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Mittelalterliche Handschriften – der «Berner Parzival»

In der Zentralbibliothek werden unter dem Titel «Schachzabel, Edelstein und der Gral» kostbare Handschriften aus dem Mittelalter ausgestellt. Von der Berner Parzival-Abschrift ist ein Digitalfaksimile auf DVD entstanden.

Der «Parzival» Wolframs von Eschenbach gehört zu den bedeutendsten Erzählungen des europäischen Mittelalters. Eine der kostbaren Handschriften des Parzival bewahrt die Burgerbibliothek Bern auf. Sie ist Mittelpunkt einer Ausstellung, die das Institut für Germanistik zusammen mit der Burgerbibliothek und der Universitätsbibliothek erarbeitet hat. Gleichzeitig erscheint als Ausstellungskatalog der erste Band der neuen Schriftenreihe «Passepartout» der Burgerbibliothek und ein elektronisches Faksimile des Berner Parzival.

«Schachzabel, Edelstein und der Gral»

Mittelalterliche Bücher (Codices) üben einen besonderen Reiz auf den modernen Betrachter aus: Einband, Beschreibstoff und Schrift verweisen auf eine vergangene Epoche, in der Bücher aufgrund ihres aufwendigen Herstellungsprozesses einen beträchtlichen Wert darstellten. Sie sind kein Alltagsgegenstand, entsprechend ist auch der Leserkreis ein exklusiverer als heute. Im Spätmittelalter nimmt die Produktion volkssprachlicher Texte stark zu und es etablieren sich neue Gattungen. Neben dem Versroman, der ab dem späten 12. Jahrhundert zunächst an den Höfen in Mode kam, bilden sich allmählich Frühformen des modernen Prosaromans heraus. Rasch verbreiten sich auch didaktische Texte, die das Publikum zu belehren und zu unterhalten suchen. Noch häufiger entstehen geistliche Texte, darunter Predigten und erbauliche Schriften, die Glaubensinhalte vermitteln. Diese Schriften des 14. und 15. Jahrhundert spiegeln nicht nur die literarischen Vorlieben eines vorwiegend städtischen Publikums, sie künden auch den Medienwechsel von der Handschriften- zur Druckkultur an.

Im Mittelpunkt der aus den Schätzen der Burgerbibliothek Bern vorgestellten Handschriften steht die Berner Parzival-Handschrift. Im Jahre 1467 vom Berner Twingherr Jörg Friburger erworben, ist sie die letzte heute erhaltene Abschrift des im ganzen Mittelalter so beliebten Gralromans. Gegenüber dem ursprünglichen Versroman, den Wolfram von Eschenbach um 1200 verfasst hat, weist das Berner Manuskript sprachliche und inhaltliche Modernisierungen auf; zusammen mit dem umfangreichen Illustrationszyklus liefert es damit eine neue Deutung des Geschehens mit zeitgenössischer burgundischer Prägung. Didaktische Absichten verfolgen die Fabelsammlung «Der Edelstein» des Berner Mönchs Ulrich Boner und das «Schachzabelbuch» Konrads von Ammenhausen. Während Boner an Beispielen aus dem Tierreich richtige und falsche Verhaltensweisen vorführt, entwickelt Konrad anhand des beliebten Schachspiels ein Modell, welches das Zusammenwirken der Gesellschaft erklärt.

Neue Schriftenreihe

Die zur Ausstellung erscheinende Begleitpublikation – gleichzeitig der erste Band der neuen Schriftenreihe Passepartout der Burgerbibliothek Bern – erschliesst Aspekte der spätmittelalterlichen Manuskriptkultur anhand der in Bern erhaltenen Sammlung. Vorgestellt werden ausgewählte Handschriften und die darin überlieferten Texte vor dem Hintergrund ihres geschichtlichen Umfelds. Der Band ist reich bebildert und bibliophil gestaltet.

Digitalfaksimile des Parzival

Das anlässlich der Ausstellung auf DVD erscheinende Digitalfaksimile eröffnet vielfältige Einblicke in die Berner Parzival-Handschrift. Der Datenträger bietet Farbabbildungen in veränderbaren Grössen sowie eine Volltranskription, welche die Lektüre der spätmittelalterlichen Schriftzüge erleichtert. Eine ausführliche Einleitung in elektronischer und gedruckter Form stellt die geschichtliche und mediale Eigenart des Berner Codex in allgemein verständlicher Sprache vor.

18.03.2009