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Die grossen Spinnen kommen

Etwa alle zwei Jahre siedelt sich eine neue Spinnenart in Europa an. Hauptgrund dafür ist der zunehmende globale Handel. Die eingeschleppten Arten sind meistens grösser als die einheimischen und leben vorwiegend in Gebäuden.

In den letzten 150 Jahren wurden 87 Spinnenarten unbeabsichtigt nach Europa eingeführt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Prof. Wolfgang Nentwig und dem Doktoranden Manuel Kobelt vom Zoologischen Institut der Universität Bern. Die eingeschleppten Arten sind im Durchschnitt grösser als die einheimischen, weil grosse Spinnen resistenter gegen Stressfaktoren während des Transports sind und bessere Chancen haben, in einem neuen Gebiet lebensfähige Populationen zu entwickeln. Publiziert wurde die Studie Anfang Oktober in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift «Diversity and Distributions».

Die Zahl eingeschleppter Spinnen ist in der untersuchten Zeitspanne linear angestiegen. Die Forscher sehen einen Zusammenhang mit dem zunehmenden globalen Handel, denn Spinnen werden vor allem mit Industriewaren eingeführt. «Je intensiver der Warenaustausch mit einem Kontinent ist, desto mehr neue Arten werden von dort eingeschleppt», erklärt Nentwig. Dabei spielen auch die Handelswege eine wichtige Rolle. Je mehr und vor allem je schnellere Handelswege eine bestimmte Region mit Europa verbinden, umso mehr fremde Arten überleben den Transport in Frachtcontainern und siedeln sich bei uns an.


Klimawandel bringt subtropische Arten nach Europa

Das erklärt, weshalb die meisten neuen Arten aus Asien stammen. Die Transportwege zwischen Europa und Asien sind kurz und es herrscht reger Flugverkehr, der für fremde Arten besonders günstige Einwanderungsbedingungen bietet. Zudem weisen grosse Regionen Zentralasiens relativ ähnliche klimatische Bedingungen zu Europa auf, was den Spinnen die Ansiedlung erleichtert. Die Studie von Nentwig und Kobelt zeigt: Aus Südamerika stammen nur drei der 87 eingeschleppten Arten, aus Australien deren vier. Diese Zahlen könnten sich jedoch bald verändern, da der Klimawandel in Europa einen auch für subtropische Spinnen immer besser geeigneten Lebensraum schaffe, befürchten die Forscher.


Giftige Spinnen in der Hauswand

Die Resultate der Studie sind eher konservativ, weil Spinnen nur schlecht untersucht sind und nach der Ankunft in einer neuen Region oft nur schwer zu finden sind. «Für die nahe Zukunft prognostizieren wir die Ansiedlung von mindestens einer fremden Spinnenart pro Jahr in Europa», schreibt Nentwig im Forschungsbericht. Darunter könnten auch vermehrt giftige Arten zu finden sein. Für den Menschen ist das insofern gefährlich, als fast drei Viertel der eingeschleppten Spinnen in urbanen Gebieten und in Gebäuden leben. Die Einflüsse, die der neue Artenreichtum auf das Ökosystem haben könnte, sind noch weitgehend unbekannt.

15.11.2007