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Fluide Intelligenz lässt sich steigern

Die Fähigkeit, sich an neue Situationen anzupassen – die sogenannte fluide Intelligenz – ist nicht angeboren, wie bisher angenommen: Psychologen der Universität Bern haben ein Trainingsprogramm entwickelt, mit dem sich diese Kern-Intelligenz steigern lässt. Ihre Erkenntnisse werden heute im Journal «Proceedings of the National Academy of Scienes» publiziert.

Intelligenz kann in eine fluide und in eine kristalline Komponente unterteilt werden. Unter kristalliner Intelligenz versteht man den Gebrauch von Wissen, Fertigkeiten und Erfahrung. Demgegenüber wird unter fluider Intelligenz die Fähigkeit verstanden, neue Probleme zu lösen oder sich generell an neue Situationen anzupassen. Entsprechend ist fluide Intelligenz wichtig für viele kognitive Bereiche und wird als einer der wichtigsten Faktoren für Lernen angesehen. Die bisherige Forschung hat durch Tests gezeigt, dass sich die fluide Intelligenz lediglich durch das Training des Tests selbst steigern lässt. Beim Training einer vom Intelligenztest unterschiedlichen Aufgabe hingegen funktioniert dies nicht. Entsprechend wurde bisher angenommen, dass fluide Intelligenz angeboren und unveränderbar ist. An der Universität Bern hat aber nun ein Team von Psychologen um Prof. Walter Perrig ein kognitives Trainingsprogramm entwickelt, welches gesteigerte fluide Intelligenzleistungen zur Folge hatte.


Trainingsprogramm ermöglicht Intelligenz-Transfer

In dieser Studie absolvierten die Versuchspersonen zunächst einen Vortest mit einem Standardverfahren zur Erfassung von fluider Intelligenz. Die Versuchspersonen trainierten dann entweder 8, 12, 17, oder 19 Tage lang mit der Trainingsaufgabe des Programms. Dieses beinhaltet komplexe Aufgaben, um das Arbeitsgedächtnis zu trainieren. Das Arbeitsgedächtnis ist zuständig für die vorübergehende Speicherung von Information, für die Planung, die Koordination und die Kontrolle bei der Durchführung von Aufgaben und für die Hemmung störender oder unwichtiger Einflüsse. Nach Beendigung dieses Trainings wurden die Versuchspersonen wiederum auf fluide Intelligenz getestet und ihre Leistungen wurden mit jenen von untrainierten Gruppen verglichen. Obwohl die Intelligenzleistung der untrainierten Gruppen aufgrund des Übungseffekts ebenfalls leicht anstieg, war die Verbesserung der trainierten Gruppen viel stärker und wurde mit zunehmender Trainingszeit grösser. Das heisst: Je länger das Training mit dem Programm andauerte, desto grösser war die Steigerung der fluiden Intelligenzleistung.

«Interessant dabei ist, dass die Aufgaben des Trainingsprogramms sich völlig unterscheiden von denen des fluiden Intelligenztests», meint Walter Perrig. «Wir gehen davon aus, dass ein Transfer von den im Arbeitsgedächtnis trainierten Prozessen auf die Intelligenz stattfindet – dass also unser Programm Prozesse im Gehirn verbessert, welche für die Aufgabenlösung in vielen Bereichen relevant sind.»

Die Forschenden versprechen sich von den Ergebnissen wichtige Inputs für die Intelligenztheorie und viele Anwendungsmöglichkeiten zur Verbesserung von Denkleistungen im Alltag, in schulischen und beruflichen Bereichen und in der Rehabilitation.


Quellenangabe:

Susanne M. Jaeggi, Martin Buschkuehl, John Jonides, Walter J. Perrig: Improving fluid intelligence with training on working memory. PNAS April 28, 2008, 10.1073/pnas.0801268105 (Psychology-Social Sciences)

29.04.2008