Porträt Geschichte

Anatomie, Physiologie, ehem. Chemie

Salvisbergbau

Baltzerstrasse 1-5, Bühlstrasse 20; Institutsneubauten

Die Institutsneubauten wurden in den Jahren 1928 (Wettbewerb) bis 1931 durch Otto Rudolf Salvisberg, neben Le Corbusier und Karl Moser einen der renommiertesten und erfolgreichsten Schweizer Architekten seiner Zeit, sowie Salvisbergs Partner Otto Brechbühl errichtet. Das Gebäude polarisiert bis heute NutzerInnen und Fachleute. Während die einen seine Dimensionen und Materialität kritisieren, feiern die anderen seine städtebauliche und gestalterische Radikalität und die für das architektonische Denken der Moderne exemplarische Haltung - Qualitäten, die das Haus zu einem Denkmal gemacht haben, dessen Ausstrahlung weit über die Grenzen des Kantons Bern und der Schweiz hinaus reicht.

Vordach und Hörraum

Die Institutsneubauten verdienen zunächst einmal aus städtebaulicher Sicht Beachtung. Indem Salvisberg (im Unterschied zu anderen Teilnehmern des Wettbewerbs) sämtliche Institute in einem langen, gleichförmig-repetitiven Verbindungsbau unterbrachte und die Kopfbauten des Kantonslabors und des gerichtsmedizinischen Instituts individuell ausgestaltete, bewirkte er die massstäbliche Integration des Gebäudes in die bestehende Quartierstruktur und zugleich die Überbrückung der sich hier merklich absenkenden Topographie. Der Bau verklammerte die zur Zeit seiner Erbauung schon bestehenden Universitätsbauten des Muesmattfeldes auch aus der Fussgängerperspektive zu einer Einheit und band das westlich angrenzende Mehrfamilienhausquartier mit der freundlichen Geste der Institutshöfe ans Quartier an. Das Projekt bot somit für Probleme wie die Übersichtlichkeit, die Ordnung, das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Gesamten überzeugende Lösungen.

Salvisbergbau nach Fertigstellung 1931

Kompromisslosigkeit im Ganzen und Behutsamkeit im Einzelnen prägen das Gebäude nicht nur auf der städtebaulichen Ebene. So erzeugt die oft geschmähte Betonsichtigkeit der Institutsneubauten ganz anders als viele nur kurz zuvor errichtete Nachbarn (z. B. die Anatomie oder die Sternwarte) einen glaubhaften architektonischen Ausdruck für Werkstattatmosphäre, Improvisationsfreude und Kargheit des Forscherlebens - Charakterzüge, die für die Vitalität einer Universität wohl ebenso wesentlich sind wie die repräsentative Betulichkeit jener Objekte. Die grünen Kunststeinpfeiler, welche die Nischen der Institutseingänge abstützen, bieten sich als Ausdruck für Dynamik und Zwangsläufigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis an. Im Verbund mit den inzwischen wunderbar patinierten Art-Déco Lettern der Institutsbeschriftungen und sehr sorgfältig gewählten Details wie den durchgehenden Fensterbänken macht das Gebäude heute wie damals geltend, welch grosse Aufmerksamkeit es seinen NutzerInnen entgegen zu bringen gewillt ist.

Luftbild Muesmattfeld

Die auf dem Luftbild des Muesmattfeldes ersichtliche Organisation des Gebäudes ist äusserster Klarheit verpflichtet: Jeder Querflügel der so genannten Kammstruktur ist durch einen Eingang und einen der aufgesetzten Hörsäle ausgezeichnet.

Jede Einheit enthält ein Treppenhaus, dessen Lage an den lanzettförmigen hohen Glasbausteinfenstern der Schmalseiten der Flügel ausgewiesen ist. Die Erschliessungskorridore sind so angeordnet, dass Büros und Räume im Längsflügel zur Eingangsseite hin, in den Querflügeln zu den Höfen hin orientiert sind. Die Achsen der Hofausgänge liegen je um die Hälfte zu den Hauseingängen versetzt. Diese Grundstruktur lässt im Einzelnen vielfältige Variationen und Nutzungen zu.

Das in die Jahre gekommene Gebäude hat mehrere Umbauten und Sanierungen gut überstanden, weitere stehen an. Die grosse Sorgfalt, welche bei seiner Pflege und seinem Unterhalt in letzter Zeit walten gelassen wurde, macht es möglich, dass auch künftige Generationen nebst der Ausübung ihrer universitären Tätigkeit Gelegenheit haben werden, bei einem der grossen Meister der Architektur eine Lektion in Fragen der Gestaltung, der angemessenen Form sowie der städtebaulichen Differenziertheit geniessen zu dürfen.

Literatur:

Die hier verwendeten historischen Bilder und Pläne entstammen dem Werkkatalog und der Biografie: Claude Lichtenstein (mit Beiträgen diverser AutorInnen), O. R. Salvisberg. Die andere Moderne, Zürich (Verlag gta) 1985

Zu Umbauten und Sanierungen siehe u. a. Stéphanie Cantalou, Giorgio Macchi, Barbara Wyss-Iseli (Red.). u. a., Bern, Kantonales Laboratorium: Ausbau 1998-2001, Bern (Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Hochbauamt) 2001