Universität aber ausgezeichnete Arbeit», lobte der Regierungsrat – und kündigte an, dass der Beitrag des Kantons ab 2013 wieder leicht erhöht werde. Gleichzeitig gab Pulver zu bedenken, dass «Finanzpolitik auch Bildungspolitik ist»: Bei allfälligen Steuersenkungen dürfte denn auch die Erziehungsdirektion nicht von Sparanstrengungen verschont bleiben.

Breites Fächerspektrum mit Exzellenz

Angespannte Finanzlage hin oder her – der Kanton stellt sich klar hinter die Volluniversität Bern: «Es wäre fatal, Fachbereiche nur aus Spargründen zu streichen», sagte Bernhard Pulver. Neben einem breiten Fächerspektrum sei aber ebenso die Profilierung in einzelnen Bereichen wichtig. Dass die Universität Bern diesbezüglich auf gutem Weg ist, zeigt sich an der diesjährigen Vergabe zweier weiterer Nationaler Forschungsschwerpunkte an die Alma mater bernensis durch den Schweizerischen Nationalfonds. Rektor Würgler sieht ausserdem auch die interdisziplinären Zentren als strategische Profilierungsschwerpunkte, die «sich international an vorderster Front etablieren sollen». Dieses Jahr konnte das «Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE)» gegründet werden, und 2011 sollen gemäss Würgler weitere dazukommen. «Die Zentren geben der Universität ein Profil mit enormer Ausstrahlung und machen ihre Exzellenz sichtbar», ist auch Regierungsrat Pulver überzeugt. «Diese strategische Ausrichtung trägt die Handschrift von Rektor Urs Würgler», würdigte er das Engagement des Rektors der Universität Bern, der im Juli 2011 abtreten wird.

Freier Zugang als Qualitätsmerkmal

Anna Leissing von der StudentInnenschaft (SUB) äusserte sich zu aktuellen hochschulpolitischen Themen aus Sicht der Studierenden. Die Bologna-Reform mit den strengeren Anwesenheitskontrollen und häufigeren Leistungsnachweisen erschwere es, Erwerbstätigkeit und Studium zu vereinbaren. Das Vorstandsmitglied der SUB plädierte deshalb für ausgewiesene Teilzeitstudiengänge für Personen, die ihr Studium selber finanzieren müssen. Denn unabhängig von ihrer finanziellen Situation solle die breite Bevölkerung Zugang zu Hochschulbildung haben. Entsprechend wenig hält Leissing von den derzeit viel diskutierten Zulassungsbeschränkungen an Schweizer Universitäten. Der offene Zugang sei eines der ausschlaggebenden Qualitätsmerkmale eines funktionierenden Hochschulwesens. «Die Gefährdung dieser Qualität durch die Einführung von Zulassungsbeschränkungen ist an der Universität Bern mit allen Mitteln zu verhindern.» Auch die Universitätsleitung sieht in Bezug auf mögliche Zulassungsbegrenzungen und Gebührenerhöhungen «momentan keinen akuten Handlungsbedarf», so Würgler.

Islamische Theologie an Schweizer Universitäten?

In seiner akademischen Rede «Der Islam und die Universität» regte Reinhard Schulze, Direktor des Instituts für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie der Universität Bern, an, die islamische Theologie in die akademische Welt aufzunehmen. Er betrachtet es als «vornehme Aufgabe der Geisteswissenschaften, aktuelle Diskussionen der Gesellschaft aufzunehmen und dieser eine Basis zu bieten, um ihre Weltdeutungen, Normen und Werte zu prüfen». Die wissenschaftliche Bearbeitung und Weiterentwicklung islamischen Wissens könne gemäss Schulze der Entstehung «eines Schattenreichs islamischer Laien» vorbeugen, «das sich die Definitionsmacht über den Islam aneignet». Offen lässt der Professor für Islamwissenschaft, wie die neue wissenschaftliche Disziplin dereinst heissen würde und wie sie sich in die Universität eingliedern liesse.

