Universität Bern stärkt Forschung über die Fachgrenzen hinweg

An der Universität Bern wird die Forschung intensiviert: Mit drei neuen Interfakultären Forschungskooperationen IFK werden Netzwerkprojekte aus verschiedenen Fachbereichen gefördert. Die Projekte befassen sich mit der Gesundheit von Umwelt, Tier und Mensch, mit religiösen Konflikten sowie mit Schlaf.

Die Universität Bern geht in der Forschungsförderung neue Wege: Mit den interfakultären Forschungskooperationen IFK lanciert sie Netzwerkprojekte, die jeweils 8 bis 13 Forschungsgruppen aus diversen Fakultäten umfassen und die spezifisch gefördert werden. Pro IFK müssen mindestens zwei Fakultäten beteiligt sein. «Komplexe Problemfelder wie Migration oder genetische Veränderungen am Menschen können nicht mehr innerhalb der einzelnen Disziplinen gelöst werden, sondern nur noch fächerübergreifend», sagt Rektor Christian Leumann. «Für solche neue, interdisziplinäre Forschungsansätze ist die Universität Bern als Volluniversität dank ihres breiten wissenschaftlichen Profils gut aufgestellt.» Mit dem Instrument der IFK stärke die Universität Bern die wissenschaftliche Qualität und Aktualität ihrer Forschung. «Wir schärfen damit auch unser Profil als forschungsintensive Universität», sagt Leumann.

Mögliche neue Forschungszentren

Die IFK orientieren sich an den fünf strategischen Themenschwerpunkten der Universität Bern: Gesundheit und Medizin, Nachhaltigkeit, Politik und Verwaltung, Materie und Universum sowie Interkulturelles Wissen. Gefördert werden die Forschungskooperationen während vier Jahren mit je 1,5 Millionen Franken pro Jahr. Drei Projekte wurden nun in einem kompetitiven Verfahren bewilligt. Die IFK lehnen sich an die Gefässe der Nationalen Forschungsschwerpunkte (NFS bzw. NCCR) des Schweizerischen Nationalfonds an. «Wenn wir hier auf neue Forschungsgebiete stossen, ist es durchaus denkbar, dass sich daraus Bewerbungen für weitere Nationale Forschungsschwerpunkte und damit neue strategische Forschungszentren ergeben», erklärt Leumann.

Informationen zu den drei Projekten im Detail:

1) Projekt «One Health: Cascading and Microbiome-Dependent Effects on Multitrophic Health»

Leitung: Prof. Dr. Matthias Erb, Forschungsgruppe Biotische Interaktionen, Institut für Pflanzenwissenschaften
Ko-Leitung: Prof. Dr. Andrew Macpherson, Department for BioMedical Research, Forschungsgruppe Gastroenterologie / Mukosale Immunologie
Beteiligte Fakultäten: Philosophisch-naturwissenschaftliche, Medizinische und Vetsuisse-Fakultät.
Beteiligte Gruppen: 9 Forschungsgruppen mit Expertise in Mikrobiologie, Umweltwissenschaften, Pflanzen- und Tiergesundheit, Humanmedizin und Bioinformatik.

Vom Boden über Pflanzen und Wiederkäuer bis zum Menschen

Das Projekt «One Health: Cascading and Microbiome-Dependent Effects on Multitrophic Health» befasst sich mit einem immer bedeutender werdenden Forschungsgebiet, in dem die Zusammenhänge zwischen der Gesundheit von Umwelt, Tier und Mensch untersucht werden. Die 9 Forschungsgruppen untersuchen insbesondere den Einfluss von Umweltveränderungen auf Nahrungskettensysteme – also von Böden über Pflanzen hin zu Wiederkäuern und schliesslich Mäusen als Modellorganismen für die menschliche Gesundheit. So kann erstmals vergleichend analysiert werden, wie die mikrobiellen Gemeinschaften an verschiedenen Schnittstellen der Nahrungskette auf Faktoren wie Schwermetalle, Pestizide und Pflanzensekundärstoffe reagieren, und welchen Einfluss diese Veränderungen auf die Gesundheit der einzelnen Glieder der Nahrungskette sowie das gesamte System haben. Indem sie ihre Fachkompetenz vereinen, können die Forschungsgruppen unter anderem gesundheitliche Kaskadeneffekte innerhalb der Nahrungskette beobachten, was ihnen sonst nicht möglich wäre. Dabei handelt es sich um einen neuen Ansatz innerhalb des One Health-Forschungsgebiets. Die Forschenden rechnen damit, dass die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen, die Auswirkungen von Umweltchemikalien auf die Gesundheit von Nahrungsketten besser zu verstehen und zu beheben.

2) Projekt «Religious Conflicts and Coping Strategies»

Leitung: Prof. Dr. Katharina Heyden, Institut für Historische Theologie
Ko-Leitung: Prof. Dr. Martino Mona, Institut für Strafrecht und Kriminologie
Beteiligte Fakultäten: Theologische Fakultät, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Philosophisch-humanwissenschaftliche Fakultät, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Philosophisch-historische Fakultät und Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG)
Beteiligte Gruppen: 12 interdisziplinäre Forschungsgruppen aus der Theologie, der Rechtswissenschaft, den Religionswissenschaften, der Islamwissenschaft, Judaistik, Politologie, Geschichte, Sozialanthropologie, Psychologie, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Germanistik und Philosophie.

