Polemische Spottbilder

So wie in Rede und Schrift schenkten sich die Glaubensgegner auch in bildlichen Darstellungen nichts. Sie bezichtigten sich gegenseitig, die Kirche zu zerstören und die Gläubigen vom rechten Weg abzubringen. In der Absicht, mit Schmähbildern die Gegner zu verhöhnen und zugleich vor deren Gefährlichkeit zu warnen, schreckte man auch vor drastischen Szenen nicht zurück. Die Gleichsetzung mit dem Antichrist in Gestalt des Teufels war dabei ein oft verwendetes Motiv.

In dieser frühen Kampfschrift gegen Papst und Klerus (MUE AD 26) wird in Bildpaaren jeweils Christus als Vorbild in Demut dem hochmütigen, „unchristlichen“ Lebenswandel des Papstes gegenübergestellt. Die Auswahl der Bibelstellen besorgte Luthers Wittenberger Freund und Wegbegleiter Philipp Melanchthon. Die Illustrationen in der vorliegenden Strassburger Ausgabe sind denjenigen von Lucas Cranach d. Ä. im originalen Wittenberger Druck nachempfunden.

1524 erschien die bereits 1519 von Berthold Pürstinger, Bischof von Chiemsee, verfasste selbstkritische Analyse der kirchlichen Zustände (MUE Gross D 113; Onus ecclesiae = schwierige Aufgabe der Kirche) anonym im Druck. Auf dem Titelblatt will Antichrist, wie in der Offenbarung des Johannes beschrieben, die Kirche zerschlagen, wird aber letztlich von Christus daran gehindert.

In seiner Predigt münzt der Reformator Urbanus Rhegius eine Aussage aus der Bergpredigt auf betrügerische Geistliche (MUE AD 357). Der Titelholzschnitt stellt diese Verknüpfung bildlich dar: Anstatt sich als Geistliche (Hirten) um das Wohl der Gläubigen (Schafherde) zu kümmern, teilen sich ein Kanoniker, zu erkennen an der viereckigen Kappe, dem Birett, und ein Franziskanermönch, mit runder Kapuze und dem Strick als Gürtel, dessen drei Knoten für die Gelübde Armut, Keuschheit und Gehorsam stehen, als reissende Wölfe habgierig ihre Beute.

Zu jener Zeit, in der Missgeburten von Tieren als göttliche Zeichen betrachtet wurden, mussten selbst diese als „Papstesel“ und „Mönchskalb“ zur Verspottung der ungeliebten Kirchenvertreter herhalten (MUE AD 229). Kaum waren die von Philipp Melanchthon und Martin Luther verfassten Texte 1523 in Wittenberg erschienen, wurden sie in Augsburg nachgedruckt. Die beiden dazugehörigen Holzschnitte sind denen von Lucas Cranach d. Ä. in der Originalausgabe sehr ähnlich nachgeschnitten.

Ein anonymes Flugblatt von ca. 1540 (MUE Hospinian 44) zeigt den berühmt-berüchtigten Papst Alexander VI. (Rodrigo Borgia, 1431–1503, Papst ab 1492) in seinem Ornat. Beim Öffnen einer Papierklappe im oberen Teil kommt der Antichrist zum Vorschein mit der Überschrift „Ego sum papa“ (ich bin der Papst), wobei die päpstlichen Insignien zu satanischen Werkzeugen werden. Im darunter stehenden Text wird der Papst als mit dem Teufel im Bund und mit den schlimmsten Lastern behaftet beschrieben.

Hans Rudolf Manuel, ein Sohn des bekannten Berner Malers, Zeichners, Schriftstellers und Reformators Niklaus Manuel, hat dieses klerus- und sozialkritische Flugblatt gestaltet (MUE Aretius 2a). Durch das Öffnen von zwei Klappen wird der wahre Charakter des heuchlerischen Mönchs entlarvt. Symbolisch gesehen sollte er als geistlicher Hirte die Schafe seiner Herde eigentlich behüten. Wird die erste Klappe gewendet, erscheint anstatt des Mönchs- ein Wolfskopf, der ein gerissenes Schaf im Maul hält.

Und unter dem Vorwand, bei Gott Fürsprache für das Seelenheil einer armen Witwe zu halten, fordert er deren Hab und Gut: Unter der zweiten Klappe zeigt sich der Mönch zwar wieder mit menschlichem Gesicht und mit Tonsur, verleibt sich aber gerade deren Haus ein.