Vorbeiflug an der Venus auf dem Weg zum Merkur

Die Raumsonde BepiColombo, die sich auf dem Weg zum Merkur befindet, absolviert am 15. Oktober 2020 einen Vorbeiflug an der Venus – eines der Abbremsmanöver, damit die Sonde in die Umlaufbahn vor Merkur gebracht werden kann. Mit an Bord der Raumsonde sind Instrumente, die am Physikalischen Institut der Universität Bern konzipiert und gebaut wurden. Mit weiteren Instrumenten, an denen die Berner Forschenden beteiligt sind, werden nun auf dem Weg zum Merkur auch Daten zur Venus gewonnen.

Am Samstag, 20. Oktober 2018 hat die Raumsonde BepiColombo vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ihre Reise zum Merkur angetreten. Die 6,40 Meter hohe und 4,1 Tonnen schwere Raumsonde BepiColombo besteht aus zwei Raumfahrzeugen: dem von der europäischen Weltraumorganisation ESA konstruierten Mercury Planetary Orbiter MPO und dem von der japanischen Weltraumagentur JAXA konstruierten Mercury Magnetospheric Orbiter MMO. Die beiden Raumfahrzeuge fliegen in einem gekoppelten System gemeinsam zum Merkur, werden dort aber auf unterschiedliche Umlaufbahnen gebracht. Der MMO wird die magnetosphärische Wechselwirkung zwischen dem Planeten und dem Sonnenwind untersuchen. Der MPO wird auf eine tiefere Umlaufbahn abgesenkt werden, die optimal für die Fernerkundung der Planetenoberfläche ist.

Unumgängliche Manöver auf einer langen Reise

Sieben Jahre wird die Reise der europäisch-japanischen Raumsonde zum Merkur, dem kleinsten Planeten unseres Sonnensystems, dauern. Hat BepiColombo die Zielumlaufbahn einmal erreicht, wird die Datenübertragung zur Erde etwa 15 Minuten in Anspruch nehmen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen und Experimente bei Merkur sollen schliesslich ein bis zwei Jahre dauern. Mit an Bord von BepiColombo sind Instrumente, die am Physikalischen Institut der Universität Bern konzipiert und gebaut wurden.

Dabei muss die Reise über Umwege erfolgen: «BepiColombo fliegt auf ihrem Weg zum Merkur zweimal an der Venus und sechsmal am Merkur vorbei, um die Raumsonde gegen die Anziehungskraft der Sonne abzubremsen, damit die Raumsonde in die Umlaufbahn von Merkur gebracht werden kann», erklärt Peter Wurz, Professor am Physikalischen Institut der Universität Bern und Co-Leiter der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie. Am 15. Oktober in den frühen Morgenstunden wird die Raumsonde zum ersten Mal in einer Distanz von 11'000 km an der Venus vorbeifliegen; der zweite Vorbeiflug ist für August 2021 geplant.

Daten zur Venus erwartet

An Bord von BepiColombo befindet sich unter anderem das SERENA Experiment, welches aus vier Instrumenten besteht. «Zu SERENA gehört auch das neuartige Massenspektrometer STROFIO, für das wir den grössten Beitrag geleistet haben», sagt Peter Wurz, der auch Projektleiter von STROFIO ist. «Wir werden mit STROFIO dereinst die sehr dünne Atmosphäre von Merkur – man spricht von einer Exosphäre – erfassen und deren chemische Zusammensetzung analysieren.»

Der Vorbeiflug an der Venus wird nicht nur zum Abbremsen, sondern auch für Messungen benutzt. Neben STROFIO ist die Universität Bern auch an zwei weiteren Instrumenten von SERENA beteiligt, dem MIPA und PICAM. «Von diesen beiden Instrumenten, die während des Vorbeifluges an der Venus eingeschaltet werden, erwarten wir Daten von den ionisierten Teilchen der Venus-Atmosphäre», erklärt Wurz. Die Sonne und der Sonnenwind tragen vom äussersten Rand der Venusatmosphäre ionisierte Teilchen ab. «Die Menge des Teilchenverlustes und dessen Zusammensetzung kann man mit den beiden Instrumenten bestimmen», so Peter Wurz weiter.

Gefragte Berner Expertise seit über 50 Jahren

Die Universität Bern habe über die Jahrzehnte immer wieder gezeigt, dass hier sehr hochwertige Instrumente für die Weltraumforschung gebaut werden können, sagt Peter Wurz. «Die Universität Bern war stets eine verlässliche Partnerin in diesen zahlreichen internationalen Zusammenarbeiten. Daher werden wir immer wieder für neue Missionen zu aufregenden Zielen im Sonnensystem angefragt.»

Die BepiColombo-Mission

Die BepiColombo-Mission besteht aus zwei Raumfahrzeugen, dem von der europäischen Weltraumorganisation ESA konstruierten und gebauten Mercury Planetary Orbiter (MPO) und dem von der japanischen Weltraumorganisation JAXA konstruierten und gebauten Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO). Die beiden Raumfahrzeuge werden in einem gekoppelten System gemeinsam zum Merkur fliegen, bis sie die Merkurumlaufbahn erreichen. Der MMO wird dann in eine Umlaufbahn von 400 km x 19’200 km gebracht, um die magnetosphärische Wechselwirkung zwischen dem Planeten und dem Sonnenwind detailliert zu untersuchen. Der MPO wird auf eine Umlaufbahn von 400 km x 1’500 km abgesenkt, die optimal für die Fernerkundung der Planetenoberfläche ist.

