Die Polarregionen kommunizieren via «Postkarten» und «SMS»

Eine neue Studie unter Beteiligung der Universität Bern zeigt, dass zwischen Nordatlantik und Antarktis eine zweiteilige klimatische Verbindung existiert. Sie besteht aus einem schnellen atmosphärischen Kanal und einer viel langsameren Verbindung im Ozean. Diese sorgte während der letzten Eiszeit für abrupte klimatische Veränderungen – und könnte das auch in Zukunft wieder tun.

In einer soeben im Fachmagazin «Nature» publizierte Studie beschreibt ein internationales Team von Forschenden, wie das wiederholte Erstarken und die darauffolgende Abschwächung einer Meeresströmung vor 60'000 bis 12'000 Jahren zu einem extrem abrupten Wandel des Klimas führten. Diese Strömung ist unter dem Namen Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC) bekannt und erwärmt Grönland und Europa durch warmes Wasser, das sie via Golfstrom in den Nordatlantik führt. Die neuen Forschungsergebnisse zeigen, wie diese auch als «Dansgaard-Oeschger Events» bekannten Extremereignisse in die Antarktis am anderen Ende der Welt übertragen werden.

«Der Nordatlantik sendet seine Botschaften auf zwei verschiedenen Zeitskalen in die Antarktis», erklärt der Hauptautor der Studie, Christo Buizert, Klimawandelspezialist an der Oregon State University (USA). Die Verbindung über die Atmosphäre könne man sich wie eine SMS vorstellen, die sofort beim Empfänger, bei der Empfängerin eintrifft. Die Verbindung über den Ozean hingegen sei eher mit einer Postkarte zu vergleichen, die reichlich Zeit brauche, bis sie ihr Ziel erreicht habe. Im Fall der AMOC-Strömung 200 Jahre.

Während der letzten Eiszeit war diese Strömung normalerweise sehr schwach, was im nordatlantischen Raum für eisige Bedingungen sorgte. Aber hin und wieder verstärkte sich die AMOC innert kurzer Zeit enorm. Wie das internationale Forschungsteam herausgefunden hat, sorgte dieses Phänomen in Grönland für eine plötzliche Erwärmung. Und wenn es dort wärmer wurde, variierte das Klima auch in der Antarktis – und zwar gleich doppelt. Umgehend veränderten sich die globalen atmosphärischen Bedingungen, die in einigen Teilen der Antarktis für eine Erwärmung sorgten und in anderen für eine Abkühlung. Der zweite Teil der Veränderungen jedoch geschah viel langsamer. Erst nach einer Frist von 200 Jahren zeigte sich die Abkühlung der Ozeane in der Nordhemisphäre auch in der Antarktis.

Abrupter Klimawandel in Grönland

«Unsere Studie zeigt erstmal detailliert, wie das Klima über Zeiträume hinweg funktioniert, die weit über meteorologische Beobachtungen hinausreichen», erklärt der Umweltchemiker Michael Sigl vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern. Er war als Experte für die Rekonstruktion der vulkanischen Vergangenheit der Erde an der Studie beteiligt. Um die Klimadaten von Eisbohrkernen von fünf verschiedenen Standorten in der Antarktis zu synchronisieren, wurden gegen 1'600 Schichten von vulkanischen Ablagerungen im Eis analysiert. «Nur dank dieser Horizonte konnten wir fast 50'000 Jahre antarktische Klimageschichte auf einen einheitlichen Zeitstrahl bringen und mit der Klimageschichte Grönlands abgleichen.» Die Rekonstruktion des Klimas von Grönland, so der Berner Forscher, habe gezeigt, dass sich diese Region innerhalb eines Jahrzehnts um 10 bis 15 Grad erwärmen könne, wenn der Golfstrom einmal seine volle Stärke erreicht habe. «Dieser Wandel geschieht abrupt und massiv.»

Schwächere Monsunregen in Asien

In ihrer Untersuchung konnten die Klimaforschenden nachweisen, dass es für heutige Beobachtungsdaten Analogien im vergangenen Klima gibt. Der atmosphärische Wechsel in der Antarktis folgt einem Muster von wärmeren und kälteren Gegenden – eine Art von Temperaturfingerabdruck. «Wir können diese Fingerabdrücke im Eis wie Detektive mit heutigen Windmustern vergleichen», erklärt Christo Buizert von der Oregon State University. «Verantwortlich für diese Temperaturunterschiede sind die Westwinde auf der südlichen Hemisphäre und deren Einfluss auf das Meereis um die Antarktis»

Beobachtungsdaten und Klimamodelle zeigen, dass sich der AMOC-Strom gegenwärtig abschwächt – eine Folge des globalen Klimawandels. Das heisst, dass sich wiederholen könnte, was während der letzten Eiszeit geschah: eine abrupte Veränderung des Klimas, ausgelöst durch das Auf und Ab dieser Meeresströmung. Wiederholt sich dieses Phänomen, wird eine Abschwächung der AMOC wahrscheinlich die Kraft der asiatischen Monsune verringern, wie die Forschenden befürchten. Diese Monsunregen stellen die Lebensgrundlage für Milliarden von Menschen dar. Die sich verändernden Windmuster in der südlichen Hemisphäre werden zudem die Fähigkeit des Ozeans beeinträchtigen, Kohlendioxid aufzunehmen. Das bedeutet, das mehr CO2-Emissionen in der Atmosphäre verbleiben und so den Treibhausgaseffekt verstärken.

«Die klimatische Verbindung zwischen Nordatlantik und Antarktis, die wir nachgewiesen haben, besteht noch immer», erklärt Michael Sigl. «Der Grund für die gegenwärtige Abschwächung der AMOC sind die globale Erwärmung und Schmelzwasser aus Grönland. Mit anderen Worten: Die SMS wird gerade abgeschickt, die atmosphärischen Bedingungen sind im Ändern begriffen.» Aber auch die «Postkarte», so der Berner Klimaforscher, welche die Veränderungen in den Ozeanen auslösen werde, sei bereits unterwegs.

Publikation:

Christo Buizert, Michael Sigl, Mirko Severi, Bradley R. Markle, Justin J. Wettstein, Joseph R. McConnell, Joel B. Pedro, Harald Sodemann, Kumiko Goto-Azuma, Kenji Kawamura, Shuji Fujita, Hideaki Motoyama, Motohiro Hirabayashi, Ryu Uemura, Barbara Stenni, Frédéric Parrenin, Feng He, T.J. Fudge, Eric J. Steig. Abrupt Ice Age Shifts in Southern Westerlies and Antarctic Climate Forced from the North. Nature, 2018. DOI: 10.1038/s41586-018-0727-5

29.11.2018