Palästinensische Schriftstellerin Adania Shibli ist neue Friedrich Dürrenmatt Gastprofessorin

Die palästinensische Schriftstellerin Adania Shibli lehrt im Herbstsemester 2021 als 16. «Friedrich Dürrenmatt Gastprofessorin für Weltliteratur» an der Universität Bern. In ihrem wöchentlichen Seminar stellt sie die Frage, wie sich aus dem Fallen, dem Fliehen und dem Scheitern neue Sichtweisen ergeben.

Im Herbstsemester 2021 übernimmt Adania Shibli die Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur an der Universität Bern. Die 1974 in Palästina geborene Schriftstellerin wird während eines Semesters wie eine reguläre Professorin an der Philosophisch-historischen Fakultät eine Lehrveranstaltung anbieten und mit Studierenden und Doktorierenden zusammenarbeiten. Shibli folgt auf den Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss, der die Dürrenmatt Gastprofessur im Frühjahrssemester 2021 innehatte.

«Die Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur ist eine literarische Reise um die Welt», sagt Oliver Lubrich, Projektleiter und Literaturwissenschaftler an der Universität Bern. «Nach Gästen zum Beispiel aus China, Kuba und dem Kongo, aus Burma, Haiti und Kolumbien eröffnet uns Adania Shibli Einblicke in die Literatur und Kultur ihrer palästinensischen Heimat.»

Ausgezeichnet mit dem Young Writers Award – Palestine

Adania Shiblis erster Roman, Mis?s (2002, englisch Touch), wurde ebenso wie ihr zweiter, Kullun? Ba??d bi-??t al-Miqd?r ?an al-?ubb (2004, englisch We are All Equally Far from Love), mit dem Young Writers Award – Palestine ausgezeichnet. Neben ihren Romanen, die aus dem arabischen Original in mehrere Sprachen übersetzt wurden, verfasste Shibli Essays und Kurzgeschichten sowie ein Theaterstück mit dem Titel The Error (2005), das in London und San Francisco aufgeführt wurde. Ihr neuester Roman, Taf??l ??naw? (2017, englisch Minor Detail), handelt von der Erinnerung an die Vergewaltigung und Ermordung einer palästinensischen Frau durch israelische Soldaten. Das Werk wurde nominiert für den International Booker Prize. «Adania Shiblis Literatur handelt vom Israel-Palästina-Konflikt», so Oliver Lubrich, «und zugleich von allgemein menschlichen Themen wie Gewalt und Gedächtnis».

Auseinandersetzung mit der Geschichte Palästinas

Adania Shibli sagt, sie schreibe nicht über Palästina. Ihre Texte sind jedoch von ihrem Heimatland und von ihren Erfahrungen, die sie dort machte, geprägt. Ihre Romane spielen in Palästina, sie erzählen vom alltäglichen Leben in einem Land, das immer wieder die politischen Nachrichten bestimmt. Die Handlungen gehen von historischen Ereignissen aus. Durch ihre jungen Protagonistinnen führt Adania Shibli vor Augen, was es bedeutet, sich mit der Geschichte Palästinas auseinanderzusetzen, sich zugleich in dessen Gegenwart zurechtzufinden und dabei die Herausforderungen des Erwachsenwerdens zu bewältigen.

Fallen, Fliehen und Scheitern als literarische Motive

In ihrer wöchentlichen Lehrveranstaltung untersucht Adania Shibli mit den Studierenden drei Motive als Ausgangspunkte für literarisches Schaffen, buchstäblich und metaphorisch: das Fallen, das Fliehen und das Scheitern. Dabei setzt sie sich mit Autorinnen und Autoren auseinander, deren Literatur in Gefangenschaft, im Exil oder unter psychischem Zwang entstanden ist: zum Beispiel Ágota Kristóf, Sylvia Plath und Robert Walser. Im Fallen, Fliehen und Scheitern sieht Adania Shibli künstlerische Möglichkeiten, mit dem Gewohnten zu brechen und die Welt aus neuen Perspektiven wahrzunehmen.

Die öffentliche Auftaktveranstaltung mit Adania Shibli findet am 13. Oktober 2021 um 18.30 Uhr im Hallersaal der Burgerbibliothek in Bern statt.

Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur

Die Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur erweitert das akademische und kulturelle Angebot in Bern und darüber hinaus. Seit dem Frühjahr 2014 unterrichtet in jedem Semester ein internationaler Gast an der Universität Bern. Die Autorinnen und Autoren geben je eine 14-wöchige Lehrveranstaltung und arbeiten wie reguläre Professorinnen und Professoren mit Studierenden und Doktorierenden zusammen. Zusätzlich zu ihren Seminaren oder Vorlesungen werden universitäre und öffentliche Veranstaltungen in Bern sowie an anderen Orten in der Schweiz organisiert. Die Gastprofessur wird verwirklicht mit Unterstützung der Stiftung Mercator Schweiz und der Burgergemeinde Bern.
Weitere Informationen zur Dürrenmatt Gastprofessur
Projektseite: www.wbkolleg.unibe.ch

Bisherige Friedrich Dürrenmatt Gastprofessorinnen und Gastprofessoren

Frühjahrssemester 2014: David Wagner (Deutschland)
Herbstsemester 2014: Joanna Bator (Polen)
Frühjahrssemester 2015: Louis-Philippe Dalembert (Haïti)
Herbstsemester 2015: Wendy Law-Yone (Burma)
Frühjahrssemester 2016: Fernando Pérez (Kuba)
Herbstsemester 2016: Wilfried N’Sondé (Kongo)
Frühjahrssemester 2017: Juan Gabriel Vásquez (Kolumbien)
Herbstsemester 2017: Josefine Klougart (Dänemark)
Frühjahrssemester 2018: Xiaolu Guo (China)
Herbstsemester 2018: Peter Stamm (Schweiz)
Frühjahrssemester 2019: Nedim Gürsel (Türkei)
Herbstsemester 2019: Lizzie Doron (Israel)
Frühjahrs- und Herbstsemester 2020 (im 1. Jahr der Covid-19-Pandemie): Mathias Énard (Frankreich)
Frühjahrssemester 2021: Lukas Bärfuss (Schweiz)

 

27.08.2021