Mehr Informationen zur Mission BepiColombo auf der ESA-Webseite:

https://www.cosmos.esa.int/web/bepicolombo/home

 

Berner Instrumente an Bord von BepiColombo

Mit an Bord von BepiColombo sind Instrumente, die am Physikalischen Institut der Universität Bern konzipiert und gebaut wurden: Das Laser Altimeter BELA und das neuartige Massenspektrometer STROFIO.

Das Massenspektrometer STROFIO ist Teil von SERENA an Bord des MPO. Zielsetzung von SERENA ist die vollständige Charakterisierung der Teilchenpopulationen, der Ionen und Neutralteilchen, im Umfeld von Merkur unter dem Einfluss der Sonneneinstrahlung und des Sonnenwindes. Projektleiter von STROFIO ist Peter Wurz vom Physikalischen Institut der Universität Bern.
Mehr Informationen zu STROFIO auf der ESA-Webseite: https://www.cosmos.esa.int/web/bepicolombo/serena

Das Laser Altimeter BELA ist eines der wichtigsten Experimente an Bord des MPO. Zielsetzung ist die Vermessung der Form, der Topographie und der Morphologie der Oberfläche von Merkur. BELA wurde von einem internationalen Konsortium unter der Leitung der Universität Bern und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR entwickelt. Beim jetzigen Vorbeiflug an der Venus wird BELA aber nicht eingeschaltet. Nicolas Thomas, Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Bern, ist der Co-Projektleiter von BELA.
Mehr Informationen zu BELA auf der ESA-Webseite: https://www.cosmos.esa.int/web/bepicolombo/bela

Peter Wurz und Nicolas Thomas waren von Anfang an in die BepiColombo-Mission involviert: Die beiden Berner Weltraumforscher waren Teil der ESA-Arbeitsgruppe (Science Advisory Group), die diese Mission konzipiert hat. «Zu den grössten Herausforderungen der Mission zählt die Hitze, die uns beim Merkur aufgrund seiner Nähe zur Sonne erwartet», sagt Nicolas Thomas. Die Berner Forschenden mussten die Instrumente so konzipieren und bauen, dass diese die Hitze der Sonne aushalten können, die beim Merkur zehnmal so gross sein kann wie auf der Erde. 

 

Förderung durch das SBFI / Abteilung Raumfahrt

Die Mission BepiColombo wäre ohne die Förderung des SBFI / Abteilung Raumfahrt und der Beteiligung der Schweiz an der ESA nicht möglich. Insbesondere hat das SBFI die Entwicklung der wissenschaftlichen Instrumente finanziell unterstützt. Bei allen Instrumenten, die in der Schweiz und unter der Leitung der Universität Bern entwickelt wurden, stammen wesentliche Beiträge und/oder Teillieferungen aus der Schweizer Industrie. Nicht weniger als 20 Unternehmen trugen zur Entwicklung, Design und Bau der wissenschaftlichen Instrumente bei. Das PRODEX-Programm, in dessen Rahmen wissenschaftliche Instrumente oder Teilsysteme bereitgestellt werden, verlangt eine industrielle Beteiligung von mindestens 50% am Gesamtprojekt. Diese Bedingung ermöglicht einen Wissens- und Technologietransfer aus der Industrie und in die Industrie und verschafft dem Werkplatz Schweiz einen strukturellen Wettbewerbsvorteil – nicht zuletzt auch dank Spill-over-Effekten auf andere Sektoren der beteiligten Unternehmen. Beteiligungen der Schweiz an Programmen der ESA erlauben es Schweizer Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft, sich ideal in entsprechenden Aktivitäten der ESA zu positionieren.

 

Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.

Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei. In Zahlen ergibt dies eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), über 30 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und mit CHEOPS teilt die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission.

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

 

14.10.2020

Auf ihrer siebenjährigen Reise zum Merkur nutzt die europäisch-japanische Mission BepiColombo die Schwerkraft von Erde, Venus und Merkur, um ihre Flugbahn anzupassen und ihre endgültige Umlaufbahn zu erreichen. Die 2018 gestartete Raumsonde führt insgesamt neun schwerkraftunterstützte Vorbeiflugmanöver durch (in dieser Animation dargestellt), bevor sie im Dezember 2025 in eine Umlaufbahn um den innersten Planeten des Sonnensystems einschwenkt. © ESA - European Space Agency, CC BY-SA 3.0 IGO
Die Raumsonde wird zwei Vorbeiflüge an der Venus mit Hilfe der Schwerkraft absolvieren, um auf die Umlaufbahn von Merkur zu gelangen: einer am 15. Oktober 2020 und der zweite im August 2021. Am 10. April 2020 flog BepiColombo an der Erde vorbei und wird auch sechsmal am Merkur vorbeifliegen, bevor die Raumsonde im Dezember 2025 in die Umlaufbahn beim Merkur eintritt. © ESA/ATG medialab