Religiöse Konflikte und Bearbeitungsstrategien

Obwohl Konflikte mit religiösen Dimensionen Vergangenheit und Gegenwart prägen, ist die Bedeutung von Religion in sozialen und politischen Konflikten bisher nicht überzeugend erfasst und erklärt worden. Die bisherige Debatte fokussiert vor allem auf die Frage, ob Religionen lediglich für andere, etwa wirtschaftliche Interessen, instrumentalisiert werden oder ob sie selbst konfliktfördernde oder befriedende Komponenten enthalten. Die Forschungskooperation strebt ein differenziertes Verständnis der ambivalenten Rolle von Religionen in Konflikten an, um adäquate Bearbeitungsstrategien entwickeln zu können. Hauptziel des Projekts ist es, analytische Modelle zu erstellen, welche die diversen ökonomischen, sozialen, psychologischen, kulturellen und politischen Faktoren aufzeigen, die zu Konflikten beitragen, und deren Verbindung zu religiösen Überzeugungen, religiöser Rhetorik, religiösen Motivationen und Akteuren beschreibt. Dafür erforschen die 12 Gruppen vergangene und aktuelle religiöse Konflikte und Bearbeitungsstrategien. Sie verknüpfen dabei kultur- sowie sozialwissenschaftlichen Methoden mit religiösen Binnenperspektiven. Der Inhalt und die Methodologie dieser IFK sollen einen substanziellen Beitrag leisten zu zwei strategischen Themenschwerpunkten der Universität Bern: Interkulturelles Wissen und Nachhaltigkeit. 

3) Projekt «Decoding Sleep: From Neurons to Health & Mind»

Leitung: Prof. Dr. med. Claudio Bassetti, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital Bern sowie Vizedekan Forschung der Medizinischen Fakultät, Universität Bern.
Ko-Leitung: Prof. Dr. Fred Mast, Leiter der Abteilung Kognitive Psychologie, Wahrnehmung und Methodenlehre am Institut für Psychologie.
Beteiligte Fakultäten: Medizinische, Philosophisch-humanwissenschaftliche und Naturwissen-schaftliche Fakultät
Beteiligte Gruppen: 13 Forschungsgruppen aus der Neurologie, Psychologie, Physiologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Pneumologie, Infektiologie und Informatik.

Den Schlaf entschlüsseln: Bedeutung für die Gesundheit und Lebensqualität

Schlaf blieb im Lauf der Evolution nahezu unverändert erhalten, was auf dessen fundamentale Bedeutung für das Überleben hinweist. Die Schlafforschung deutet bei Mensch und Tier darauf hin, dass Schlaf sowohl dem Sparen von Energie dient, als auch Erholungs- und Reparaturprozessen im Gehirn und in diversen Organen. Zudem konnte bei Mechanismen, die mit Schlaf in Verbindung stehen, nachgewiesen werden, dass diese die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst zu regenerieren und neu zu strukturieren, die Reifung des Gehirns sowie die Kognition fördern. Die Forschungskooperation möchte mittels den drei Bereichen «Brain – Mind – Body» ein besseres Verständnis der Mechanismen von Schlaf, Bewusstsein und Kognition erreichen. Schliesslich können Schlaf-Wach-Störungen erste Anzeichen von Erkrankungen sein – wie Parkinson und Demenz oder Depression. Dafür werden molekuare und neurophysiologische Prozesse von Schlaf und Schlafstörungen und deren Zusammenhang mit Hirnschaden, Schmerz und Infektionen untersucht. Zusätzlich sollen mithilfe des Schlafs neue Einsichten zu kognitiven und neuroplastischen Prozessen gewonnen werden. Dazu wird die Bedeutung von Schlaf für die mentale Gesundheit, für Gehirnfunktionen und für körperliche Leistung in gesundem und krankem Zustand bei Tier und Mensch untersucht. Aus den «Big Data» der einzelnen Projektgruppen sollen neue Modellrechnungen von Schlafphasen entwickelt werden – mit dem Ziel, neue Biomarker für Schlaf und Schlafstörungen zu bestimmen. Die IFK kann dafür auf das universitäre Kompetenzzentrum «Center for Cognition, Learning and Memory (CCLM)», das national vernetzte «Bern Network for Epilepsy, Sleep and Consciousness (BENESCO)», auf international etablierte Netzwerke als auch auf hochspezialisierte Infrastrukturen wie das «Schlaf-Wach-Epilepsie Zentrum Bern (SWEZ)», das «Zentrum für Experimentelle Neurologie» (ZEN) oder das «Swiss Institute for Translational and Entrepreneurial Medicine» (sitem-insel AG) zurückgreifen. Durch ihre Schwerpunkte auf personalisierter Medizin sowie biomedizinischer Technologie trägt sie zur Stärkung des Medizinalstandorts Bern bei.

24.01.2018