Ältester See Europas dokumentiert Klimageschichte

Ein multidisziplinäres Grossprojekt mit Berner Beteiligung zeigt, dass der Ohridsee im Südbalkan tatsächlich der älteste See Europas ist. Eine im Fachmagazin «Nature» veröffentlichte Studie belegt, dass der See vor 1.36 Millionen Jahren entstanden ist und über diesen Zeitraum kontinuierlich Klimadaten aufgezeichnet hat.

Der Ohridsee liegt an der Grenze zwischen Albanien und Nordmazedonien und galt schon länger als einer der ältesten der Erde. Nun hat ein wissenschaftliches Tiefbohrprojekt, an dem 47 Forscherinnen und Forscher aus 13 Nationen beteiligt waren, diese Vermutung bestätigt. «Wir können belegen, dass der See vor etwa 1.36 Millionen Jahren entstanden ist und seitdem kontinuierlich existierte», erklärt der Geologe Hendrik Vogel von der Universität Bern. Er ist Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung und war einer der beiden Leiter der Studie. «Wir waren begeistert, als wir realisierten, dass wir einen der längsten und vollständigsten Seesedimentkerne gebohrt hatten», sagt Vogel, «jeder Klimaforscher träumt davon, hochaufgelöste regionale Klimadaten von über 1.3 Millionen Jahren zu erhalten.»  

Die Bohrung im Jahr 2013 stiess in einer Wassertiefe von 245 Metern 568 Meter tief in die Sedimentablagerungen vor. Sie war damit eine der erfolgreichsten Seebohrungen, die je im Rahmen des International Continental Scientific Drilling Program (ICDP) durchgeführt wurden. Nach fünf Jahren Untersuchungen an den Bohrkernen hat das Forschungsteam um Hendrik Vogel und Bernd Wagner von der Universität zu Köln soeben die Ergebnisse ihrer Studie in der Fachzeitschrift «Nature» publiziert.

Die gebohrten Sedimentkerne stellen ein wertvolles Archiv der regionalen Klimageschichte dar, zum Beispiel für Niederschläge. Die einmaligen Datensätze zu vergangenen Regenfällen lassen sich direkt mit den Resultaten von Klimamodellen vergleichen. «Unsere Forschung trägt dazu bei, die Ursachen von Veränderungen im Niederschlag besser zu verstehen und die künftigen Auswirkungen des Klimawandels besser vorherzusagen», so Geologe Vogel. 

Klimatische Verbindung zwischen Mittelmeerraum und tropischem Afrika

Die aus den Sedimentkernen gewonnenen geochemischen Daten und Pollenvorkommen zeigen für die vergangenen Warmzeiten im nördlichen Mittelmeerraum eine deutliche Erhöhung der Winterniederschläge. Das mediterrane Klima ist durch starke saisonale Kontraste zwischen trockenen Sommern und feuchten Wintern gekennzeichnet – und es hat Auswirkungen auf das Wetter in tausenden von Kilometern entfernten Regionen. «Wir haben entdeckt, dass Winterniederschläge im Mittelmeerraum und Sommerniederschläge des afrikanischen Monsuns gleichzeitig verstärkt auftreten», erklärt Hendrik Vogel, «es besteht also eine Verbindung zwischen dem Klimasystem der Tropen und den Regenfällen im den Mittleren Breiten.» 

Warmphasen im Norden bringen mehr Regen im Winter 

Immer wenn es in der Vergangenheit auf der Nordhemisphäre der veränderten Sommersonneneinstrahlung wegen zu Warmphasen gekommen sei, so Vogel, habe sich das tropische Klimasystem nordwärts bewegt, und am Ohridsee habe es im Winter mehr geregnet. Als möglichen Mechanismus führt Vogel die höheren Wassertemperaturen des Mittelmeers und die geringere Temperaturdifferenz der nördlichen Hemisphäre in den Wintermonaten während diesen Phasen an. Diese Faktoren hätten laut Modellierungsergebnissen vor allem im Winterhalbjahr eine verstärkte Tiefdruckbildung über dem westlichen Mittelmeer begünstigt. «Den zugrundeliegenden Mechanismus können wir mit Hilfe der neuen Daten nun besser verstehen und über die vergangen 1.3 Millionen Jahre durchgehend nachweisen.»

Quellen: Universität zu Köln, University of Wollongong

Publikationsangaben:

Hendrik Vogel, Bernd Wagner et al. Mediterranean winter rainfall in phase with African monsoons during the past 1.36 million years, Nature (2019). DOI: 10.1038/s41586-019-1529-0

04.09.2019