Berner Studie zum regulierten Cannabisverkauf bewilligt

Das Projekt «SCRIPT – The Safer Cannabis Research In Pharmacies randomized controlled Trial» der Universität Bern hat grünes Licht vom Bundesamt für Gesundheit BAG, der Kantonalen Ethikkommission Bern und der Ethikkommission Nordwest- und Zentralschweiz erhalten. Gemeinsam mit der Universität Luzern und den Städten Bern, Biel und Luzern sollen die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen des regulierten Cannabisverkaufs untersucht werden. Die Studie startet voraussichtlich im Herbst 2023.

Die SCRIPT-Studie wird durch Forschende der Universitäten Bern und Luzern in Zusammenarbeit mit den Städten Bern, Luzern und Biel sowie zahlreichen Partnerinstitutionen und Behörden durchgeführt. Nun haben das Bundesamt für Gesundheit BAG, die Kantonale Ethikkommission Bern und die Ethikkommission Nordwest- und Zentralschweiz der SCRIPT-Studie die nötigen Bewilligungen erteilt, und auch das Einverständnis der Städte Bern, Luzern und Biel liegt vor. Damit kann die Studie voraussichtlich im Herbst 2023 starten.

Strikte Regulierung, keine freie Legalisierung

«Ziel der Studie ist, die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen eines strikt regulierten, nicht-gewinnorientierten Verkaufs von Cannabis in Apotheken zu untersuchen» sagt Reto Auer, Leiter der SCRIPT-Studie an der Universität Bern. Dabei können die Studienteilnehmenden Cannabisprodukte, die spezifisch für die Studie hergestellt wurden, in ausgewählten Apotheken beziehen. Mit dem Erlös aus dem Verkauf decken die Apotheken ihren Aufwand, erzielen aber keinen Gewinn.

Im Rahmen der Studie wird das Angebot kontrolliert und auch die Nachfrage soll eingedämmt werden: Durch eine Regulierung ist Werbung nicht gestattet und die Produkte müssen neutral und, standardisiert verpackt werden. «Diese Elemente sollen die Produkte vor allem für Jugendliche weniger ansprechend machen – das wissen wir aus der Tabakprävention», erklärt Auer. «Unsere Studie zielt daher nicht auf eine Legalisierung von Cannabis im freien Markt ab – sondern darauf, die Probleme, die durch ein Verbot und den Schwarzmarkt entstehen, angehen zu können und mögliche Ansätze zur Schadensminderung zu testen, sowie eine strikte Kontrolle des Angebots und der Nachfrage für Cannabis einzusetzen», so Auer weiter. Die Studie solle zudem Daten liefern, um auf eine allfällige künftige Regulierung von Cannabis vorbereitet zu sein und die öffentliche Gesundheit und soziale Sicherheit im Falle einer solchen Regulierung zu verbessern.

Gesundheitliche Beratung und Prävention

Bei Cannabiskonsumierenden ist der Tabakkonsum in Joints oder in Zigaretten die häufigste vermeidbare Ursache für Krankheiten. Durch eine Regulierung kann geschultes Verkaufspersonal Beratung und Unterstützung beispielsweise bei der Tabakentwöhnung anbieten und die Teilnehmenden über risikominimierende Konsumformen wie Vapen informieren. «Die Abgabe in der Apotheke erlaubt eine bessere Aufklärung und die Möglichkeit, Schäden zu mindern. Die Konsumierenden wissen häufig nicht, was in ihrem Cannabis alles enthalten ist. Auf dem illegalen Markt gibt es Cannabis, das synthetische Cannabinoide, Pestizide oder Pilze enthält – einige davon sind sehr gefährlich», so Auer.

Ein solcher problematischer Cannabiskonsum kann auch zu psychischen Krankheiten wie beispielsweise Psychosen führen. «Der Verkauf von Cannabis durch geschulte Gesundheitsfachpersonen ermöglicht Früherkennungsmassnahmen und Beratungen, was auf dem jetzigen illegalen Markt nicht der Fall ist», erklärt Philippe Pfeifer, Leiter des Zentrums für Suchtpsychiatrie der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD). Er wird im Rahmen von SCRIPT die psychiatrischen Folgen und den Nutzen von psychiatrischen Angeboten für Teilnehmende untersuchen.

Randomisiert kontrollierte Studie in drei Gemeinden

Die Studie wird in den drei Gemeinden Bern, Biel und Luzern durchgeführt. Dabei ist die Rekrutierung von rund tausend Teilnehmenden geplant. Nach dem Zufallsprinzip («Randomisierung») wird während den ersten sechs Monaten nur der Hälfte der Teilnehmenden den Kauf von regulierten Cannabisprodukten in Apotheken ermöglicht. Dieses kontrollierte Vorgehen soll eine möglichst hohe Aussagekraft der Studienresultate ermöglichen. An der Studie teilnehmen können Personen, die nachgewiesenermassen regelmässig in der Freizeit Cannabis konsumieren und mindestens 18 Jahre alt sind.

