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Erhöhte Erdbebengefahr infolge des Rückzugs von Gletschern und Seen

Klimakontrollierte Prozesse wie Rückzüge von Gletschern oder Seen bewirken eine Zunahme der Häufigkeit von Erdbeben. Dies haben Untersuchungen von geologischen Störzonen ergeben. Die Resultate wurden in der Fachzeitschrift «Nature» publiziert.

Rückzüge von Gletschern und Seen bewirken eine Zunahme der Erdbebenhäufigkeit. Dies ist das Ergebnis der Untersuchungen von Dr. Andrea Hampel vom Institut für Geologie der Universität Bern und Professor Dr. Ralf Hetzel vom Geologisch-Paläontologisches Institut der Universität Münster, die sie in der Fachzeitschrift «Nature» (Bd. 435) vorstellen. Das Resultat wurde anhand eines Modells einer Störzone sowie geologischer und paläoseismologischer Daten ermittelt. Störzonen sind Grenzflächen zwischen verschiedenen Blöcken der Erdkruste. Bei Erdbeben kommt es zur ruckartigen Bewegung dieser Krustenblöcke. Mit den Untersuchungen ist es Forschern zum ersten Mal gelungen, einen Zusammenhang zwischen dem klimakontrollierten Rückzug von Gletschern und Seen und der Häufigkeit von Erdbeben an Störzonen nachzuweisen.

Hinweise auf den Zusammenhang zwischen klimakontrollierten Prozessen an der Erdoberfläche und einer aktiven Störzone gab es bereits einige; der Beweis aber fehlte bislang. Weltweit am besten dokumentiert sind die Fakten rund um die so genannte «Wasatch-Störung» in der Basin-and-Range-Provinz in den USA. In den letzten 10’000 Jahren hat sich die Erdbebenhäufigkeit an dieser rund 400 Kilometer langen Störzone erheblich erhöht. Die «Wasatch-Störung» stellt eine ernsthafte seismische Bedrohung für das Ballungszentrum Salt Lake City, Utah, dar. Ursprünglich war die Erdkruste an der Störzone durch Gletscher der letzten Eiszeit und durch einen See bedeckt, der 350 Meter tief und hundertmal grösser als der Bodensee war. Mit dem Ende der Eiszeit vor ungefähr 15'000 Jahren zogen sich die Gletscher zurück und der See trocknete aus. Wie paläoseismische Daten belegen, stieg danach die Erdbebenhäufigkeit auf der «Wasatch-Störung» an. Andrea Hampel und Ralf Hetzel haben die Reaktion einer Störzone auf das Abschmelzen von Gletschern und die Austrocknung von Seen mit Modellierungen simuliert. Diese Modelle zeigen, dass Veränderungen an der Erdoberfläche den Spannungszustand in der Erdkruste erheblich beeinflussen, was wiederum eine Häufung von Erdbeben nach sich ziehen kann. Die Ergebnisse der Studie haben praktische Konsequenzen: Wenn die Aktivität seismogener Störungen untersucht und das seismische Gefährdungspotentials bewertet wird, muss der Einfluss von Gletschern und Seen, die sich nach der letzten Eiszeit zurückgezogen haben, berücksichtigt werden.

05.05.2005