Mehr Nahrung dank Teamwork

Erstmals wurde bei Fischen ein spezielles kooperatives Verhalten beschrieben. Wie Forschende der Universität Bern zeigen, sichert sich die Buntbarschart Neolamprologus obscurus durch Teamwork zusätzliche Nahrungsquellen.

Kooperatives Verhalten bei der Nahrungssuche wurde bereits bei Raubtieren und verschiedenen sozialen Spinnen beobachtet. Jetzt haben Forschende um Dr. Hirokazu Tanaka vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern entdeckt, dass eine Fischart ähnlich vorgeht. Die kleinen sozialen Buntbarsche namens Neolamprologus obscurus, die nur im Tanganjikasee in Sambia vorkommen, graben Höhlen unter Steinen aus, in denen sie vor Räubern geschützt sind und die der Nahrungsbeschaffung dienen. Sowohl das Graben der Höhlen als auch die Unterhaltsarbeiten führen die Fische gemeinsam aus. Die Studie dokumentiert nun zum ersten Mal, dass sich Fische durch komplexes Teamwork mehr Nahrung beschaffen.

Höhlen zum Schutz und zum Beutefang

Neolamprologus obscurus ist ein kleiner, territorialer Fisch. Sein Revier besteht aus miteinander verbundenen Höhlen unter Steinen, die er selten verlässt. Im Gegensatz zu vielen anderen Fischarten lebt N. obscurus in komplexen sozialen Gruppen, die aus einem brütenden Paar und bis zu zehn kleineren Helfern bestehen. Die Mitglieder einer Gruppe verteidigen das Revier gegen Eindringlinge und kümmern sich um die Pflege der Nachkommen. Des Weiteren entfernen sie den immer wieder in die Höhlen rieselnden Sand und verhindern so, dass ihr Versteck verschwindet.

Hirokazu Tanaka und Kollegen zeigen nun, dass diese Höhlen eine weitere Funktion haben: Sie helfen, das Nahrungsangebot für ihre Bewohner zu erhöhen. In ihnen sammeln sich Garnelen und andere wirbellose Tiere, die die Hauptnahrungsquelle dieser Buntbarschart bilden. Die Garnelen steigen nachts im Wasser auf und sinken im Morgengrauen zurück auf den Boden des Sees. Dabei suchen sie Schutz in Spalten und Löchern und verstecken sich auch in den Höhlen, die von den Buntbarschen ausgegraben wurden. «Die Hohlräume haben eine ähnliche Funktion wie die Netze von sozialen Spinnen, die in Gruppen leben und die gemeinsam ihre Beute fangen», erklärt Studienleiter Hirokazu Tanaka. 

Grössere Hohlräume – mehr Nahrung

In ihrer Studie untersuchten die Forschenden, wie die Grösse der Hohlräume, die Anzahl der Helferfische und die Fülle von Garnelen im Territorium zusammenhängen. In stundenlangen Tauchgängen im Tanganjika-See schufen die Forschenden künstliche Hohlräume und entfernten Helferfische. Innerhalb einer Woche fiel soviel Sand in die Höhlen, dass sie sich deutlich verkleinerten. Dieser Effekt verstärkte sich zusätzlich, wenn die zuvor entfernten Helferfische gross waren. Eine der Haupterkenntnisse aus den Experimenten war, dass die Grösse der ausgehobenen Hohlräume einen positiven Einfluss auf die Anzahl von Garnelen hatte, die sich darin sammelten. Je mehr Helferfische anwesend waren, desto mehr Garnelen konnten in den Hohlräumen gefangen werden. «Helferfische der Buntbarschart Neolamprologus obscurus erweitern und pflegen die Hohlräume und tragen dadurch zu mehr Nahrung im Territorium der brütenden Fischweibchen bei», erklärt Hirokazu Tanaka.

In ihrer Studie konnten die Forschenden aufzeigen, dass Fische die in Gruppen leben beträchtlich grössere Hohlräume schaffen und unterhalten können als Fische die alleine leben. Folglich ermöglicht das Leben in der Gruppe den Buntbarschen, die Beute in ihrem Gebiet effizient zu vermehren. «Dadurch verbessert sich ihre körperliche Verfassung und ihr Fortpflanzungserfolg wird gesteigert», sagt Studienleiter Hirokazu Tanaka. Für die Fischart ergibt sich aus dem Gruppenleben deshalb ein klarer Vorteil.

Angaben zur Publikation:

Hirokazu Tanaka, Joachim G. Frommen, Masanori Kohda: Helpers increase food abundance in the territory of a cooperatively breeding fish, Behavioral Ecology and Sociobiology, 06. März 2018, doi: 10.1007/s00265-018-2450-5 https://link.springer.com/article/10.1007/s00265-018-2450-5

09.03.2018