Ein neuer Ehrensenator und acht Ehrendoktoren

Die Universität Bern hat einen neuen Ehrensenator: Am 176. Dies academicus verlieh sie dem Unternehmer Walter Inäbnit die Auszeichnung für seine Förderung der universitären Forschung. Inäbnit hat in seiner beruflichen Tätigkeit die Optik und Präzisionsmechanik an vorderster Front weiterentwickelt. Er ist Präsident der Haag-Streit-Gruppe, die der Universität kürzlich ein Laserlabor am Physikalischen Institut geschenkt hat. Darüber hinaus hat sich der Wohlener während der letzten 25 Jahre immer wieder für den Wirtschaftsstandort Bern eingesetzt. Die Theologische Fakultät verlieh der Zürcher Islamwissenschaftlerin Rifa’at Lenzin den Ehrendoktortitel, da sie sich für einen respektvollen Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen einsetzt. Die Diplomatin Heidi Tagliavini wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät für ihr Engagement zur Friedenssicherung im Kaukasus nach dem russisch-georgischen Krieg um Südossetien mit der Ehrendoktorwürde geehrt. Die an der University of North Carolina at Chapel Hill lehrende Zürcherin Evelyne Huber erhielt den Ehrendoktortitel der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät für ihre wegweisenden Arbeiten im Bereich der vergleichenden Demokratie- und Wohlfahrtsstaatenforschung.

Die Medizinische Fakultät vergab zwei Ehrendoktortitel: Der eine ging an den Wundballistiker Beat P. Kneubühl aus Thun. Der Forensiker arbeitet eng mit Kriegschirurgen des Internationalen Roten Kreuzes zusammen. Der Zahnmediziner David L. Cochran wurde für seine Forschung und Entwicklungen auf dem Gebiet der Zahnimplantate und der Parodontologie sowie für die langjährige wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern geehrt. Mehrere Ehrendoktoren verlieh auch die Philosophisch-historische Fakultät – einerseits an Martin Fey, der nach seiner Pensionierung als Chefarzt Ur- und Frühgeschichte studierte, um sich der Erforschung der Oltner Besiedlungsgeschichte zu widmen. Andererseits dem Ehepaar Doris und Peter Walser-Wilhelm: Die beiden Gymnasiallehrkräfte aus Dietikon sammeln in einem umfangreichen Archiv Lebenszeugnisse des Dichters, Zeitkritikers, Politikers und Diplomaten aus dem Alten Bern, Karl Viktor von Bonstetten. Von der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät erhielt der Sportlehrer und Erziehungswissenschaftler Hansruedi Hasler die Ehrendoktorwürde. Er gilt als Förderer des helvetischen Nachwuchsfussballs unter einer ganzheitlichen Perspektive.

Theodor-Kocher-Preis für einen Biologen

Als besten Nachwuchswissenschaftler ehrte die Universität Bern dieses Jahr den Biologen Mark van Kleunen. Der gebürtige Holländer hat gemäss Laudatio in Bern eine international angesehene Forschungsgruppe aufgebaut – auf dem wichtigen Gebiet der Invasionsbiologie: Der Pflanzenökologe betont, dass nur breit angelegte Mehrarten-Experimente die Mechanismen für den Erfolg von invasiven Pflanzen erklären könnten. Solche Studien könnten schliesslich auch die Grundlage sein, auf welcher invasive Eindringlinge vor einer kommerziellen Einführung in neue Gebiete auf ihre Risiken geprüft werden sollten. Mark van Kleunen habilitierte in Bern, wo er seit 2007 arbeitet, nachdem er lange Zeit in Zürich und im Ausland – Kanada, Südafrika und Deutschland – geforscht hat.

Haller-Medaille und Best Teaching Award

Auf Antrag der Philosophisch-historischen Fakultät verlieh die Universität Bern die Haller-Medaille an Simone de Angelis, der als Vermittler zwischen zwei Wissenschaftskulturen gelobt wurde. Der Germanist erforscht die Beziehung zwischen Literaturwissenschaft, Anthropologie und Geschichte der Naturwissenschaften. Den Credit Suisse Award for Best Teaching erhielt Fritz Osterwalder. Der Erziehungswissenschaftler verstehe es, in seinen Lehrveranstaltungen über die Geschichte von Bildung und Erziehung zu begeistern, heisst es in der Laudatio.

04.12.2010