Eine ganz besondere Proteinmaschinerie

Der Erreger der Schlafkrankheit enthält eine aussergewöhnliche Maschinerie für die Herstellung von Proteinen. Eine Gruppe von Forschenden der ETH Zürich und der Universität Bern hat nun erstmals deren Struktur aufgeklärt.

Ribosomen gehören zu den wichtigsten und im Verlauf der Evolution kaum veränderten molekularen Maschinen der Zelle. Ihre Funktion ist es, Abschriften von Genen, also Baupläne für Proteine, abzulesen und in Proteine zu «übersetzen».

Forschungsgruppen der ETH Zürich und der Universität Bern, die Teil des Nationalen Forschungsprogramms «RNA and disease» sind, haben nun mittels Kryo-Elektronenmikroskopie die detaillierte atomare Struktur von ganz speziellen Ribosomen aufgeklärt, die in den Mitochondrien von Trypanosoma brucei vorkommen, einem parasitären Einzeller, der die Schlafkrankheit verursacht. Ihre Erkenntnisse erschienen soeben in der Fachzeitschrift «Science».

Mitochondrien sind Organellen, die in allen eukaryotischen Zellen zu finden sind. Sie sind die Kraftwerke der Zelle und enthalten eigene Ribosomen, sogenannte «Mitoribosomen». Diese stellen einige wenige, aber für diese Kraftwerke essentielle Proteine her. Mitoribosomen der Trypanosomen haben die gleichen Grundfunktionen wie die Ribosomen anderer Organismen, zum Beispiel denen des Menschen. Sie sind jedoch spezialisiert für die Biologie der Parasiten, und ihre Struktur sieht völlig unterschiedlich aus.

Proteine in der Mehrzahl

Alle Ribosomen bestehen aus zwei Typen von Bausteinen: Ribonukleinsäuren (RNA) und Proteinen. «Interessanterweise sind die Mitoribosomen von Trypanosomen wesentlich grösser als alle anderen Ribosomen einschliesslich der menschlichen Ribosomen», sagt Studien-Mitautor André Schneider vom Departement für Chemie und Biochemie der Universität Bern. Die Mitoribosomen von Trypanosomen bestehen zudem vorwiegend aus Proteinen, während alle anderen Ribosomen einen sehr hohen RNA-Anteil aufweisen. Folglich haben in den trypanosomalen Mitoribosomen die Proteine die strukturelle Funktion der RNA übernommen.

Folgende Analogie mag hier hilfreich sein: Ein kleines Holzhaus sieht nicht gleich aus wie ein grosser Betonbau, trotzdem brauchen beide ein Dach, Fenster, eine Treppe und so weiter. «Vergleicht man die Architektur der vor allem aus Proteinen bestehenden trypanosomalen Mitoribosomen mit der RNA-basierten Ribosomenarchitektur anderer Organismen, kann man die grundlegendsten funktionellen Elemente und Bausteine definieren, die von allen Ribosomen geteilt werden», erklärt Professor André Schneider weiter.

Möglicher Therapieansatz

Trypanosomen nicht nur ein wichtiges Modellsystem für die Grundlagenforschung, sondern als Erreger der unbehandelt tödlich verlaufenden Schlafkrankheit auch von klinischer Bedeutung. Die Mitoribosomen sind für das Überleben der Trypanosomen absolut notwendig. Da sie ganz anders aufgebaut sind als die Mitoribosomen des Menschen, könnten sie sich als Angriffspunkt für eine Therapie der Schlafkrankheit eignen. Ein Vergleich der Strukturen der Mitoribosomen von Trypanosomen und Menschen könnte es ermöglichen, Substanzen zu finden, die gezielt Mitoribosomen des Einzellers hemmen und so als Medikament dienen. Finanziell unterstützt wurde die vorliegende Studie durch den Schweizerischen Nationalfonds.

Publikation:

Ramrath DJF, Niemann M, Leibundgut M, Bieri P, Prange C, Horn EK, Leitner A, Boehringer D, Schneider A, Ban N. Evolutionary shift towards protein-based architecture in trypanosomal mitochondrial ribosomes. Science, published online 13th Sept 2018, DOI: 10.1126/science.aau7735

«RNA & Disease – Die Rolle von RNS in Krankheitsmechanismen»

Der Nationale Forschungsschwerpunkt «RNA & Disease – Die Rolle von RNS in Krankheitsmechanismen» widmet sich der Untersuchung der RNS (Ribonukleinsäure), die zentraler Drehpunkt vieler Lebensvorgänge ist und weit vielfältiger als ursprünglich angenommen. Sie definiert beispielsweise, wann und in welchen Zellen welche Gene aktiv oder inaktiv sind. Läuft bei dieser genetischen Regulation nicht alles rund, entstehen Krankheiten – etwa Herzerkrankungen, Krebs, Hirn- und Stoffwechselkrankheiten. Der NFS vereint Schweizer Forschungsgruppen, die sich mit verschiedenen Aspekten der RNS-Biologie in unterschiedlichen Organismen befassen. Heiminstitutionen sind die Universität Bern und die ETH Zürich.

Quelle: ETH Zürich, Hochschulkommunikation

14.09.2018