Schweizweite Bestrebungen

In Basel, Zürich und Lausanne sind vergleichbare Studien bereits gestartet. Nach Basel, Zürich, Lausanne und Bern planen auch weitere Schweizer Städte und Kantone wissenschaftliche Pilotstudien mit Cannabis. «Diese Studien stellen eine einzigartige Möglichkeit dar, wissenschaftliche Erkenntnisse über verschiedene Regulierungsansätze zu erhalten», sagt Auer. Diese Erkenntnisse sollen zu einer fundierten Diskussionsgrundlage rund um eine verantwortungsvolle Cannabispolitik in der Schweiz beitragen.

Die SCRIPT-Studie wird vom Schweizerischen Nationalfonds SNF unterstützt.

Die SCRIPT-Studie

Die Studie «Safer Cannabis – Research In Pharmacies randomized controlled trial» (SCRIPT) wird durch Forschende aus mehreren Instituten an der Universität Bern und Luzern geführt, in Zusammenarbeit mit den Städten Bern, Luzern und Biel im Rahmen des sogenannten Experimentierartikels des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG). Der Artikel ist im Mai 2021 in Kraft getreten und erlaubt es den Städten, wissenschaftliche Pilotversuche mit kontrollierter Abgabe von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken durchzuführen. Zentral im Projekt ist die nicht-gewinnorientierte Abgabe von Cannabis mit dem Fokus Gesundheitsförderung, Jugendschutz sowie öffentliche Sicherheit. Das Cannabis für die Studie stammt aus der Schweiz und wird nach Vorschriften der Bio-Verordnung produziert. Der Herstellungsprozess wird vom BAG geprüft und die Produkte von unabhängigen Stellen im Labor analysiert. Die THC-Konzentration ist gesetzlich auf maximal 20 Prozent beschränkt. Die Studien-Teilnehmenden können in ausgewählten Apotheken aus verschiedenen Produkten wie Cannabisblüten, Cannabisharz oder E-Flüssigkeiten mit unterschiedlichem THC- und CBD-Gehalt wählen. Der Verkauf erzielt keinen Gewinn, sondern deckt nur die Kosten der Apotheken. Diese sind auch Beratungsstellen, wobei die Mitarbeitenden unter anderem zu Themen wie Rauchstopp oder Erkennen von Psychosen geschult werden. An der Studie teilnehmen können Personen, die bereits regelmässig in der Freizeit Cannabis konsumieren und mindestens 18 Jahre alt sind. Eine Anmeldung zur Studienteilnahme ist zurzeit noch nicht möglich.
Weitere Informationen zu SCRIPT: https://www.script-studie.ch/

An der SCRIPT-Studie beteiligte Institute, Behörden und Städte

Die SCRIPT-Studie ist ein partizipatives, interprofessionelle und interdisziplinäres Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit Städten und Behörden. In den bald 10 Jahren seit der ersten Formulierung der Forschungsfragen und Ziele stützt sich die Studie auf eine breite Unterstützung von Forschenden aus mehreren Instituten der Universitäten Bern und Luzern, sowie der involvierten Städte Bern, Biel und Luzern und deren Behörden. Forschende aus dem Bereich Substanzkonsum am Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) (Fachkompetenzen: Hausarztmedizin, klinische Pharmazie, partizipative Forschung) koordinieren das interdisziplinäre Team in Zusammenarbeit mit Forschenden aus dem Zentrum für Hausarztmedizin und Community Care der Universität Luzern (Fachkompetenzen: Hausarztmedizin und Gesundheitsökonomie). Zum Team gehören weiter Forschende aus der Clinical Trial Unit (CTU) (Fachkompetenzen: Methodik) der Universität Bern, aus dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) (Fachkompetenzen: Öffentliche Gesundheit) der Universität Bern, aus den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) (Fachkompetenzen: Psychiatrie) und aus Unisanté der Universität Lausanne (Fachkompetenzen: Toxikologie).
Ein Scientific Advisory Board, mit nationalen und internationalen Expertinnen und Experten berät das Studienteam unter anderem zu Suchtmedizin und Regulierung. Zusätzlich finden seit 2021 im Rahmen einer partizipativen Begleitgruppe regelmässige Treffen mit Personen statt, die in Bern Cannabis konsumieren. Teilnehmende aus dieser Gruppe kommentieren und beraten das Studienteam bezüglich Angebot und präventiver Massnahmen, die im Projekt direkt eingebaut werden. Die Apotheken werden in einer separaten Begleitgruppe ebenfalls konsultiert. Das Forschungsteam ist auch in regelmässigem Kontakt mit der Polizei sowie weiteren Behörden und Präventionsinstanzen.

 

10.05.2023