Ein «Delete-Knopf» für die DNA

Forschende unter der Leitung des Molekularbiologen Rory Johnson der Universität Bern haben eine Software entwickelt, mit der Teile der menschlichen DNA rasch und einfach aus lebenden Zellen gelöscht werden können. Die Software wird zu einem besseren Verständnis der «Dunklen Materie» unserer DNA führen, der sogenannten nicht-codierenden DNA, und könnte die Suche nach krankheitsverursachenden Genen sowie neuen Therapien erleichtern.

Die Genomik untersucht, wie unser Genom, die Gesamtheit unserer DNA (Desoxyribonukleinsäure), den Menschen definiert, und wie aus Fehlern in der DNA Krankheiten entstehen. Bis vor kurzem war sie eine «schreibgeschützte» Wissenschaft: Mittels technischer Hilfsmittel konnten genetische Sequenzen und ihre regulatorischen Bereiche abgelesen werden – es gab aber keine Möglichkeit, DNA zu editieren oder zu löschen, weder für die Grundlagendforschung, noch für potenzielle therapeutische Zwecke. Erst mit der Entdeckung der «CRISPR/Cas9»-Methode vor ein paar Jahren wurde dies möglich.

CRISPR/Cas9 ist ein molekulares Tool, bestehend aus zwei Komponenten: Einem sogenannten molekularen Strichcode («sgRNA»), der von Forschenden verwendet wird, um eine bestimmte Stelle im Genom zu finden, und einem Protein, Cas9, welches an eine bestimmte Struktur in der sgRNA andockt. Mit diesen Komponenten kann nun die DNA bearbeitet werden – so können etwa kleine Mutationen eingeführt oder die Aktivität von Genen reguliert werden. CRISPR/Cas9 wurde bisher hauptsächlich eingesetzt, um Protein-kodierende Gene (welche zur Bildung von Proteinen führen) auszuschalten. Unser Genom besteht jedoch zu 99 Prozent aus Genen, die keine Proteine codieren. Diese sogenannte «nicht-codierende DNA» wird auch als «Dunkle Materie» unseres Genoms bezeichnet und ist grundlegend für das Verständnis sämtlicher Aspekte der menschlichen Biologie, der Evolution und von Krankheiten. Bis anhin fehlten experimentelle Werkzeuge, um die nicht-codierende DNA zu untersuchen. CRISPR/Cas9 macht auch dies möglich.

Tool für potenzielle Therapien

Ein internationales Team um Prof. Rory Johnson vom Departement Klinische Forschung der Universität Bern und dem Nationalen Forschungsschwerpunkt NCCR RNA & Disease hat nun eine revolutionäre Software entwickelt, welche das bisher sehr aufwendige Löschen bestimmter nicht-codierender DNA-Stellen so einfach macht, dass es für die Forschung und Suche nach neuen Therapieansätzen breit eingesetzt werden kann.

Forschende um Johnson hatten am spanischen Centre for Genomic Regulation in Barcelona kürzlich bereits ein auf CRISPR/Cas9 basierendes Tool namens «DECKO» entwickelt, mit dem jede gewünschte Stelle nicht-codierender DNA gelöscht werden kann. Der einzigartige Vorteil von DECKO ist, dass zwei sogenannte sgRNAs (single guide RNAs, zwei künstlich hergestellte RNA-Moleküle) benutzt werden, die wie zwei molekulare Scheren ein Stück DNA aus dem DNA-Strang herausschneiden können. Forschende weltweit haben diese einfache und effektive Methode bereits übernommen. Während der Arbeit an DECKO realisierte die Gruppe um Johnson, dass es keine Software gab, mit der dieses benötigte sgRNA Molekül-Paar designt werden konnte, was Experimente zum Löschen von DNA zeitaufwendig machte. Aus diesem Grund wurde der Master-Student Carlos Pulido aus der Gruppe beauftragt, dafür eine Software zu schreiben. Mit der Hilfe von Forschenden im Labor, die mittels Experimenten nachwiesen, dass tatsächlich die gewünschten Stellen in menschlichen Zellen gelöscht wurden, entstand so das Programm «CRISPETa».

«CRISPETa ist eine leistungsfähige und flexible Lösung, um CRISPR-Löschexperimente zu gestalten», sagt Rory Johnson. Forschende können CRISPETa die Stelle angeben, die sie löschen wollen, und die Software liefert zwei optimierte Gen-Scheren (sgRNA-Moleküle), die direkt eingesetzt werden können. «Einer der Hauptvorteile von CRISPETa ist, dass es über eine benutzerfreundliche Website zugänglich ist und so von allen Forschenden in der Biomedizin genutzt werden kann», sagt Johnson.

Auf einfache Weise kann so eine vermutlich funktionale Stelle in nicht-codierender DNA gelöscht werden, um herauszufinden, ob sich etwas in der zellulären oder molekularen Aktivität ändert. So kann die Software auch dabei helfen, potenzielle Therapien zu entwickeln – etwa indem eine Stelle von nicht-codierender DNA gelöscht wird, von der vermutet wird, dass sie eine bestimmte Krankheit auslöst.

«Wir hoffen, dass dieser ‹Delete-Knopf› möglichst vielen Forschungsgruppen zugute kommt, die sich mit der Löschung von DNA mittels CRISPR befassen», sagt Carlos Pulido, der Student, der CRISPETa programmiert hat. «CRISPR und andere Genom-editierende Tools werden unser Verständnis der genetischen Ursachen von Krankheiten revolutionieren – besonders in den 99 Prozent der DNA, die keine Proteine codiert», ist Johnson überzeugt. Die Forschenden hoffen, dass damit die Ursachen von Krankheiten nicht nur untersucht, sondern krankheitsverursachende Mutationen künftig auch rückgängig gemacht werden könnten.

Die Studie zu CRISPETa wurde nun im Journal PLOS Computational Biology publiziert. Sie wurde vom Spanischen Staat, der EU und teilweise vom Schweizerischen Nationalfonds durch den Nationalen Forschungsschwerpunkt «NCCR RNA & Disease» unterstützt.

 

Publikationsangaben:

Pulido-Quetglas C, Aparicio-Prat E, Arnan C, Polidori T, Hermoso T, Palumbo E, et al.: Scalable Design of Paired CRISPR Guide RNAs for Genomic Deletion. PLoS Comput Biol (2017) 13(3): e1005341. doi:10.1371/journal.pcbi.1005341

 

02.03.2017