Mehr Forellenwanderungen führen nicht zur Ausbreitung von Fisch-Krankheit

Forschende der Universität Bern konnten zeigen, dass die Beseitigung einer Barriere im Fluss dazu führt, dass einheimische Bachforellen wieder in Laichgewässer aufsteigen, und dabei nicht zur Ausbreitung der gefürchteten Fisch-Erkrankung PKD beitragen. Die Ergebnisse bekräftigen, dass die Durchgängigkeit von einheimischen Gewässern wichtig ist, um bedrohte Fischarten und somit auch die Biodiversität zu erhalten.

Weltweit beobachten wir einen Rückgang der Biodiversität. Auch in der Schweiz sind beispielweise einheimische Fischpopulationen stark rückläufig und lokal sogar gefährdet. Verbauungen mit sogenannten Wanderhindernissen verhindern oft den Aufstieg von einheimischen Fischen in ihre Laich- und Überwinterungsgewässer. Deshalb hat die Schweiz beschlossen, die Gewässerdurchgängigkeit zu verbessern und die Fragmentierung von Gewässern bei der Bewertung der Gewässerqualität zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite steht die Besorgnis, dass invasive Arten und tödliche Krankheiten durch wandernde Fische in noch freie Gebiete übertragen werden und so die bereits sehr fragilen ökologischen Gemeinschaften und Fischpopulationen gefährden. Bisher fehlten jedoch konkrete Untersuchungen, inwieweit freie Wandermöglichkeiten zur Ausbreitung von Erkrankungen wirklich beitragen.

In einer neuen Studie, die soeben im Journal PLOS ONE publiziert wurde, untersuchten Forschende um Heike Schmidt-Posthaus vom Zentrum für Fisch- und Wildtiermedizin (FIWI) der Universität Bern, welche Auswirkungen es auf den Transport von Krankheitserregern hat, wenn sich Fische durch die Beseitigung von Wanderhindernissen besser flussaufwärts bewegen können. Als Fallbeispiel dienten Forellen im Ehrenbach, einem Nebenfluss der Wutach, die im Klettgau eine natürliche Grenze zwischen dem Kanton Schaffhausen in der Schweiz und dem badischen Landkreis Waldshut in Deutschland bildet.

Der Ehrenbach als Freiluftlabor

Wie viele Forellengewässer in Europa ist die Wutach von der Krankheit PKD (Proliferative Nierenerkrankung oder Proliferative Kidney Disease) betroffen, eine gefürchtete Erkrankung, die als Mitursache für den Bachforellenrückgang in verschiedenen europäischen Ländern diskutiert wird. Sie wird durch einen Parasiten (Tetracapsuloides bryosalmonae) hervorgerufen.

Im Jahr 2014 wurde ein für Forellen unüberwindbares Hindernis, eine Betonschwelle, zwischen der PKD-positiven Wutach und dem PKD-negativen Nebengewässer, dem Ehrenbach, entfernt. In einem grenzüberschreitenden Projekt zwischen der Schweiz und Deutschland wurden im Anschluss die Forellen in beiden Flüssen während fünf Jahren beobachtet. «Wir untersuchten die Erkrankungshäufigkeit und die damit verbundenen Organschäden bei betroffenen Bachforellen in der Wutach und im Ehrenbach jährlich», sagt die Erstautorin Heike Schmidt-Posthaus. Zudem wurden in Zusammenarbeit mit der FishConsulting GmbH und vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern aus der Schweiz und Deutschland die Wanderaktivitäten von 162 mittels elektronischem Chip markierten Bachforellen über zwei Jahre dokumentiert.

Keine Ausbreitung der Erkrankung in das Nebengewässer

«Dank der Chip-Markierung konnten wir feststellen, dass adulte Bachforellen vor allem während der Wintermonate stromaufwärts in das Nebengewässer einwandern», erklärt Armin Peter von FishConsulting. Die Forellen wanderten wahrscheinlich zum Laichen in das Gewässer ein. Trotzdem blieb das Nebengewässer krankheitsfrei. «Wir konnten zu keinem Zeitpunkt PKD nachweisen, und keine der im Laufe der fünf Jahre untersuchten 120 Bachforellen zeigten Krankheitsanzeichen» sagt Heike Schmidt-Posthaus. Die Studie zeigt somit, dass die Wanderung von Bachforellen aus einem PKD-positiven Flussabschnitt in einen PKD-negativen Nebenfluss, hauptsächlich zum Laichen, zu keiner Ausbreitung von PKD innerhalb der Beobachtungszeit von fünf Jahren geführt hat. «Dies hat wahrscheinlich damit zu tun, dass vor allem adulte Forellen während der Wintermonate in den Nebenfluss einwanderten. Die Erkrankung spielt jedoch bei Jungtieren eine Rolle, Parasitensporen werden insbesondere während der Sommermonate ausgeschieden», erklärt Schmidt-Posthaus.

Für Bachforellen, die beträchtliche Distanzen zurücklegen, um Laichgründe zu erreichen, ist die Verbindung von Flusssystemen unablässig. Darüber hinaus erhöht eine hohe Durchgängigkeit auch die Artenvielfalt und erleichtert die Wanderung auch für kleinere Fischarten und Wirbellose. Dass der Abbau von Wanderhindernissen bei diesen Vorteilen nicht zu einer Ausbreitung von PKD im Untersuchungszeitraum geführt hat, ist also ein gutes Zeichen für die Biodiversität. Die vorliegende Studie leistet somit auch einen Beitrag zum Verständnis der Bedeutung der Durchgängigkeit von einheimischen Gewässern für die Erhaltung bedrohter Fischarten und der Biodiversität. «Untersuchungen wie unsere sind zwingend notwendig, um Gefahren und Möglichkeiten von Revitalisierungsmassnahmen besser einschätzen zu können und wissenschaftliche Grundlagen für diese oft politischen Entscheidungen zu liefern», so Schmidt-Posthaus.

Angaben zur Publikation:

Schmidt-Posthaus, Schneider, Schölzel, Hirschi, Stelzer, Peter: The role of migration barriers for dispersion of Proliferative Kidney Disease – balance between disease emergence and habitat connectivity. PLOS ONE, doi: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0247482

Das Zentrum für Fisch- und Wildtiermedizin (FIWI)

Das Zentrum, das an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern angesiedelt ist, erforscht infektiöse wie nicht-infektiöse Krankheiten von Fischen bzw. Wildtieren und bietet Diagnostikdienstleistungen für Fische und Wildtiere an. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten und forschen im Spannungsfeld von Veterinärmedizin, Ökologie, Epidemiologie, Molekularbiologie und Evolutionsbiologie.

  • In der Grundlagenforschung liegt der Fokus auf genetischen und epigenetischen Fragestellungen.
  • In der angewandten Forschung werden inter- und transdisziplinär Fragestellungen zur Populationsgesundheit, Monitoring und Surveillance bearbeitet, zum Beispiel in der Aquakultur oder bei freilebenden Raubtieren wie dem Luchs.
  • Die Diagnostikmethoden umfassen histopathologische, bakteriologische, virologische, parasitologische, mykologische, serologische und molekularbiologische Verfahren.

Das Zentrum arbeitet eng mit dem Bundesamt für Umwelt und dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zusammen, und fungiert als nationales Referenzlabor für meldepflichtige Fischkrankheiten sowie als anerkanntes Diagnostiklabor für meldepflichtige Fischseuchen, Krebspest und die Virale Hämorrhagische Krankheit der Hirsche.

Mehr Informationen: https://www.fiwi.vetsuisse.unibe.ch/

17.03.2021